Campi Flegrei: Blick in die Vergangenheit soll Pozzuoli vor der nächsten Eruption warnen
Kaum eine Woche vergeht, in der keine neue Studie zur süditalienischen Caldera Campi Flegrei erscheint. Allein diese Tatsache belegt, wie angespannt die Situation vor Ort ist. Während einige Politiker bemüht sind, das Gefahrenpotenzial kleinzureden, sind einige Wissenschaftler bemüht, das tatsächliche Gefahrenpotenzial eines der gefährlichsten Vulkangebiete der Welt zu erkennen.
In der potenziellen Gefahrenzone der Campi Flegrei leben mehr als 500.000 Menschen. Seit Jahren beobachten Geologen eine beunruhigende Mischung aus Bodenhebung, Erdbeben und steigendem Gasausstoß. Eine neue Studie (die ich mehr für eine interdisziplinäre Fallstudie halte), die im Fachjournal „Natural Hazards and Earth System Sciences“ veröffentlicht wurde, wirft nun einen weiteren Blick auf die einzige dokumentierte magmatische Eruption der jüngeren Geschichte der Campi Flegrei: den Ausbruch von 1538, bei dem der Monte Nuovo entstand. Das Ziel der Forscher ist es aus der Vergangenheit lernen, um die Risiken der Gegenwart besser einzuschätzen.
Die Arbeit der Forschergruppe kombiniert historische Chroniken, Karten und Augenzeugenberichte mit modernen geologischen und geophysikalischen Daten. Das Ergebnis ist ein präzises Bild der Ereignisse vor fast 500 Jahren. Das damalige Szenario vor dem Ausbruch erinnert an die aktuelle Situation.
Die Forscher rekonstruierten die Geschichte der Bodenverformung entlang der Via Herculae und am bekannte Serapis-Tempel, dessen Ruinen noch heute nahe des Hafens von Pozzuoli zu bewundern sind. Spuren von Bohrmuscheln an den Säulen zeigen, dass diese einst bis unter dem Meeresspiegel absanken.

Die ausgewerteten Daten reichten bis in das 3. vorchristliche Jahrhundert zurück. Damals befand sich der Boden in einer Senkungsphase, in der er sich bis zu 8 m unter dem Meeresspiegel absenkte. Im 15. Jahrhundert begann die Hebung des Bodens. Zunächst hob sich der Boden vergleichsweise langsam. Um 1430, also mehr als 100 Jahre vor der Eruption, beschleunigte sich die Hebung. In diesen hundert Jahren hob sich der Boden um rund fünf bis sechs Meter. Nur wenige Tage vor dem Ausbruch beschleunigte sich der Prozess dramatisch: Innerhalb von anderthalb Tagen kam es zu einem zusätzlichen lokalen Anstieg von rund sieben Metern. Zeitzeugen berichteten von häufigen Erdbeben und von der plötzlichen Entstehung neuer Fumarolen.
Am 29. September 1538 öffnete sich schließlich ein Spalt, aus dem zunächst Dampf und Wasser schossen. Es folgten phreatomagmatische Explosionen, die schließlich in einen rein magmatischen Ausbruch übergingen. Innerhalb weniger Tage entstand der 133 Meter hohe Monte Nuovo, der jüngste Vulkankegel innerhalb der Caldera.
Nach der Eruption senkte sich der Boden wieder ab, etwa um die Hälfte des zuvor gewonnenen Höhenunterschieds. Dieses Muster aus langfristiger Hebung, kurzfristiger Beschleunigung und anschließender Subsidenz sehen die Forscher als Schlüssel zum Verständnis des heutigen „Bradyseismus“ – der langsamen, episodischen Hebungs- und Senkungsbewegungen, die die Region seit Jahrzehnten prägen. Seit der Monte-Nuovo-Eruption hob sich der Boden netto um mehr als 4 Meter.
Die Studie diskutiert zwei mögliche Zukunftsszenarien. Im günstigeren Fall bleibt die magmatische Aktivität auf tiefere Schichten beschränkt, der Druck entlädt sich nur durch verstärkte Fumarolen und eventuell kleinere phreatische Explosionen. Das zweite Szenario ist heikler: Eine frische Magmenzufuhr könnte das sogenannte magmatische „Mush“ unter der Caldera mobilisieren. Dieser „Mush“ besteht aus einer Mischung aus Schmelze und Kristallen. Ein neu entstehender Gang könnte sich zur Oberfläche durcharbeiten und in einer Eruption münden – möglicherweise an der Randzone des sogenannten „resurgenten Blocks“, also des sich hebenden Zentralbereichs der Caldera.
Die Studienautoren warnen: „Die heutigen Messungen zeigen deutliche Parallelen zu den Vorzeichen von 1538.“ Besonders kritisch wäre eine plötzliche Beschleunigung der Bodenhebung zusammen mit flachen Erdbeben, was auf eine unmittelbare Magmaintrusion hindeuten könnte.
(Quelle: EGU. Lizenz der CC. Beteiligte Forscher: Rolandi, G., Troise, C., Sacchi, M., Di Lascio, M., und De Natale, G)