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Langperiodische Erdbeben

Langperiodische Erdbeben, kurz LP-Erdbeben genannt, sind ein besonderes Phänomen in der Welt der Seismologie. Im Gegensatz zu den kurzweiligen Signalen tektonischer Beben zeichnen sie sich durch Schwingungen von längerer Dauer und niedriger Frequenz aus. Die Wellen schwingen meist zwischen 0,5 und 5 Hertz. Gibt man entsprechende Wellen akustisch wieder, klingen langperiodische Erdbeben eher wie ein tiefes Dröhnen als wie ein scharfer Knall.

Langperiodische Erdbeben – das tiefe Atmen der Vulkane

Die Ursache für die Entstehung von langperiodischen Erdbeben liegt nicht im Aufbrechen von Gestein durch Magmabewegungen, wie etwa bei vulkanotektonischen Erdbeben, sondern in der Bewegung von Fluiden selbst – vor allem von Magma, Gas oder hydrothermalen Tiefenwässern, die unter den Druck-Temperatur-Bedingungen in mehreren Kilometern Tiefe in einem überkritischen Zustand vorliegen.

LP-Erdbeben zeichnen sich im Seismogramm nicht nur durch ihre lange Schwingungsperiode und niedrige Frequenz aus, sondern auch durch eine P-Welle sehr kleiner Amplitude, die unter Umständen ganz fehlen kann.

Die exakte Magnitudenbestimmung von langperiodischen Erdbeben ist schwierig und oft werden nur Schätzwerte angegeben. Meisten haben sie Magnituden kleiner als 3.

Typischerweise entstehen LP-Erdbeben, wenn Magma in enge Risse oder Hohlräume eindringt, Gasblasen aufsteigen oder Druckschwankungen in magmatischen Fluiden auftreten. Dabei übertragen sich die Schwingungen von den Fluiden in Hohlräume und Klüfte auf das umliegende Gestein, ähnlich wie Musik in Resonanzräumen in einem Musikinstrument entsteht. Diese seismischen „Klangfarben“ verraten Forschenden, dass sich unter der Oberfläche etwas bewegt, lange bevor ein Ausbruch sichtbar wird.

Für die Vulkanologie sind LP-Erdbeben daher von zentraler Bedeutung. Sie gelten als ein sensibler Indikator für Magmenbewegungen und Druckänderungen im Inneren eines Vulkans. Wenn ihre Häufigkeit zunimmt oder sich ihr Charakter verändert, kann das auf eine bevorstehende Aktivitätssteigerung hinweisen. Viele Vulkane, etwa der Mount St. Helens, der Ätna oder der Sakurajima, zeigten eine markante Zunahme von LP-Beben Wochen bis Monate vor Eruptionen.

Doch die Interpretation bleibt schwierig: Nicht jedes LP-Erdbeben kündigt einen Ausbruch an, und manche Serien bleiben folgenlos. Dennoch liefern sie wertvolle Einblicke in die dynamischen Prozesse tief unter dem Vulkan, wo direkte Beobachtungen unmöglich sind. In Kombination mit Gasanalysen, Bodendeformationen und thermischen Messungen bilden sie ein entscheidendes Werkzeug moderner Vulkanüberwachung – das feine Horchen auf das Atmen der Erde.