Afghanistan: Starke Nachbeben erschweren Rettungsarbeiten

Weitere starke Nachbeben erschüttern Westen von Afghanistan – Rettungsarbeiten gestalten sich schwierig

Nach dem Erdbeben der Magnitude 6,1, das den Westen Afghanistans am 31. August erschütterte und große Zerstörungen anrichtete, gab es weitere Nachbeben mit Magnituden im Fünferbereich. So gab es Donnerstag ein Beben M 5,6. Heute manifestierte sich ein Erdstoß M 5,2. Das EMSC listet 19 Beben mit Magnituden ab 4,0. Die Beben sind stark genug, um marode und vorgeschwächte Gebäude zum Einsturz zu bringen und die Trümmer bereits kollabierter Häuser weiter zu verdichten, was etwaige Überlebende unter den Trümmern zusätzlich gefährdet.



Weitere Erdbeben in Afghanistan. © EMSC

Die Hoffnung auf Rettung etwaiger Eingeschlossener schwindet auch ohne neue Erdbeben stündlich. Bis jetzt wurden gut 2.200 Tote geborgen. Fast ebenso viele Menschen wurden verletzt. Das Nachbeben vom Donnerstag richtete weitere Schäden an und verursachte zusätzliche Verletzungen. Die Rettungsarbeiten wurden unterbrochen. Bereits am Dienstag hatte ein Beben der Stärke 5,5 die Rettungsmaßnahmen gestört.

In der Erdbebenregion sind nach offiziellen Angaben rund 7.000 Häuser zerstört, ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die Zerstörungen machten auch vor anderer Infrastruktur wie Straßen und Brücken nicht halt. In der Gebirgsregion verlaufen viele Straßen entlang von Steilhängen, die abgerutscht sind oder von Felsstürzen blockiert wurden, was nicht nur Rettungseinsätze erschwert, sondern auch die Versorgung Überlebender. Da viele Bergdörfer von der Außenwelt abgeschnitten sind, werden Lebensmittel und Notfallgüter aus der Luft abgeworfen. Außerdem mangelt es an schwerem Bergungsgerät.

In den Krankenhäusern der Region werden Überlebende behandelt, viele unter extrem schlechten Bedingungen. Es fehlt an medizinischer Ausstattung. Besonders größere Apparaturen wie EKGs, Monitore zur Herzüberwachung und Röntgengeräte sind Mangelware. Zwar stehen Betten und Personal zur Verfügung, doch ohne technische Geräte stoßen Ärzte und Pfleger schnell an ihre Grenzen.

Haustrümmer in Afghanistan

Auch die soziale Lage erschwert den Zugang zur Hilfe. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. Nach den geltenden Vorschriften dürfen Frauen nicht öffentlich gezeigt werden, was ihre Sichtbarkeit in der Katastrophenhilfe einschränkt. Zudem bestehen Verbote, dass Frauen von fremden Männern berühret werden dürfen. Es gibt berichte, nach denen verletzte Frauen aus diesem Grund nicht aus Trümmern geborgen und in Krankenhäuser transportiert wurden. Frauenorganisationen fordern deshalb verstärkt weibliches medizinisches Personal im Einsatzgebiet.

Die Taliban-Regierung, die international nur von Russland anerkannt ist, hat um internationale Hilfe gebeten. Die Vereinten Nationen haben bereits Nothilfegelder bereitgestellt, Großbritannien sagte Unterstützung in Höhe von einer Million Pfund zu. Dennoch bleibt die humanitäre Lage angespannt, da seit der Machtübernahme der Taliban vor vier Jahren viele Hilfsstrukturen im Land weggebrochen sind. Zudem ist es ungewiss, was von den Taliban tatsächlich an Hilfsgeldern- und Gütern weitergeleitet wird und was in ihren eigenen Taschen verschwindet.

Afghanistan gilt als eines der erdbebengefährdetsten Länder der Welt. Ursache ist die Lage auf mehreren Verwerfungslinien zwischen der indischen und der eurasischen Platte. In den letzten Jahren manifestierten sich mehrere starke Erdbeben mit katastrophalen Folgen. Bei einer Serie von Beben im Jahr 2023 mit einer Maximalmagnitude von 6,3 starben in der Nähe der Stadt Herat mehr als 1.400 Menschen. Ein Jahr zuvor verloren beim Beben der Stärke 5,9 im Osten des Landes mindestens 1.000 Menschen ihr Leben, rund 3.000 wurden verletzt.