
Vulkanische Unruhe in den Campi Flegrei: Neue Studie entschlüsselt Zusammenhang von Bodenhebung und Erdbeben
Campi Flegrei ist eine der aktivsten und komplexesten Vulkanregionen Europas. Die Caldera liegt am Rand des Ballungsraums Neapel und ist selbst dicht besiedelt: In der „roten Zone“ der Campi Flegrei, dem von Italiens Zivilschutz als am höchsten gefährdet eingestuften Gebiet bei einem möglichen Vulkanausbruch, leben nach aktuellen Einschätzungen etwa 500 000 Menschen. Seit 20 Jahren hebt sich der Boden der Caldera – zunächst langsam, dann immer schneller. Die Bodenhebung wird von Tausenden Erdbeben jedes Jahr begleitet. Ein aktueller wissenschaftlicher Artikel, veröffentlicht im renommierten Fachjournal Scientific Reports (Nature), liefert nun wichtige neue Erkenntnisse über die Dynamik der vulkanischen Unruhe – insbesondere über den Zusammenhang zwischen der Bodenhebung und der Häufigkeit von Erdbeben.
Bei den Campi Flegrei handelt es sich um einen großen Calderavulkan, der sich durch eine beeindruckende geologische Geschichte auszeichnet. Seit den 1950er Jahren kommt es immer wieder zu Phasen von Bodenhebung, bei denen sich der Boden im Zentrum der Caldera um mehrere Meter hebt. Diese Bodenhebung wird von tausenden schwacher bis mäßig starker Erdbeben begleitet, die als Erdbebenschwärme auftreten. Solche Prozesse können Vorboten für größere Vulkanausbrüche sein und sind daher von großem Interesse für Wissenschaft und Bevölkerung.
Die Ursache für die Bodenhebung liegt tief unter der Erdoberfläche verborgen: Magma und heiße Fluide sammeln sich in Reservoiren in der Erdkruste an. Diese Zunahme von Material und starke Entgasungen aus dem Magma üben Druck auf die darüber liegende Erdkruste aus, wodurch sich der Boden langsam hebt. Gleichzeitig verändern sich durch das Einpressen der Magmen oder Fluide die Spannungsverhältnisse im Gestein, was häufig Erdbeben auslöst.
Neue Erkenntnisse aus der Studie
Die nun veröffentlichte Studie analysiert Daten aus den letzten 20 Jahren und zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Bodenhebung und Erdbeben nicht einfach linear verläuft. Stattdessen sind die Erdbeben Teil einer komplexen „epidemischen“ Kettenreaktion: Ein Erdbeben kann weitere auslösen, doch dieser Prozess wird durch die Bodenhebung und strukturelle Grenzen im Gestein begrenzt. Das Team konnte mathematisch beschreiben, wie die Häufigkeit der Erdbeben mit der Bodenhebung zusammenhängt – nämlich nicht unendlich steigend, sondern mit einem abnehmenden Effekt, je mehr sich der Boden hebt.
Die Analyse zeigte: Mit zunehmender Bodenhebung nimmt die Effizienz ab, mit der zusätzliche Deformationen neue Erdbeben auslösen können. Dies führt zu einem Sättigungseffekt – die Häufigkeit der Erdbeben steigt also nicht unendlich weiter, sondern flacht relativ zur Zunahme der Bodenhebung ab. Mathematisch bedeutet das, dass die Zunahme der Erdbebenrate eine doppelt exponentielle Funktion der Bodenhebung ist, aber mit einem negativen Parameter, der den abnehmenden Zuwachs beschreibt.
Bedeutet das weniger Erdbeben vor einem Ausbruch?
Das Modell heißt nicht, dass vor einem möglichen Ausbruch keine Zunahme von Erdbeben oder Bodenhebung stattfindet. Vielmehr zeigt es, dass die Beziehung komplex ist: Eine Beschleunigung der Bodenhebung kann weiterhin auftreten – das wurde an zwei Phasen unterschiedlicher Wachstumsraten beobachtet.
Die Erdbebenhäufigkeit steigt zwar zu Beginn der Bodenhebung an, aber der Effekt, dass ein Beben weitere Beben auslöst, wird durch zunehmende Verformung immer stärker begrenzt. Dies könnte durch Veränderungen im Gestein (z. B. plastische Deformation, Versiegelung von Bruchflächen) verursacht werden.
Es ist also möglich, dass sich vor einem größeren Ereignis oder Ausbruch die Bebenrate nicht mehr stark erhöht, obwohl sich der Boden weiter hebt – was eine einfache Interpretation der seismischen Aktivität erschwert und sich negativ auf das Frühwarnsystem vor einem möglicherweise bevorstehenden Vulkanausbruch auswirken könnte.
Kurz gesagt: Eine steigende Bodenhebung geht meist mit mehr Erdbeben einher, aber die Erdbebenhäufigkeit wächst nicht immer proportional oder exponentiell mit. Dieses Verhalten muss bei der Überwachung und Gefährdungsabschätzung berücksichtigt werden, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Dieser Befund hat wichtige Konsequenzen für die Vulkanüberwachung: Erdbeben allein geben nicht immer eine lineare Vorhersage der Bodenhebung oder eines möglichen Ausbruchs. Vielmehr ist das Zusammenspiel beider Prozesse entscheidend.
Quelle: Godano, C., Convertito, V., Tramelli, A., et al. (2025). Interplay between ground deformation and seismicity during the 2005–2025 unrest at Campi Flegrei. Scientific Reports, 15, Article 43238. https://doi.org/10.1038/s41598-025-27259-4. Lizenz der CC
