Krakatau: Kann sich die Katastrophe von 1883 wiederholen?

In diesem Artikel geht es um meine Einschätzung der Lage und den letzten Informationen zum Hergang der Katastrophe. Weitere Artikel mit Videos und Fotos weiter unten.

Der Tsunami, der gestern Abend Teile der Küsten Westjavas und Ostsumatras heimsuchte, war mit einer Höhe von 3 m relativ klein. Er lief ca. 20 m die Küste hoch. Trotzdem gab es mindestens 222 Todesopfer. Die meisten Menschen erwischte es direkt am Strand, bzw. in Häusern und Ferienbungalows in vorderster Küstenlinie. Unter den Opfern befinden sich viele Touristen, von denen die meisten aus Indonesien stammen dürften. Was war passiert? Gestern begann eine paroxysmale Eruption, in deren Verlauf es zu einem Hangrutsch und partiellen Kollaps der Vulkanflanke kam. Der Hangrutsch löste einen Tsunami aus. Dieser erreichte die Küsten um 21.03 Ortszeit. Im Kommuniqué der zuständigen Behörde heißt es, dass zwar starker Tremor mit einer Amplitude von 58 mm registriert wurde, aber kein seismisches Signal, welches auf einen (unterseeischen) Kollaps hindeutete. Die genaue Datenanalyse lief heute morgen noch.

Laut neuen Aussagen des GFZ-Potsdam, soll die Welle 24 Minuten nach dem Kollaps in Ostjava aufgelaufen sein. Sie ist nach diesen Angaben ca. 100 km/h schnell gewesen. Ich frage mich, woher man den genauen Zeitpunkt des Kollapses kennt, wenn keine seismischen Signale registriert wurden? Haben Augenzeugen die sich anbahnende Katastrophe beobachtet? Allerdings registrierte das EMSC um 20.55 Uhr Ortszeit ein Erdbeben der Magnitude 5,0. Das Hypozentrum lag in nur 5 km Tiefe und ca. 30 km östlich der Vulkaninsel Krakatau. Ich halte es für möglich, dass die Lokalisierung des Bebens nicht genau war und dass sich das Beben stattdessen unter dem Vulkan ereignete. Es ist nicht auszuschließen, dass es den Zeitpunkt des Kollapses markiert, oder diesen triggerte. Allerdings wäre der Tsunami dann gut 350 km/h schnell gewesen. Ein recht hoher Wert für die relativ geringe Wassertiefe zwischen Krakatau und den Hauptinseln, doch wenn man bedenkt, dass Tsunamis im tiefen Wasser bis zu 800 km/h schnell werden können, ist das nicht unmöglich.

Spätestens seit dem Kollaps sind phreatomagmatische Eruptionen im Gange: Magma kommt in Kontakt mit Wasser, welches die Eruption verstärkt. Sollte Meerwasser direkt bis in den Magmenköper eindringen, könnten die Explosionen so stark werden, dass es den Anak Krakatau komplett zerreißt.

Doch nun zur eigentlichen Fragestellung des Artikels. Bei der bekannten Katastrophe von 1883 wurde eine Serie sehr starker Tsunamis ausgelöst. Diese wurden durch Kollaps des Krakatau verursacht. Der Vorgängervulkan des heutigen Anak Krakatau war deutlich größer, als die aktuelle Vulkaninsel. Von daher ist die jetzt zur Verfügung stehende Masse geringer. Sollte es zu weiteren Kollaps-Ereignissen kommen, sind diese wahrscheinlich schwächer als 1883. Aber nichtsdestotrotz besteht -meiner Meinung nach- genug Potenzial für weitaus größere Tsunamis, als jener von gestern. Wie immer, wenn es um Vulkane und Erdbeben geht: solche Ereignisse sind nur schwer vorherzusagen. Selbst wenn wir nun wissen, dass Potential für eine größere Katastrophe besteht, lässt sich nicht sagen, ob sie tatsächlich eintreten wird. Meiner Einschätzung nach sollte man die Küstenregion der Hauptinseln meiden und in höher gelegenen Gebieten schlafen. Und das solange, wie der Anak Krakatau phreatomagmatisch eruptiert.

1883 war der Vulkan mehrere Monate vor der Katastrophe aktiv. Es gab starke Eruptionen, Erdbeben, kleinere Kollaps-Ereignisse. Insofern erinnern mich die Geschehnisse vor der damaligen Katastrophe, an das, was wir nun sehen. Es gibt 2 Theorien dazu, warum der Krakatau 1883 so fatal eruptierte, dass es zum Kollaps nebst Tsunamis kam. Die ältere Theorie besagt, dass sich unterseeische Risse bildeten, durch die große Mengen Meerwasser in die Magmakammer einströmten. Die so erzeugten Dampfexplosionen zerrissen den Vulkan. Eine neuere Theorie geht davon aus, dass sich im Untergrund 2 verschiedene Magma-Arten mischten, was starke Explosionen verursachte. Ich halte es auch für möglich, dass beide Ereignisse eintraten und so zur Katastrophe führten.

Obwohl der Krakatau einer der gefährlichsten Vulkane der Welt ist, ist er nicht einer der am besten überwachten. Dazu fehlt den Indonesiern das Geld. Zum Anfang des Millenniums gab es ein Gemeinschaftsprojekt mit dem GFZ und die Ansätze waren gut. Doch als es keine weiteren Fördermittel gab, fielen immer mehr Geräte aus. Allerdings gibt es mehrere seismische Stationen. Ich selbst besuchte das kleine Observatorium an der Ostküste Javas öfters und besichtigte die Messstationen am Vulkan. Diese wurden bei Eruptionen in den vergangenen Jahren immer wieder beschädigt und liefen zuletzt nicht fehlerfrei. Allerdings muss es gestern zum spontanen Ausfall mehrere Messstationen gekommen sein, als der Vulkankegel teilweise kollabierte. Das hätte die Vulkanologen alarmieren können, das etwas Größeres passiert sein musste. Trotzdem stand nur wenig Zeit zur Verfügung, um Alarm zu geben: es blieben nur wenige Minuten, um die Bevölkerung vor einem Tsunami in der Sundastraße zu warnen. Künftig wird man auch nicht viel Zeit haben, um zu flüchten, selbst wenn Alarm gegeben werden sollte. Bei größeren Tsunamis wird es nicht ausreichen, um zu Fuß eine genügend große Distanz zurück zu legen. Per fahrbaren Untersatz hätte man evtl. noch eine Chance. Umso wichtiger erscheint mir eine lückenlose Beobachtung des Vulkans. So wurde es z.B. versäumt, mit Hydrophonen nach verdächtigen Geräuschen zu lauschen, wie man es zuweilen am Stromboli macht, wenn der Vulkan stärker ausbricht.

Neues Video vom Krakatau

Update 15:15 Uhr: Weitere Fotos der Eruption wurden veröffentlicht und verdeutlichen das Ausmaß der Katastrophe. Was auf dem Radarbild unten angedeutet ist, ist nun auf dem Foto zu sehen: Der Kegel ist kollabiert. Die Eruptionen kommen aus einer Stelle, an der sich zuvor die Vulkanflanke befand, nur dass dort jetzt die Küstenlinie verläuft. Für mich sieht es so aus, als würde sich der Kollaps mit dem Erdbeben um 21:00 Uhr Ortszeit korrelieren lassen. Schon unglaublich, dass man das Ausmaß der Eruption nicht schneller erkannt hat. Die Medien berichteten zuletzt, dass man in Indonesien davon ausgeht, dass die Flutwelle durch den Vollmond verstärkt wurde. Nein, es war ein klassischer Flankenkollaps. Die gewaltigen Hangrutschmassen lösten einen Tsunami aus!

Phreatomagmatische Eruption an der neuen Küstenlinie von Anak Krakatau. © kumparan.com

Update 14:00 Uhr: Tatsächlich ist der Kegel des Anak Krakatau teilweise kollabiert. Es finden phreatomagmatische Eruptionen statt: Meerwasser kommt in Kontakt mit Magma. Die Situation ist hoch gefährlich: es ist nicht auszuschließen, dass sich eine ähnliche Katastrophe wie 1883 anbahnt. Jederzeit sind nun Ereignisse möglich, die weitere Tsunamis auslösen könnten. Spätestens jetzt muss der Alarmstatus des Vulkans auf „rot“ gesetzt werden!

Radarbilder zeigen den Kollaps des Kegels. Zudem ist es gestern doch zu einem Erdbeben in der Sundastraße gekommen. Es hatte die Magnitude 5,0, lag in 5 km Tiefe. Es ereignete sich um 13.55 Uhr UCT. Laut EMSC lag es gut 30 km östlich der Vulkaninsel. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angaben ungenau sind und dass das Hypozentrum unter dem Vulkan lag. Dieses könnte die Katastrophe ausgelöst haben und hätte den Vulkanologen als Warnung dienen können.

In diesem Zusammenhang möchte ich all den Helfern danken, die mir das Material über unsere FB-Gruppe zuspielen. Im Forum der Vulkanauten wurde übrigens eine Diskussion zum Thema eröffnet: Seid ihr von der Eruption überrascht? Was meint ihr, wie es weiter geht? Eure Meinung ist gefragt!

Originalmeldung:

Ein Video vom Krakatau zeigt spektakuläre Explosionen. Pyroklastische Ströme ziehen aufs Meer hinaus. Die Vulkanasche verhüllt den eigentliche Kegel, wenn er denn noch da ist! Die Einstellung der Explosion sieht so aus, als käme diese eher aus dem Küstenbereich, als vom Krater. Die Eruption scheint phreatomagmatischen Ursprungs zu sein, was ein Indiz dafür ist, dass Meerwasser in den Vulkan eindringt.

Krakatau: Tsunami durch Kollaps

Update 13:30 Uhr: Neusten Medienberichten zufolge, stieg die Zahl der Todesopfer auf 222. Es gab zudem 843 Verletzte. Mindestens 30 Personen sind noch vermisst. Man stellt sich auf weiter steigende Opferzahlen ein. Der Tremor ist immer noch erhöht, was darauf schließen lässt, dass der Paroxysmus weiter anhält. Das Seismogramm zeigt keinen besonderen Ausschlag, der auf eine größere seismische Erschütterung jenseits des Tremors hindeutet. Da stelle ich mir einmal mehr die Frage, wie aussagefähig das online-Seismogramm des VSI ist? Die LiveCam ist leider offline und zeigt einen Abfalleimer. Daten über Bodendeformation werden nicht kommuniziert.

Originalmeldung: Am Anak Krakatau ereignete sich diesen Stunden dramatisches! Der Paroxysmus steigerte sich so sehr, dass es zu einem Kollaps kam, der einen großen Unterwasser-Hangrutsch auslöste. Die abrutschenden Gesteinsmassen lösten einen Tsunami aus. Dieser brandete an die Küste von Java und Sumatra. Viele Menschen starben. Nach bisherigen Angaben kamen 168 Menschen ums Leben, 745 Personen wurden verletzt.

Der Hangrutsch ereignete sich bereits gestern Abend. Die hohen Wellen, von denen bereits gestern Augenzeugen berichteten (siehe unten) scheint bereits der Tsunami gewesen zu sein. Unklar ist, ob es nicht auch zu einer submarinen Eruption gekommen ist.

Das VAAC Darwin meldet Vulkanasche in 18.300 m Höhe! Das ist der stärkste Ausbruch des Anak Krakatau, seitdem ich Vulkane beobachte.

Wie so oft an Vulkanen, kam das Ereignis überraschend. Nachdem der Vulkan seit Juni aktiv ist und mehrere paroxysmale Phasen durchlebte, ohne das etwas passierte, kam es gestern zur Katastrophe. Der Vulkan befand sich auf Warnstufe „gelb“ und es gab eine 2 km Sperrzone um den Gipfel des Vulkans. Auf Rakata (Insel in 4 km Entfernung) konnte man sich z.B. offiziell aufhalten. Dort kampierten immer wieder viele Vulkanbeobachter. Sollte sich zum Zeitpunkt des Tsunamis dort jemand aufgehalten haben, ist er sehr wahrscheinlich unter den Todesopfern. Unverständlicher Weise wurde die Alarmstufe bis heute Morgen nicht hochgestuft.

Erhöhte Seimik als Warnsignal?

Kollege Tom Pfeiffer postete gestern ein Foto der Seismik am Krakatau, welche in einem kleinen Observatorium an der Küste Westjavas aufgezeichnet wurde. Ähnlich hohe Seismik sah man auch schon bei vorangegangenen Paroxysmen. Es drängt sich ein Vergleich mit der Eruption am Fuego auf, die sich im Juni dieses Jahres ereignete. Nach zahlreichen Paroxysmen kam es auch dort zu einer Katastrophe, als pyroklastische Ströme viele Menschen töteten. Auch hier wussten die Behörden nicht, dass sich der Ausbruch von vorangegangenen Eruptionen zu unterscheiden schien. Offenbar ein generelles Problem: scheinbar „normale“ Situationen können sich am Vulkan dramatisch schnell ändern, ohne das man sie vorhersagen könnte.

Trotz der Dramatik der Lage, war der Tsunami relativ klein. In den Sozialen Medien haben Anwohner und Vulkanbeobachter auf Westjava von hohen Wellen gesprochen. Vielfach wurde diskutiert, ob die Wellen durch den Vollmond (tidal flood) ausgelöst wurden, oder ob es sich um meteorologisch erzeugte Wellen handelte. Vielen war nicht klar, dass die Wellen an manchen Küstenabschnitten so hoch wurden, das Menschen starben. An einen Tsunami durch einen submarinen Hangrutsch (sofern sich dieser bestätigt und es nicht doch ein Kollaps am oberseeischen Teil des Krakataus war) dachten wohl die Wenigsten. Ein starkes tektonisches Erdbeben, welches für die Wellen verantwortlich gewesen sein konnte, gab es zuvor auch nicht.

Nur ein Hangrutsch?

Ob der Tsunami tatsächlich durch einen submarinen Hangrutsch ausgelöst wurde, ist bis jetzt nicht bestätigt. Es könnte auch zu einem Abbruch des Lavadeltas gekommen sein, welches sich in den letzten Wochen aufbaute: mehrere Lavaströme, die den Ozean erreichten, schufen neues Land. Dieses ist allerdings sehr instabil. Von Hawaii kennt man es, dass diese Deltas oft kollabieren und Wellen auslösen. Falls sich tatsächlich ein unterseeischer Hangrutsch ereignete, muss man sich die Frage stellen, ob das alles war? Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Spalte unter Wasser öffnete und Wasser in den Magmenkörper eindringt, ähnlich, wie es sich vor der Katastrophe von 1883 zugetragen haben könnte. Die Ereignisse von damals erinnern auf jeden Fall an aktuelle Abläufe. Dazu gibt es hier heute Abend einen weiteren Artikel von mir.