Island: Forscher vermuten Etablierung eines neuen Riftsystems

Etabliert sich auf Reykjanes ein neues Riftsystem? Blick von Sundhnúkur in Richtung Fagradalsfjall. © Marc Szeglat

Island unter Spannung: Rifting-Prozesse verändern das Gesicht der Reykjanes-Halbinsel

Die Reykjanes-Halbinsel im Südwesten Islands steht weiterhin im Fokus der geowissenschaftlichen Forschung: Seit dem Herbst 2020 ereignet sich dort eine Phase intensiver tektonischer und vulkanischer Aktivität, die auf eine Neuordnung der Plattengrenze zwischen Nordamerika und Eurasien hindeutet. Während wir in Bezug auf den Vulkanismus meistens nur auf die horizontale Bodenhebung achten, hat sich in den vergangenen Monaten auch eine außergewöhnliche horizontale Verschiebung von über 20 Zentimetern ergeben, die mittels GNSS-Messstationen registriert wurde. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass sich die tektonischen Bewegungen beschleunigen.

Vektoren der Bodenbewegungen. © Michelle Parks

Die Messstation LISK (Litla Skógfell) zeigte zwischen November 2023 und Frühjahr 2024 eine nordwestliche Bewegung von über 20 Zentimetern, was  einer Rate von etwa 11 cm pro Jahr entspricht. Der Wert liegt deutlich über der normalen Plattendrift von rund 2 cm jährlich. Es handelt sich um das bislang stärkste dokumentierte Rissereignis auf der Halbinsel seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen.

Der Geowissenschaftler Professor Emeritus Haraldur Sigurdsson äußere in seinem jüngste FB-Post die Vermutung, dass sich an der Plattengrenze südlich von Grindavík eine neue Riftzone etabliert. Wie wir wissen, kam es bereits seit 2021 kam es zu mehreren Eruptionen und magmatischen Gangbildungen in der Region – zuletzt bei der Sundhnúkur-Kraterreihe im Svartsengi-Gebiet. Das aktuelle Geschehen wird von dem Wissenschaftler jedoch nicht nur als vulkanisches Ereignis verstanden, sondern auch als Ausdruck eines großräumigen tektonischen Umbaus: Die Reykjanes-Halbinsel kehrt offenbar in eine aktive Riftphase zurück, wie sie zuletzt vor etwa 800 Jahren stattfand.




Westisland bislang unbewegt – aber nicht spannungsfrei

Während sich im Südwesten die Erdkruste sichtbar dehnt, bleibt Westisland bislang ruhig, zumindest wurden an der Oberfläche noch keine größeren Bodenbewegungen detektiert. Langfristige GPS-Daten zeigen, dass Regionen wie der Snæfellsnes oder Reykjavik weiterhin einer gleichmäßigen Bewegung nach Nordwesten folgen – ohne erkennbare Veränderungen durch die Ereignisse auf Reykjanes.

Doch die Ruhe trügt: Aktuelle seismische Unruhen im Vulkansystem Ljósufjöll, nördlich von Borgarnes, deuten auf ein wachsendes Spannungsfeld auch außerhalb der eigentlichen Riftzone hin. Seit Ende 2024 häufen sich dort Erdbeben in Tiefen von 15 bis 20 Kilometern. Ein Indiz auf magmatotektonische Prozesse in der unteren Erdkruste. Die bisher stärksten Erschütterung erreichten in den vergangenen Monaten Magnitude im Dreierbereich.

Fachleute des Isländischen Meteorologischen Amts (IMO) interpretieren diese tiefen Beben als mögliches Zeichen magmatischer Intrusion – bislang jedoch ohne Oberflächendeformation oder sichtbare vulkanische Aktivität. Ähnliche Prozesse wurden bereits vor den Ausbrüchen auf Reykjanes beobachtet.

Steht auf Island ein langes Kapitel der geologischen Umgestaltung bevor?

Bodenriss in Grindavik. © Marc Szeglat

Noch ist unklar, ob die derzeitige Aktivität auf der Reykjaneshalbinsel und im Westen Islands der Auftakt für eine jahrzehntelange Phase verstärkten Riftinggeschehens ist. Die Wiederkehr der Aktivität nach Jahrhunderten geologischer Ruhe legt dies nahe. Wie sich eine geologische Umgestaltung auf die Menschen auswirken wird ist ebenso ungewiss. Obwohl Island noch am Anfang des möglichen Prozesses steht wurde bereits eine Stadt -Grindavik- stark in Mitleidenschaft gezogen. Experten halten es für durchaus möglich, dass auch Vogar oder die Hauptstadtregion betroffen werden könnte.