Island: Bildung eines Grabenbruchs bei Grindavik

Seismizität auf hohem Niveau stabil

Datum 14.11.23 | Zeit: 03:59:28 UTC | Lokation: 63.867 ; -22.407 | Tiefe: 3,5 km | Mb 3,1

Die Erdbebentätigkeit auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel befindet sich weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau, zeigt sich aber von seiner stabilen Seite. Das heißt, dass es weiterhin viele schwache Erdbeben gibt (500 waren es während der Nacht), dass aber ein neuer Bebenschub ausgeblieben ist. Das stärkste Erdbeben hatte heute Nacht eine Magnitude von 3,1 und lag nördlich von Grindavik, etwa dort, wo man die größte Magmenansammlung vermutet. In den letzten 48 Stunden gab es nur 6 Erschütterungen im Dreierbereich. Bei der Vielzahl der registrierten Erdbeben handelt es sich um sehr schwache Mikrobeben. Die Erdbeben sind Symptome von starken Bodendeformationen, die sich in den letzten Tagen auf Reykjanes zutrugen. Sie sind wahrlich epischen Ausmaßes und wurden auf Island in diesem Umfang noch nicht mit modernen Messinstrumenten dokumentiert.

Mysteriöse Bodendeformationen auf Reykjanes

Bereits gestern Abend erwähnte ich kurz, dass man mit Hilfe neuer satellitengestützter Radarmessungen eine Depression in Form eines Grabens entdeckte, der quer durch Grindavik zieht und der Spur der Magmenintrusion folgt. In den ersten Artikeln isländischer Medien hieß es dazu, dass es einen horizontalen Versatz von einem Meter gegeben hätte, sich der Boden also seitwärts verschoben hat. Doch auf dem abends bei IMO veröffentlichten Interferogramm sieht man, dass es sich in der Tat um eine vertikale Bodenabsenkung von 1 m Tiefe handelt, obwohl es natürlich auch den horizontalen Versatz von 120 cm gibt, der bereits am Samstag entdeckt wurde.

Die neu entstandene Grabenstruktur ist alles andere als klein: die Zone mit der größten Bodenabsenkung von bis zu 1 m misst ca. 5 x 2 km und streicht in Richtung Nordost-Südwest. Bezieht man die Randbereiche der Depression mit ein, dann misst sie ca. 10 x 5 km. Die Radardaten werden mittlerweile durch neue GPS-Messungen gestützt, die ebenfalls gestern Abend veröffentlicht wurden. Dies erklärt auch die großen Bodenhebungen von ca. 20 cm, die die GPS-Daten bereits vorgestern im Bereich vom Fagradalsfjall anzeigten: während der Boden entlang der Depression absackte, wurden die Randbereiche angehoben. Nicht ganz einleuchtend ist der Umstand, dass man nach dem Interferogramm vom Samstag von Bodenhebung sprach, ohne die Grabenstruktur zu entdecken.

Die offiziellen Modelle gehen davon aus, dass die Depression durch die Intrusion des magmatischen Gangs verursacht wurde, indem er den Untergrund auseinanderdrückte und sich der Boden über der Intrusion absenkte. Vielleicht wird aber auch umgekehrt ein Schuh draus: Es gab einen tektonischen Riftingprozess und der so entstandene Riss wurde von unten durch Magma gekittet.

Wie auch immer, es haben große Bodenbewegungen stattgefunden und auf Island rechnet man immer noch mit einem Vulkanausbruch. Allerdings rudern einige Forscher mittlerweile etwas von den Worst-Case-Szenarien zurück. Interpretiert man die aktuellen Erdbeben als magmatischen Ursprungs, finden die stärksten Magmenbewegungen ca. 3,5 km nordnordöstlich von Grindavik statt. Sie konzentrieren sich auf die Kraterreihe östlich von Thorbjörn. Sollte es dort zu einer größeren Eruption kommen, könnte der Westrand der Stadt von Lava verschont bleiben. Glück könnten dann auch das Geothermalkraftwerk und die Blaue Lagune haben. Doch auf Glück will man sich auf Island nicht verlassen, denn es wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Bau von Schutzanlagen genehmigt.