Fagradalsfjall: Geimpft, getestet und rasiert

Staat: Island | Koordinaten: 63.903, -22.273 | Eruption: Hawaiianisch

Fagradalsfjall
Drohenenpanorama über den neuen Krater und dem Geldingadalir. © Marc Szeglat

Zwischen dem 05. und 12. September weilten die Geonauten/Vulkanauten Thorsten, Martin und Marc auf Island, um die Eruptionen des Vulkans Fagradalsfjall zu dokumentieren. Wie es das Schicksal so wollte, traf unsere Reise ausgerechnet mit der längsten Eruptionspause des Vulkans zusammen, seitdem er im März ausgebrochen war. Die Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen und die Schulferien -mit ihren sündhaft explodierten Mietpreisen für Allradautos- vereitelten eine frühere Reise. Diese trat ich bereits mit gemischten Gefühlen und in einer dystopischen Stimmung an, denn der letzte Eruptionspuls ereignete sich bereits 3 Tage vor meiner Abreise: eine ungewöhnlich lange Pause für den ansonsten so aktiven Fagradalsfjall. Hinzu kam der Umstand, dass die Bahn streikte (danke GDL) und ich von Frankfurt aus flog. Also musste ich mit dem PKW 3 Stunden lang zum Flughafen fahren und ihn dort einem Langzeitparkplatz auf einem alten Fabrikgelände anvertrauen. Die endlos lange Schlange am Check-in war auch wenig erbaulich. Geimpft, getestet und frisch rasiert stellte ich mich wenig geduldig und ziemlich genervt hinten an und wartete. Irgendwann hatte ich es dann bis an Bord des Fliegers geschafft und versumpfte mit meiner Maske auf der Nase im zu schmalen Sitz. Dreieinhalbstunden später landete ich in Keflavik -ohne einen nennenswerten Bordservice genossen zu haben (danke Icelandair)- absolvierte das Corona-Einreiseprozedere und nahm den Mietwagen entgegen. Hier trug sich das erste einigermaßen positive Ereignis zu, denn mir wurde ein „Upgrade“ aufgedrückt. Anstatt des gebuchten Skoda Oktaiva 4×4 bekam ich einen Kia Sportage SUV. Mhh, eigentlich hatte ich den langen Skoda gemietet, weil ich hinten im Kofferraum schlafen wollte, nun würden es 7 unbequeme Nächte auf dem Beifahrersitz werden. Was für eine herbe Enttäuschung, aber wenigstens durfte man mit dem SUV über die Hochlandpisten brettern und auf den Spuren einer Grand Tour wandeln.

Thors Sohn

Nachdem ich Martin aufgegabelt hatte, trafen wir uns mit Thorsten in Grindavik, der bereits am Donnerstag auf Island angekommen war und vermutlich den Vulkan ausgetreten hatte. Oder hatte er etwa in den Krater uriniert? Was auch immer, der Sohn Thors musste den Vulkan gelöscht haben! Zusammen fuhren wir zum schweigenden Schlot und mir raubte es endgültig die Stimmung: Hunderte, nein, Tausende Schaulustige bevölkerten die Hügel um das Geldingadalir-Tal und starrten zum kalten Loch rüber. Schlimmer geht immer. Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich finde es toll, wenn sich Menschen für Vulkane interessieren und diese auch bereisen, doch dieser Rummel ging mir entschieden zu weit! Um es abzukürzen: der Vulkan blieb aus und wir verdrückten uns ins ruhigere Hochland. Zuvor bestaunten wir einen Gletscherlauf der Skafta, der von zwei subglazialen Kavernen des Gletschers Vatnajökull ausging. Der Vulkan Grimsvötn verursachte eine Eisschmelze und das gestaute Wasser floss nun ab. Lokale Medien berichteten pausenlos über das Ereignis, doch irgendwie haute es mich nicht wirklich von den Socken. War halt ein Hochwasser, dass das Flussbett nicht mal verließ. Irgendwie weniger dystopisch, oder doch? Nein, Grimsvötn zeigte sich vom Gletscherlauf nicht beeindruckt und blieb -wie könnte es anders sein- ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack, denn als Sünder stehe ich auf einen Hauch von Feuer und Schwefel. By the way, Grimsvötn zählt zu den 7 isländischen Vulkansystemen, die sich aktuell auf eine Eruption vorbereiten sollen.

Im Bann des Tremors

Panorama über Kraterseen bei Landmannalaugar. © Marc Szeglat

Während unserer Reise staunten wir mehr als einmal, wie gut das Mobilfunknetzt auf Island ausgebaut ist, denn stündlich checkten wird den Tremor. Thorsten verließ uns am Donnerstag, und Martin und ich scheuchten den Kia nach Landmannalaugar, wo es mich erneut in Erstaunen versetzte: aus dem Geheimtipp von damals, ist eine beliebte Touristenattraktion geworden, wo sich alles trifft, was seinen Offroadcamper ausführt. Und ich kann Euch sagen: nach 5 Nächten auf dem Beifahrersitz eines SUVs hätte ich auch gerne einen gehabt. Abenteurfeeling war allerdings fehl am Platz, dazu muss man wohl zur Askja fahren. Aber wir wollten uns nicht weiter als 3 Fahrtstunden vom Fagradalsfjall entfernen. Am letzten Tag vor der Heimreise stellte sich heraus, dass dieser Entschluss weise war. Am Samstagmorgen begann der Tremor in der vertrauten Weise zu steigen und wir eilten vom Gulfoss zum Fagradalsfjall.

Neue Spalten am Vulkan Fagradalsfjall

Am Vulkan angekommen wählten wir die südlichste der 3 Routen, die auf die Hügelketten um den neuen Krater führen. Auf dem Rim steht eine der populärsten LiveCams und weiter östlich befindet sich ein recht wenig frequentierter Aussichtspunkt. Von dort aus wollten wir unsere Drohnen starten. Schon während des Weges dorthin schwante mir nichts Gutes: von der gegenüberliegenden Seite des Tals stieg verdammt viel Dampf auf und es hatte den Anschein, als würde dort Lava fließen. Martin war vorangeeilt und als ich den Aussichtspunkt erreicht hatte, drehte er bereits wieder um und machte sich auf den weiten Weg zur Nordseite. Ein Blick in die Ferne bestätigte meine Vermutung, dass sich in gut 2 km Entfernung neue Schlote im Talboden geöffnet hatten. Super, da stand ich dann mal auf der falschen Seite und guckte blöd aus der Wäsche! Martin, der im Gelände fast doppelt so schnell unterwegs ist wie ich, hatte gute Chancen den gegenüberliegenden Rim noch bei gutem Fluglicht zu erreichen, aber ich zweifelte an meiner Geschwindigkeit und beschloss auf dem Aussichtshügel zu verweilen. Dann blieb die Küche halt nicht nur leer, sondern auch kalt. Dafür startete ich bald meine Drohne und flog hinüber zum Krater, in dem sich wieder Lava sammelte. Was sich bis dahin vor meinen Augen verborgen hatte, war eine neue Öffnung an der nördlichen Basis des Kraterkegels. Hier schoss die Schmelze im hohen Bogen aus der Öffnung und speiste einen verzweigten Lavastrom. Aus 3 weiteren Öffnungen im Talboden sprudelte ebenfalls Lava und schuf einen breiten Strom, den man schon als sekundären Lavasee bezeichnen konnte. Was für ein Naturspektakel! Allerdings konnte sich so der Krater natürlich nicht mit Lava füllen und überlaufen, worauf ich bis dahin eigentlich gesetzt hatte. Die Erde bewies einmal mehr ihre Kraft, und dass es ihr scheißegal ist, ob ich geimpft, getestet und rasiert bin.