Island: Daten neuer GPS Stationen online

Neue Daten wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht – Lokal weiter hohe Bodenhebungsraten

Auf Island hört man offenbar auf Kritik, denn heute wurde die Website mit den öffentlich zugänglichen GPS-Daten überarbeitet. Die Werte wurden nicht nur durch neue Skalierungen ergänzt, sondern auch durch das Hinzufügen der Datensätze mehrerer neuer GPS-Messstationen. Sie liefern jetzt ein deutlich detaillierteres Bild der Bodenhebung. Zu sehen ist, dass sich die Bodenhebung bei Svartsengi abschwächte, aber auch, dass sie im Bereich zwischen Hagafell und Sýlingarfell weiterhin hoch ist. Dort befindet sich das Areal, an dem die Wissenschaftler das Ausbruchsrisiko besonders groß einschätzen.

Der emeritierte Professor Haraldur Sigurðsson forderte noch vor ein paar Tagen, dass man die Daten der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte.

Andere Wissenschaftler vertreten in den Medien die Meinung, dass man über die Reaktionen auf die Bildung des magmatischen Gangs diskutieren und die Situation neu bewerten müsse. Aus jedem neuen Szenario würde man lernen. Gemeint ist damit die Frage, ob die Evakuierung von Grindavik gerechtfertigt war, was sie meiner Meinung nach war. Geoforscher Freysteinn Sigmundsson meinte, dass man in der Fachwelt über die Geschwindigkeit erstaunt war, mit der sich der magmatische Gang bildete. Er geht davon aus, dass sich in den Jahrhunderten der Ruhe auf Reykjanes große tektonische Zugspannungen aufbauten, die ihren Teil zu der rasanten Entwicklung des Rifts beitrugen. Wie ich bereits früher anmerkte, muss man sich die Frage stellen, ob das Magma nicht nur der Auslöser eines Ereignisses war, das sich später auch ohne sein Zutun ereignet hätte.

Klar ist, dass auch Wissenschaft und Erfahrung Fehleinschätzungen nicht vermeiden können. Letztendlich weiß niemand genau, was unter unseren Füßen vorgeht und wann Magma bereit ist zu eruptieren. Ich persönlich war davon überzeugt, dass ein Ausbruch unmittelbar bevorsteht. Hieraus ist inzwischen eine Mittelbar geworden. Geologische Ereignisse haben ihre eigene Zeitskala.

Island: Atempause für Grindavik

Nur wenige Erdbeben am Dyke – Experten entwickeln Notfallpläne für Kampf gegen Lava

Heute Nacht wurden seit Mitternacht nur 90 Erdbeben entlang des Dykes bei Grindavik detektiert. Ihre Anzahl hat weiter abgenommen. Rückläufig ist auch die Bodenhebung bei Svartsengi, die ungefähr auf die Werte zurückgekehrt ist, wie wir sie vor dem 10. November sahen. Ob es ein langfristiger Trend ist oder nur eine kurze Verschnaufpause, werden die nächsten GPS-Messugnen zeigen.

IMO-Wissenschaftlerin Kristín Jónsdóttir meinte in einem Interview mit isländischen Medien, dass die Geowissenschaftler von der Schnelle der Entwicklung des magmatischen Gangs überrascht worden seien. Vielfach wird die Situation mit den Vorgängen am Vulkan Krafla verglichen, der zwischen 1975 und 1984 aktiv war. Allerdings verhält sich jeder Vulkan zumindest in Details anders, so dass man Erfahrungen von dem einen Vulkan nicht 1:1 auf den anderen übertragen kann. Die 1970iger Jahre stehen bei den Isländern gerade hoch im Kurs, denn neben den Krafla-Bränden gab es in dieser Dekade noch einen anderen bemerkenswerten Vulkanausbruch auf Island: 1974 brach auf der Westmännerinsel der Vulkan Eldfjall aus. Er befindet sich auf der Insel Heimaey und bildete sich direkt hinter dem gleichnamigen Fischerort. Lava strömte in die Stadt, schnitt eine Schneise durch sie und drohte die schmale Hafeneinfahrt zu verschütten. Damals nahm man den Kampf gegen die Gesteinsschmelze auf, baute Erdwälle und pumpte große Mengen Meerwasser auf die Lavaströme, um sie abzukühlen. Tatsächlich gelang es zu verhindern, dass die Hafeneinfahrt komplett blockiert wurde. Gestern besichtigten Experten der EU Grindavik, um zu prüfen, ob man im Falle einer Eruption hier ähnlich wie auf Heimaey vorgehen könne.

Wasser spielt auch eine Rolle bei dem Erdbebenschwarm, der sich gestern beim Geothermalkraftwerk Hellisheiði im Osten der Reykjanes-Halbinsel ereignete. Wie oben genannte IMO-Wissenschaftlerin meinte, würden die Beben dort nicht natürlichen Ursprungs sein, sondern durch eine Wasserinjektion in den Untergrund hervorgerufen werden. Offenbar pumpt man große Mengen Wasser in die Bohrlöcher am Kraftwerk, um Erdwärme zu gewinnen. Das löste gestern Abend sogar noch ein Erdbeben M 3,4 aus.

Island: Schwarmbeben im Osten von Reykjanes

Schwarmbeben im Hengil-System – Spalten in Grindavik werden verfüllt

Heute Morgen gab es einen kleinen Erdbebenschwarm im Osten der Reykjaneshalbinsel. Es manifestierte sich in der Nähe eines weiteren Geothermalkraftwerks nahe Reykjavik, das auf den Namen Hellisheiði hört. Es liegt in einem Areal, das zum Spaltensystem Hengill gehört, das genaugenommen zwischen Reykjanes und Südisland liegt.

Darüber hinaus gab es weitere Erschütterungen im Bereich des magmatischen Gangs bei Grindavik. Wie IMO berichtet, gab es gestern rund 650 Erdbeben dort, was deutlich mehr ist, als man anhand der Erdbebentabelle auf der Website der isländischen Wetterbehörde hat ablesen können. Das Seismogramm, das ich in dem Bericht von gestern Abend veröffentlicht habe, deutete sowas an. Zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden wurden 300 weitere Erdbeben registriert. Gegenüber der Hochphase der seismischen Aktivität mag das wenig erscheinen, doch immer noch kann man von einer regen Erdbebentätigkeit sprechen, die in ruhigeren Zeiten bereits eine Meldung wert gewesen wäre. Die letzten GPS-Messungen wiesen auf anhaltende Bodenhebung im Bereich von Svartsengi hin, die in den letzten Stunden aber etwas nachgelassen haben soll. Die Ausbruchsgefahr bleibt hoch, auch wenn sich das Risiko für eine Eruption im südlichen Bereich des magmatischen Gangs reduziert hat.

Im Gegensatz zu den Sizilianern am Ätna, die in der Literatur oft für fatalistisch gehalten werden, gibt man sich auf Island kampfbereit. Dort hat man bereits gestern angefangen, die großen Erdspalten, die sich am 10. November geöffnet hatten, mit Schotter zu verfüllen. Sicherlich mehr als nur eine Sicherheitsmaßnahme, um zu verhindern, dass neugierige Journalisten in die Spalten stürzen: Kaum wurde die Gefahrenstufe etwas reduziert, arbeitet man offensichtlich daran, den Bewohnern der Stadt eine Rückkehr in ihre Häuser zu ermöglichen. Ich finde es toll, da ich Grindavik als Ausgangsbasis zu Touren auf Reykjanes mag, doch aufgrund der anhaltenden Magmenakkumulation unter Svartsengi halte ich allzu viel Optimismus für verfrüht. Aber wie ich die Isländer einschätze, kehren die Anwohner auch nach Grindavik zurück, wenn sich weiter nördlich eine Eruptionsspalte öffnen sollte.

Island: Bodenhebung bleibt hoch

Bodenhebung unter Svartsengi bleibt hoch – Gedankenmodell zur Intrusion

Während die Erdbebenanzahl gegenüber den Vortagen gering ist – es gibt minutenweise gar keine Bebentätigkeit mehr, obwohl man auf dem Seismogramm auch einige stärkere Erdbeben erkennt – kann man das von der Bodenhebung im Bereich Svartsengi-Eldvörp nicht behaupten. Dort hebt sich der Boden weiter rasend schnell und hat seit dem 10. November um 180 mm zugelegt. Man rechnet mit einem Magmenzufluss zwischen 50 und 70 Kubikmeter pro Sekunde.

So wie es aussieht, stammte das Magma der Dyke-Intrusion, die am 10. November stattfand, zumindest teilweise aus der Akkumulation unter Svartsengi. Das erklärt die starke Subsidenz von Svartsengi, die gleichzeitig mit der Dyke-Intrusion stattfand, obwohl das Areal von Svartsengi westlich des Rifts liegt. Die Frage ist nur, ob das Magma von Svartsengi in Richtung Osten ausbrechen wollte und dabei das Rift schuf, oder ob es unabhängig davon zu einer Riftbildung kam und das Magma dann die Lücke füllte. Da ich ja schon die ganze Zeit über vermute, dass der magmatische Hauptaufstiegsort aus der Tiefe unter Svartsengi liegt und die Schmelze dann diagonal nach Osten aufsteigt und für die drei Eruptionen am Fagradalsfjall verantwortlich war, favorisiere ich die erste Variante und kann mir folgendes Szenario vorstellen: Am 10. November wollte die Schmelze final aufsteigen, um am Fagradalsfjall zu eruptieren. Doch die Schwächezone, die das Magma bei früheren Ausbrüchen nahm, war durch vorherige Schmelzdurchgänge verfestigt, so dass der Druck nicht reichte, um durchzubrechen. Das Magma suchte sich dann den schwächsten Weg entlang einer bereits existierenden Schwächezone und der Gang intrudierte. Das ist aber nur ein Gedankenmodell ohne wissenschaftliche Belege. Die Realität könnte auch ganz anders aussehen!

Unabhängig von Gedankenmodellen sammelt sich aber weiter Schmelze im Sill unter Svartsengi an und der Zufluss ist bis zu 10 Mal höher als es vor dem 10. November war. Man kann daraus schließen, dass die Gefahr einer Eruption noch lange nicht vorbei ist. Es könnten sich weitere vertikal verlaufende Intrusionen bilden, oder die aktuelle wird remobilisiert. Allzu sicher sollte man sich in Grindavil noch nicht fühlen: Das Spielchen könnte sich über Wochen und Monate hinziehen.

Island: deutlicher Rückgang der Seismizität am 23.11.2023

Signifikanter Rückgang der Erdbebentätigkeit – Warnstufe für Grindavik reduziert

Offenbar war es doch nicht nur der starke Wind, der in den letzten zwei Tagen die Aufzeichnung der Erdbeben behinderte, denn heute ist das Wetter besser und es wurden nur noch eine Handvoll Erdbeben entlang des magmatischen Gangs festgestellt. Die Bewegungen des Untergrunds haben sich deutlich abgeschwächt und es scheint kein neues Magma mehr in den Gang zu strömen. Die Schmelze ist dabei, sich zu verfestigen, und bewegt sich kaum noch. Das gilt insbesonders für den Südteil des Gangs, der unter Grindavik verläuft. Daher wurde bereits gestern Abend die Gefahrenkarte geändert und für heute kündigte man an, auch die Warnstufe in Grindavik von Notfallstufe auf die Gefahrenstufe zu reduzieren. In der Ankündigung heißt es, dass der nationale Polizeikommissar dies in Absprache mit dem Polizeichef in Suðurnes entschieden habe. Die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Ausbruchs innerhalb der Stadtgrenzen von Grindavík nimmt täglich ab und wird derzeit als gering eingeschätzt. Mit der Reduzierung der Warnstufe werden auch die Zugangsbeschränkungen für Grindavik gelockert. Die Bewohner dürfen wieder temporär in den Ort zurückkehren, um sich um ihre Wohnungen und Wertgegenstände zu kümmern. Einsatzkräfte sind im Ort unterwegs.

Zwar geht man nicht mehr von einem Vulkanausbruch im Stadtgebiet aus, hält einen Vulkanausbruch im Gebiet zwischen Hagafell und Sýlingarfell für möglich.

Die letzten GPS-Messungen gestern Abend bestätigten eine anhaltende Bodenhebung im Bereich von Svartsengi. Kurzfristig hält man hier das Ausbruchsrisiko noch für gering, obwohl die Daten eine erhebliche Magmenakkumulation im Untergrund zeigen. Allerdings befindet sich der wachsende Magmenkörper in ca. 5 km Tiefe und vor einem Ausbruch rechnet man mit weiteren Warnsignalen wie starker Erdbebentätigkeit.

Wie es längerfristig auf der Reykjanes-Halbinsel weitergeht, lässt sich nicht prognostizieren. Die meisten Geowissenschaftler rechnen mit einer lang anhaltenden Phase erhöhter seismischer und vulkanischer Aktivität.

Island: Neues aus Grindavik am 22.11.23

Satellitenebild mit Graben, Erdbeben und Gefahrenzone. © Uni Reykjavik

Detektierte Seismizität weiterhin gering – Inflation verstärkt

Auch heute registrieren die Seismometer auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel vergleichsweise wenige Erdbeben. Wie IMO berichtet, wurden nachts nur 50 Erdbeben festgestellt. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der seismischen Krise. Die Geowissenschaftler gehen davon aus, dass aufgrund des starken Windes nicht alle schwachen Erdbeben registriert werden konnten. Doch ich denke, dass es tatsächlich einen Rückgang der Seismizität gegeben hat, denn den Wind hatten wir bereits gestern, und seitdem reduzierte sich die Anzahl der registrierten Erdbeben nochmals. Allerdings lässt sich nicht genau sagen, um wieviel schwächer die Aktivität geworden ist. Trotzdem dehnt sich der Untergrund bei Svartsengi immer weiter aus und der Magmenzufluss soll sich sogar noch verstärkt haben.

Auf der Seite Visir wurde ein Interview mit dem in den USA lebenden isländischen Vulkanologen Haraldur Sigurðsson veröffentlich, der meinte, dass sich das Magma im Dyke langsam verfestigt und die Magmenbewegungen abnehmen. Er sagt weiter, dass, wenn er in Grindavík leben würde, er noch vor Weihnachten nach Hause gehen würde. Na, wenn das nicht mal eine positive Aussage ist. Andere Vulkanologen sind nicht ganz so optimistisch und halten die Ausbruchsgefahr weiterhin für groß.

Selbst wenn es widererwartend nicht unmittelbar zu einem Vulkanausbruch kommen sollte, so ist die generelle Meinung der Geowissenschaftler, dass auf Reykjanes unruhige Zeiten bevorstehen. Man geht davon aus, dass wir erst den Anfang einer seismischen und vulkanischen Aktivitätsphase erleben. In den nächsten Jahrzehnten könnte man noch zahlreiche vergleichbare Episoden erleben, von denen einige in Eruptionen gipfeln werden.

Die Politiker Island bleiben indes nicht untätig und diskutieren darüber, wie man den Grindavikings am besten unterstützen kann. Wie immer stellt sich die Frage, wie schnell, unbürokratisch und nachhaltig politische Versprechen sind. Diskutiert werden soll in einer der nächsten Sitzungen auch, wie man der internationalen Presse besseren Zugang nach Grindavik geben kann. Zwar wurde in der Nähe von Reykjavik ein Pressezentrum eröffnet, doch noch immer sehen sich die meisten Journalisten und Fotografen ausgesperrt. Einer von ihnen ist unser Vereinsmitglied Carsten Peters, der vor Ort mächtig für Wirbel sorgte und seinem Unmut Luft gemacht hat. Auf seinem Drängen hin wurde wohl das Pressezentrum eröffnet.

Natürlich habe ich mir auch bereits die Frage gestellt, wie man im Falle einer Eruption Zugang zur Eruptionsstelle bekommen könnte und entsprechende Stellen angeschrieben. Außer eine kurze IMO-Notiz, dass man meine Anfrage weitergeleitet hätte, ist noch nichts gekommen. Auf der einen Seite kann ich das nachvollziehen, auf der anderen Seite sind Einschränkungen für die Presse immer skeptisch zu betrachten.

Grindavik am Abend des 21.11.23

Anzahl registrierter Erdbeben gering – Bodenhebung bleibt hoch

Hier noch ein kleines Update zu den heutigen Geschehnissen auf der isländischen Reykjaneshalbinsel: Die Anzahl der registrierten Erdbeben hat in den letzten 24 Stunden deutlich abgenommen, wobei IMO schreibt, dass der starke Sturm die Messungen beeinflusst. Die Vibrationen des Windes, der sich über den Boden überträgt, verschleieren die Signale der Mikrobeben, so dass hiervon die meisten im Rauschen des Windes untergehen. Im Tagesverlauf wurden nur 280 Erschütterungen detektiert. Das Stärkste hatte eine Magnitude von 2.7 und manifestierte sich bei Sýlingafell. Was der starke Wind nicht beeinträchtigte, waren die GPS-Messungen, und die geben weiterhin Anlass zur Sorge, denn die Bodenhebung zwischen Svartsengi und Eldvörp ist weiterhin sehr hoch. Seit der letzten Messung addierten sich 2 mm. Man könnte auch sagen, der Boden geht hoch wie ein Hefeteig. Auch an den benachbarten Stationen hob sich der Boden, wobei sogar der Thorbjörn langsam wieder ins Positive dreht. Während die Bodenhebung am Fagradalsfjall stagniert, hebt sich der Boden an der Südküste weiter. Die Bodendeformationen sind insgesamt sehr hoch und es erstaunt, dass es noch nicht zur Eruption gekommen ist. Offenbar fehlt die eine oder andere Komponente für einen gelungenen Vulkanausbruch.

Obwohl es heute aus seismologischer Sicht ein ungünstiger Beobachtungstag ist, bette ich hier einen neuen LiveStream ein, der die Daten einer Erdbebenmessstation in Echtzeit überträgt.

Ansonsten gab es natürlich auch heute wieder Berichte über Grindavik in der lokalen Presse. In einem dieser Artikel kam Rafn Sigmarsson zu Wort. Der junge Mann ist ein Rettungshelfer des Þörbjörn-Teams in Grindavík. Seiner Meinung nach sind die Schäden in der Stadt weitaus geringer als viele Leute annehmen würden. Zwar sind viele Häuser in der Nähe des Hauptrisses zerstört bzw. stark beschädigt, doch je weiter die Häuser vom Riss entfernt liegen, desto geringer sind die Schäden. Die meisten Häuser hatten sogar keine sichtbaren Beschädigungen. Nach diesen Worten dürfte die Hoffnung vieler Bewohner der Stadt steigen, dass sie vielleicht doch nicht alles verlieren werden. Wenn denn der Vulkan still bleiben sollte.

Island: deutlicher Rückgang der Erdbebentätigkeit

Seismizität hat nachgelassen –  Neue Gefahrenkarte

Heute Nacht wurden die wenigen Erdbeben entlang des magmatischen Gangs detektiert, seitdem dieser in den Erdboden eindrang. Ob dies auf einen tatschlichen Rückgang der Seismizität zurückzuführen ist oder ob wegen des starken Windes nicht alle Erdbeben detektiert werden konnten, bleibt ungeklärt. Obwohl Letzteres wahrscheinlich einen Einfluss hat, werden wir Gewissheit erst haben, wenn der Wind nachgelassen hat. Die meisten Erschütterungen ereigneten sich entlang des Gangs, und man kann zwei Bereiche ausmachen, an denen sich die Beben knubbeln: beim Hagafell und entlang der alten Kraterreihe Sundhnúkur. Diese führt nahe am Fagradalsfjall vorbei und in den IMO-Tabellen wird dieser als Bezugspunkt zur Verortung der Beben angegeben. Die letzten GPS-Messungen zeigten eine anhaltende, starke Bodenhebung im Bereich von Svartsengi.

Das Geothermalkraftwerk steht weiter im Zentrum der Bemühungen, die sensible Infrastruktur zu schützen. Es werden nicht nur Schutzwälle um das Kraftwerk erreichtet, sondern auch Strommasten umgesetzt und Umspannwerke geschützt. Das Kraftwerk versorgt nicht nur Zehntausende Menschen mit Strom, sondern liefert auch für gut 25.000 Menschen Trinkwasser. Der Brunnen liegt in einem besonders gefährdeten Gebiet, und daher soll in den nächsten Tagen damit begonnen werden, an sicherere Stelle einen neuen Trinkwasserbrunnen zu bohren. Die Arbeiten sollen gut 3 Wochen dauern. Das verdeutlich, wie empfindlich die Errungenschaften der Zivilisation sind und wie wir Menschen doch von den Naturgewalten in Schach gehalten werden können.

Die neue Gefahrenkarte von IMO weist nun ein etwas differenzierteres Bild auf und unterteilt die Region entlang des magmatischen Gangs in 3 Gebiete mit unterschiedlichen Gefährdungsstufen. Das gelb eingezeichnete Areal umfasst die Zone mit erhöhter Erdbebengefahr. Die rote Zone weist die Gegend aus, in der das Ausbruchsrisiko als hoch eingeschätzt wird. Die zentrale, lilane Zone weit die Stelle mit der größten Wahrscheinlichkeit einer Spaltenöffnung aus. Svartsengi liegt am Rand dieser Zone. Offenbar geht man weiter von einem 15 km langen Dyke aus und nicht, wie am Sonntag berichtet, von einem Gang, der mittlerweile 5 km länger geworden sein sollte.

Island: großflächige Bodenhebung am 20.11.23

Interferogramm bestätigt schnelle Bodenhebung unter Svartsengi – Nachlassen der Bebentätigkeit beobachtet

Heute wurden im Tagesverlauf deutlich weniger Erdbeben entlang des magmatischen Gangs registriert als es in den letzten Tagen der Fall war. IMO meldet nur ca. 700 Beben anstatt der gut 1500 Erschütterungen der letzten Tage. Auf den Diagrammen zur Bebenhäufigkeit ist das Ausdünnen der Bebenpunkte sehr anschaulich. Nachdem es zum ersten Mal zu einem deutlichen Rückgang der Seismizität gekommen war, das war am Samstag, hatte es noch geheißen, dass der erwartete Vulkanausbruch unmittelbar bevorsteht. Inzwischen ist man mit den Prognosen deutlich vorsichtiger geworden, dennoch hält man einen Ausbruch immer noch für sehr wahrscheinlich. Nur auf den Zeitrahmen mag man sich nicht mehr festlegen, obwohl das Nachlassen der Bebentätigkeit seit heute Nachmittag signifikant und auffällig ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass der starke Wind aktuell die Registrierung der schwachen Erdbeben behindert, so dass es in Wirklichkeit mehr Beben gibt als dargestellt werden.

Tatsächlich ist die Bebentätigkeit entlang des Dykes am intensivsten, obwohl sich der Boden westlich des Mittelteils des Dykes am stärksten hebt. Das ist bei Svartsengi. Am Wochenende betrug die Bodenhebung 30 mm, was in einem neuen Interferogramm schön visualisiert wird. Was ich erstaunlich finde ist die Größe des betroffenen Areals! Hier müssen sich gewaltige Mengen von was auch immer ansammeln.

Da die Hebung praktisch unter Ausschluss von Erdbeben stattfindet, halten die Vulkanologen die kurzfristige Ausbruchswahrscheinlichkeit bei Svartsengi für relativ gering. Man sieht die Quelle der Bodenhebung in 4 bis 5 km Tiefe und keine Anzeichen dafür, dass Magma in flachere Gefilde vordringt. Sofern es sich tatsächlich um Gesteinsschmelze handelt und nicht um magmatische Fluide. Wäre auch echt blöd wenn es das Kraftwerk nebst Blaue Lagune verschlingen würde, insbesondere da man gerade Schutzwälle gegen die Lava errichtet, die aus Richtung des Gangs kommen soll.

Früher im Jahr detektierte man ebenfalls eine starke Bodenhebung im Bereich der Askja, und praktisch jeder Geowissenschaftler hätte darauf gewettet, dass wir dort den nächsten Ausbruch auf Island sehen, bis dann im Juli der dritte Ausbruch am Fagradalsfjall los ging. Inzwischen ist Askja aus dem Fokus des Interesses gerückt, nicht zuletzt, weil die Bodenhebung gegen Ende des Sommers praktisch stoppte, nachdem sich der Boden um 68 cm gehoben hatte. Das zeigt deutlich, wie unberechenbar die Vorgänge im Erdinneren sind, und selbst wenn sie sich nur ein paar Hundert Meter tief unter unseren Füßen abspielen, können wir immer noch nicht genau sagen, was vor sich geht, geschweige denn zuverlässige Prognosen abgeben. So bleibt es rätselhaft an den Vulkanen der Welt, und diese Unbestimmtheit ist ja auch ein Teil der Faszination geschuldet, die der Vulkanismus auf viele Menschen ausübt.

Übrigens wurde eine neue Gefahrenkarte herausgebracht, doch davon morgen früh mehr.