Polsprung kann schnell kommen

Schon lange befürchten Wissenschaftler, dass es zu einem Polsprung kommen könnte! Bei einem Polsprung kehrt sich die Polarität des Erdmagnetfeldes um. Der magnetische Nordpol würde dann am geografischen Südpol der Erde liegen, und andersherum. In einer Übergangszeit würde das Magnetfeld der Erde versagen. Die Erde wäre einem verstärkten Bombardement kosmischer Strahlung ausgesetzt, wobei besonders der Sonnenwind ein Problem darstellt. Die Lebewelt würde zwar noch durch die Atmosphäre geschützt werden, doch die Folgen für unser Stromnetz und besonders für Satelliten außerhalb der Atmosphäre wären unabsehbar. Letztere würden sehr wahrscheinlich stark beschädigt werden. Die Folgen wären für die moderne Gesellschaft katastrophal: Kommunikation und Navigation würden zum großen Teil ausfallen. Flugzeuge müssten am Boden bleiben, Schiffe bekämen Probleme. Der interkontinentale Fracht- und Personenverkehr käme zum erliegen. Die Börse würde kollabieren, eine Weltwirtschaftskrise drohen. Das Beunruhigende: es gibt bereits erste Anzeichen eines bevorstehenden Polsprungs. Es könnte also eine ernste Naturkatastrophe drohen!

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass der Prozess des Polsprungs mehrere Jahrhunderte, bis Jahrtausende dauert. Nun kommt eine neue Studie zu einem erschütternden Ergebnis: Der Polsprung könnte sich in weniger als 100 Jahren vollziehen!

Forscher in einer chinesischen Tropfsteinhöhle. © PNAS via tagesschau.de

Zu dieser Erkenntnis gelangte ein chinesisches Forscherteam, welches Tropfsteine in der chinesischen Sanxing-Höhle untersuchte. Das Alter der Tropfsteine kann ziemlich genau bestimmt werden, ebenso ihre Wachstumsrate. Die Forscher um  Dr. Yu-Min Chou untersuchten die Magnetisierung von Stalagmiten und kamen zu dem Schluss, dass sich vor gut 98.000 Jahren eine sogenannte Exkursion ereignete. Bei diesem Phänomen kehrt sich das Magnetfeld nur kurzfristig um. Allerdings kollabiert auch bei einer Exkursion das Magnetfeld, welches uns vor kosmischer Strahlung schützt. Der gesamte Prozess soll damals 144 Jahre gedauert haben. Einer anderen Studie nach, könnte es vor 41.000 Jahren ebenfalls zu einer Exkursion gekommen sein.

In den letzten 175 Jahren hat sich das Magnetfeld bereits um 10% abgeschwächt. Jährlich verlagert sich der magnetische Nordpol um ca. 50 km und liegt heute bereits unter dem Packeis nördlich von Kanada. Die Polwanderung beschleunigte sich in den letzten Jahrzehnten deutlich. Wir befinden uns also sehr wahrscheinlich schon in einer Zeit der Polumkehrung. Niemand kann genau abschätzen, wie viel Zeit der Prozess noch benötigt, um ihn abzuschließen. Die neue Studie legt nahe, dass es sehr viel schneller gehen könnte, als bisher befürchtet.

Sehr wahrscheinlich wird durch einen Polsprung kein Massen-Aussterben verursacht. Allerdings könnten Tiere die sich am Magnetfeld orientieren Probleme bekommen: vor allem Vögel, aber auch Wale und Insekten könnten darunter leiden. Durch den verstärkten Strahlungssturm in der oberen Atmosphäre würde die Ozonschicht ausdünnen. In den Polregionen könnte mehr UV-Strahlung die Erde treffen. Die Gefahr von Hautkrebs-Erkrankungen würde steigen. Ob auch das Stromnetz kollabieren wird, oder ob elektrische Geräte zerstört werden würden ist unklar. Falls ja, wäre dieses Ereignis fatal für unsere modernen Zivilisation. Dass der Mensch einen Polsprung überleben kann, gilt ebenso als gesichert: Zur Zeit der Exkursion von vor 98.000 Jahren lebten bereits unsere direkten Vorfahren und auch der Neandertaler überlebte das Ereignis. Der letzte echte Polsprung fand vor 780.000 Jahren statt. Auch damals wanderten bereits Hominiden auf unserem Planeten. Im Schnitt kam es alle 280.000 Jahre zu einem Polsprung. Statistisch gesehen wäre einer überfällig. Sollte das Magnetfeld kollabieren, würde es auch keine Nordlichter mehr geben.

Weitere Links zum Thema:

Polsprung und Laschamp-Ereignis

Quelle: PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1720404115, Studienteilnehmer: Dr. Yu-Min Chou (Southern University of Science and Technology), Professor Chuan-Chou Shen (National Taiwan University), Professor Andrew Roberts  (Australian National University)