Island 2024: Im Schatten von Sundhnukar

Bericht zur Islandreise zwischen dem 1. und 6. April 2024 mit einem Besuch in Grindavik und Sundhnukar

Osterzeit – Reisezeit, so war es zumindest in diesem Jahr für Leroy und mich. Bereits kurz vor Beginn der Sundhnukar-Eruption am 16. März hatten wir die Reise gebucht. Ich wollte mich unabhängig von einer möglichen Eruption von den Erdkräften, die in Grindavik zu enormen Verschiebungen geführt hatten, selbst überzeugen, während Leroy von einem Tag in der Blauen Lagune träumte. Und als uns ein unschlagbar günstiges Flugangebot von Icelandair ins Haus flatterte, konnte ich nicht widerstehen und buchte kurzerhand zwei Flüge von Amsterdam aus. Der Haken dabei war, dass wir nur Handgepäck mitnehmen durften, was jedoch mit 10 kg großzügig bemessen war. Unser Plan war es, mit dem Minicamper den Golden Circle zu befahren.

Als wir dann am Ostermontag in Keflavik landeten, waren wir über den Camper, den ich bei rent.is gemietet hatte, wenig begeistert. Wie so oft in letzter Zeit fühlte ich mich auch von diesem Autovermieter über den Tisch gezogen. Gegen Aufpreis hatte ich einen Fiat Doblo Maxi aus dem Baujahr 2022 gebucht und bekam einen klapprigen Renault Kangoo mit eingedrückter Hecktür, dessen Liegefläche 20 Zentimeter kürzer war als die des Fiat. Auf meine Beschwerde hin meinte die Dame am Schalter des Autovermieters, dass alles dasselbe sei. Das Hauptmerkmal der gebuchten Kategorie sei der Plugin-Stromanschluss. Na toll, anstatt einer Webasto Standheizung hatten wir nun einen elektrischen Heizlüfter, der nicht einmal einen Umfallnotausschalter hatte! Und Strom? Den bekommt man wohl nur auf einem Campingplatz! Zum Glück hatten wir unsere Winterschlafsäcke ins Handgepäck gequetscht, was natürlich auf Kosten der Wechselkleidung ging. Also nicht kleckern!

Ziemlich wütend auf den Autovermieter begannen wir unsere Reise und fuhren zur  Vulkan-Straßensperre auf dem Grindavikurvegur. Nicht dass ich mich etwa der Illusion hingab, nur meinen Presseausweis zücken zu müssen und zusammen mit Leroy Zugang zum Sperrgebiet zu bekommen, aber ich hoffte doch wenigstens auf ein paar Informationen, wie man eine Genehmigung erhalten könnte. Doch Fehlanzeige: Der junge Mann, der mit einem Privatwagen die Straße blockierte, gab sich erstaunlich ahnungslos. Dafür war ich über den regen Fahrverkehr erstaunt, denn unzählige Autos durften die Sperre passieren.

Also erstmal zurück nach Keflavik und Richtung Ghúnaver-Thermalgebiet, wo wir die erste Nacht auf dem Parkplatz verbringen wollten. Von der Straße aus sah man nicht nur den Dampf des Thermalgebiets, sondern auch den des Vulkans aufsteigen. Die Sonne ging erst spät unter, und die Nacht versprach kalt und windig zu werden. Bei einer kurzen Besichtigung der Thermalquellen kam ich mir vor, als würde ich nackt im Wind stehen, und fror trotz Daunenjacke im Nu durch. Leroy blieb gleich im Wagen sitzen. Nachts fiel das Thermometer dann auf 7 Grad unter Null. Heizung war ebenfalls nicht vorhanden, und so mussten wir uns auf unsere Schlafsäcke verlassen. Zum Glück gehörten zum Mietequipment zwei weitere Schlafsäcke, sodass wir uns damit zusätzlich zudecken konnten und die Nacht gut überstanden.

Morgens fuhren wir gleich nach Reykjavik und organisierten für den Nachmittag einen Hubschrauber, der uns über die Eruption von Sundhnukagigar fliegen sollte. Die Wartezeit bis zu unserem Slot verbrachten wir mit Sightseeing in der isländischen Hauptstadt. Am Flughafen angekommen hatten wir Glück, denn die beiden anderen Plätze im Heli blieben unbesetzt. Leroy durfte vorne sitzen und freute sich riesig über die Gelegenheit. Der Senkrechtstart eines Helikopters ist immer etwas Besonderes, und die Luft war klar, auch wenn inzwischen Wolken aufgezogen waren. So schwebten wir über Reykjavik in Richtung Südwesten, passierten den auffälligen Kegel des Keilirs und hielten auf das große Sundhnukar Lavafeld zu. Jeremy, der Pilot, verkündete, dass er leider nicht tiefer als 400 Meter fliegen dürfe und dass gerade über dem aktiven Kraterkegel ein Schneeschauer aufzieht. Na toll, dachte ich! Doch Jeremy schaffte es, vor dem Schneeschauer zu bleiben, und ich bekam einen guten Überblick über das Geschehen. Nur wurde nichts aus den Nahaufnahmen durch die Bresche im Kraterkegel, dennoch war ich froh, den Flug unternommen zu haben. Nachdem wir gut 10 Minuten über der Eruption gekreist waren, drehten wir auch schon wieder ab und überflogen auf dem Rückflug nach Reykjavik den Fagradalsfjall und folgten in etwa der Spur des Magmatischen Gangs, der vor drei Jahren die Geschehnisse auf der Reykjaneshalbinsel ins Rollen gebracht hatte. Es ist immer wieder schön, wenn man die Gelegenheit bekommt, das zu sehen, worüber man schreibt! Grindavik durften wir allerdings nicht überfliegen, denn man wollte die Bewohner des leidgeplagten Ortes vor Katastrophentouristen schützen.

Nach einem High Five navigierte uns Leroy zu einem Diner, wo wir uns einen Nachmittagsburger gönnten. Da wir noch über drei Stunden Tageslicht zur Verfügung hatten, brachen wir zum Haukadalur mit dem Geysir Strokkur auf. Auf dem Weg dorthin passierten wir eine fast menschenleere Gegend. Der Schnee hatte uns eingeholt und machte die Straßen rutschig. Ein Nordmann zu sein, das muss früher sehr hart gewesen sein, dachte ich mir so und merkte, dass Leroy ein wenig mulmig zumute war, zumal ich was von Trolle und Elfen erzählte und über Wikinger plapperte. An der kontinentalen Naht bei Thingvellir legten wir einen kurzen Stopp ein, und Leroy bekam nicht nur eine Lektion in Plattentektonik, sondern auch Geschichtsunterricht, denn hier war es, wo das erste demokratische Parlament der Welt tagte. Eine Stunde später standen wir dann auch schon am Geysir und staunten. Ein äußerst effektiver Tag!

Die Nacht verbrachten wir auf einem Wohnmobil-Stellplatz in der Nähe vom Haukadalur, der tatsächlich über Sanitäranlagen verfügte. Bei dem starken Wind war das definitiv ein Vorteil, dennoch bekam Leroy eine weitere Lektion: Nicht gegen den Wind pinkeln, besonders nicht, wenn man nur eine Wechselhose dabei hat! Hier probierten wir auch den Heizlüfter aus, der den Geruch eines alten Föns verbreitete, der voller verbrannter Haare steckte. Na toll!

Am nächsten Morgen besichtigten wir den halbgefrorenen Wasserfall Gullfoss und staunten über die Monstertrucks, die Gruppen chinesischer Touristen ins Hochland fuhren. Also, wir staunten über die gigantischen Räder der Trucks, nicht über die allgegenwärtigen Chinesen. Anschließend ging es zurück zum Geysir. Der Wind hatte nachgelassen, und so vertieften wir uns ein wenig in unsere Smartphones, um Zeitlupenaufnahmen des Geysirs zu machen. Anschließend kehrten wir im Geysir’s Inn ein und verzehrten das teuerste Frühstück der Reise, das nicht einmal besonders gut war. Nachmittags fuhren wir dann über Selfoss zu den Wasserfällen Seljalandsfoss und Skógafoss, wo wir uns in Nieselweite des letztgenannten Wasserfalls wieder auf einen Campingplatz begaben. Ich hatte die Gegend noch gut von meinem Fimmvördurhalspass-Abenteuer in Erinnerung, dass ich im Jahr 2010 mit Martin zusammen erlebte.

Überraschenderweise waren Leroy und ich nicht allein und trafen auf weitere Island-Enthusiasten, die hier in ihren Wohnmobilen nächtigten. Ich hatte mir zu Hause die letzte Folge der Netflix-Serie „Katla“ auf das Tablet geladen und schaute sie mir nun im Schatten des Gletschervulkans an. Tatsächlich war mir die Serie eigentlich zu langweilig gewesen (zu wenig Vulkanausbruch), und ich hatte sie nie zu Ende geschaut, doch hier, in Sichtweite der Originalschauplätze, bekam das Gezeigte eine andere Bedeutung, umso mehr, als wir morgens zur Gletscherzunge Sólheimajökull und nach Vík fuhren. Am Stadtrand des kleinen Dorfes entstand in den letzten Jahren ein Einkaufszentrum, in dem man auch relativ gut und günstig essen kann.

Da Leroy unbedingt in einem Thermalbad schwimmen gehen wollte, die Blaue Lagune wegen des Vulkanausbruchs geschlossen war (tatsächlich hatte ich am Tag des Eruptionsbeginns bereits Tickets gebucht gehabt), und die Sky Lagoon Tage im Voraus ausgebucht war, durchforsteten wir das Netz nach Alternativen. Wir machten uns auf den Weg zum Laugarvatn, um am Ufer des gefrorenen Sees im Fontana-Spa zu baden. Am Ufer des Sees gibt es heiße Quellen, die genutzt werden, um das legendäre Geysirbrot zu garen. Da der lokale Campingplatz eine Schlammoase war, fuhren wir zurück zum Wohnmobil-Stellplatz am Geysir. Die Küche des Restaurants war bereits geschlossen, und so versuchten wir auf dem Campingkocher, der zum Mietequipment des Campers gehörte, eine Fünf-Minuten-Terrine warm zu machen. Leider funzelte der Gasbrenner nur so vor sich hin, und das Wasser wurde nur lauwarm. Doch nach einer halben Stunde vor dem Heizlüfter war die Fünf-Minuten-Terrine dann endlich genießbar.

Unseren letzten Tag wollten wir in Vulkannähe verbringen. Da kam es gerade recht, dass Manfred mir eine Nachricht schickte, dass sich der isländische Journalistenverband den Weg nach Grindavik freigeklagt hatte. Wir näherten uns Grindavik über die südliche Küstenstraße und stießen bereits am Abzweig zum Kleiftavatn auf die Straßensperre. Dort erfuhr ich, dass für den Nachmittag eine Pressefahrt durch Grindavik geplant war. Sie sollte am Kreisverkehr am Grindavikurvegur beginnen. Wunderbar, auf dem Weg dorthin konnten wir uns also noch das Thermalgebiet von Sétlun im Krýsuvík-System ansehen, was mich ziemlich beeindruckte.

Pünktlich um 15 Uhr fanden wir uns am vereinbarten Treffpunkt ein, doch von Pressevertretern fehlte jede Spur. Also fuhren wir zur Straßensperre, und dort zeigte man sich überraschend kooperativ: 15 Minuten später saßen wir in einem geländegängigen Einsatzwagen und wurden zum Polizeichef von Grindavik gefahren, der grünes Licht für eine journalistische Fototour durch die Stadt und zum Vulkan gab. Die Schäden in Grindavik konzentrierten sich entlang einer Schneise, die sich in Nord-Süd-Richtung durch die Stadt zog und dem Rift vom 10. November folgte. Während viele Häuser am Stadtrand unbeschädigt zu sein schienen, wiesen Straßen und Gebäude im Zentrum des Rifts große Schäden auf. Nach der Begutachtung der Stadt ging es Richtung Sundhnukargira und dem neuen Kraterkegel. Da der Wind ungünstig stand, näherten wir uns dem Lavafeld von Südosten her und hielten auf dem Hagafell an. Von dort konnten wir über das Lavafeld bis zum Krater blicken, der aber bestimmt noch über 1 Kilometer entfernt war. Trotz des starken Windes steuerte ich meine Drohne für einen kurzen Inspektionsflug zum Kegel. Das Fluggerät protestierte vom ersten Meter an und warnte vor dem Wind. Nach ein paar Aufnahmen vom Kegel und der brodelnden Lava im Inneren gelang es mir, die Drohne mit dem letzten Batteriestrom gegen den Wind zurückzusteuern. Ein krönender Abschluss einer fantastischen Vater-Sohn-Vulkanreise nach Island.