Ol Doinyo Lengai: Neue Studie zum Magmenaufstieg

Seismische Tomografie zeigt Magmenaufstiegsweg des Ol Doinyo Lengai: Schmelze steigt entlang von tiefen Störungen auf

Der Ol Doinyo Lengai im Norden Tansanias ist ein Vulkan wie kein anderer: Statt glühender Silikatlava speit er fast schwarze, extrem dünnflüssige Carbonatit-Lava und stellt damit ein weltweites Unikum dar. Seit Jahrzehnten fasziniert er Geowissenschaftler, weil er ein Fenster ins Erdinneren bieten, in dem Prozesse stattfinden, die mit der Entstehung kontinentaler Rifts zusammenhängen. Nun hat ein internationales Forschungsteam um den Geophysiker Matthias Reiss mithilfe fein abgestimmter Seismometer neue Einblicke in das Innenleben des Vulkans gewonnen.

Die Studie, erschienen in Nature Communications Earth & Environment, analysiert schwache Tremorsignale, die durch den Aufstieg magmatischer Fluide entstehen und sich von den kurzen Impulsen klassischer Erdbeben unterscheiden. Diese Signale entstehen, wenn Magma oder Gas durch Spalten strömen, Druckwellen aufbauen oder Resonanzen in Hohlräumen erzeugen. Zwischen Februar und April 2020 registrierten die Forscher mit Hilfe eines seismischen Arrays über 600 Stunden solcher Tremore rund um den Ol Doinyo Lengai.




Mithilfe der mittlerweile bekannten 3D-Tomografie konnten sie die Herkunft dieser Schwingungen dreidimensional bestimmen. Dabei zeigte sich ein überraschend komplexes Bild: Manche Tremore stammten aus rund sieben Kilometern Tiefe unter der Nordflanke des Vulkans – entlang einer Zone, die sich bis zur benachbarten Natron-Verwerfung erstreckt. Andere, rhythmisch schwingende Signale entstanden deutlich näher an der Oberfläche.

Die Forscher sprechen von zwei Haupttypen: „Narrow-band“-Tremor-Signalen mit einem engen Frequenzspektrum, die vermutlich durch aufsteigende Gasblasen in pulsierenden Magmaströmen entstehen, und „quasi-harmonischem“ Tremor, der klingt, als würde ein unterirdischer Hohlraum mitschwingen. Letztere könnten durch Resonanzen in mit Magma gefüllten Spalten verursacht werden – ähnlich wie der Klangkörper einer Geige, der durch Luftschwingungen zum Tönen gebracht wird.

Bemerkenswert ist, dass die tiefen und die oberflächennahen Tremor-Signale zeitlich miteinander verknüpft zu sein scheinen. Immer wieder folgten auf Aktivität in der Tiefe einige Stunden später Schwingungen im oberen Bereich des Vulkans. Das deutet darauf hin, dass sich Magmapulse von unten nach oben bewegen – ein Prozess, der wohl den eruptiven Rhythmus des Ol Doinyo Lengai bestimmt.

Die Forscher fanden heraus, dass die einzigartige Schmelze des Vulkans nicht erst in einem flachen Magmenkörper entsteht, sondern aus Tiefen von mehr als 20 Kilometern entlang der Störungszonen des Rifts aufsteigt. Der vermutlich silikatische Magmenkörper, in dem ein Teil der Schmelze in Carbonatit umgewandelt wird, befindet sich in tiefen Krustenbereichen. Ein kleinerer carbonatischer Schmelzkörper könnte sich östlich des Lengais in gut 12 Kilometern befinden.

Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass in Tiefen von bis zu sieben Kilometern offenbar bereits flüssiges Magma existiert. Diese Zonen galten bislang als „aseismisch“, also als Bereiche, in denen kaum Spannungen freigesetzt werden. Statt ruckartig zu brechen, scheint das Gestein dort eher zähflüssig zu reagieren – ein Hinweis auf hohe Temperaturen und teilweise aufgeschmolzenes Material.

Für die Vulkanforschung sind diese Erkenntnisse ein großer Fortschritt. Sie zeigen, dass selbst subtile Tremorsignale wertvolle Informationen über das unsichtbare Innenleben eines Vulkans liefern können – insbesondere bei seltenen Magmatypen wie Carbonatiten. Langfristig könnten solche Messungen helfen, vulkanische Aktivität besser zu überwachen und frühe Anzeichen bevorstehender Eruptionen zu erkennen. (Quelle: nature.com, https://doi.org/10.1038/s43247-025-02804-1 Lizenz der CC 4.0)