Wachsende Schwäche im Erdmagnetfeld – Forscher beobachten Veränderungen über dem Südatlantik
Seit Jahren registrieren Satelliten eine auffällige Schwäche im Erdmagnetfeld über dem Südatlantik. Die sogenannte Südatlantische Anomalie hat sich nach aktuellen Messungen der europäischen ESA-Mission Swarm seit 2014 deutlich vergrößert und reicht inzwischen über eine Fläche, die fast der Hälfte Kontinentaleuropas entspricht. Diese Entwicklung wirft Fragen nach der Stabilität des globalen Magnetfelds auf – und ob sie Vorbote einer künftigen Umpolung der Pole sein könnte.
Das Magnetfeld der Erde ist ein unsichtbarer, aber lebenswichtiger Schutzschild. Es lenkt geladene Teilchen des Sonnenwinds ab und schützt die Atmosphäre vor Erosion. Erzeugt wird es tief im Inneren des Planeten: Im rund 2200 Kilometer dicken äußeren Erdkern zirkuliert geschmolzenes Eisen, das aufgrund hoher Temperaturen und der Rotation der Erde in Bewegung bleibt. Die eisernen Schmelzströme erzeugen elektrische Ströme, die wiederum Magnetfelder hervorbringen. Dieses Zusammenspiel aus Bewegung, eklektischer Leitfähigkeit und Rotation wird als Geodynamo bezeichnet: ein selbstverstärkender Prozess, der seit Milliarden Jahren das irdische Magnetfeld antreibt und Leben ermöglicht.
Der Geodynamo ist kein statisches System. Die Strömungen im flüssigen Eisen sind chaotisch, und ihr Verhalten wird vom Wärmefluss an der Grenze zum darüberliegenden Erdmantel beeinflusst. Wo der Mantel mehr Wärme ableitet, strömt das Metall im äußeren Kern stärker, wodurch sich lokale Magnetfeldmuster bilden. Umgekehrt können geringere Wärmeabflüsse zu Zonen führen, in denen sich das Feld abschwächt oder sogar umkehrt.
Unter dem Südatlantik scheint genau das zu geschehen. Messungen zeigen dort Regionen, in denen das Magnetfeld deutlich schwächer ist als anderswo. Die Ursache liegt vermutlich in sogenannten Reverse-Flux-Patches – Gebieten an der Kern-Mantel-Grenze, in denen das Magnetfeld lokal entgegengesetzt gerichtet ist. Diese Felder schwächen das globale Magnetfeld in dieser Region und führen zur beobachteten Anomalie. Da das Magnetfeld ein Dipol ist, kommt es in Sibirien und Kanada zu lokalen Verstärkungen, die medial allerdings kaum Beachtung findet.
Für Satellitenbetreiber hat die Entwicklung konkrete Folgen: Über der Südatlantischen Anomalie ist die schützende Wirkung des Magnetfelds geringer, wodurch Raumsonden und Kommunikationssatelliten einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt sind. Schäden an elektronischen Komponenten oder kurzzeitige Fehlfunktionen sind möglich. Hiervon könnte auch die GPS-Navigation betroffen sein.
Die Veränderungen im Magnetfeld haben auch eine wissenschaftliche Dimension. Das globale Feld verliert seit rund zwei Jahrhunderten allmählich an Stärke. Solche Schwankungen sind nicht ungewöhnlich, doch sie wecken Besorgnis, weil das Magnetfeld in der Erdgeschichte mehrfach seine Polarität gewechselt hat. Bei einer solchen Umpolung vertauschen sich Nord- und Südpol vollständig. Doch das ist ein Prozess, der sich über Jahrtausende erstreckt und sich nicht so sprunghaft vollzieht, wie es der Name des Prozesses nahelegt.
Ob die aktuelle Schwächung tatsächlich ein frühes Stadium einer solchen Umpolung markiert, ist umstritten. Zwar erinnert das lokale Verhalten der Südatlantischen Anomalie an Vorgänge, die in geologischen Aufzeichnungen mit Umpolungen in Verbindung gebracht werden. Doch bisher fehlen eindeutige Hinweise auf einen globalen Zusammenbruch des Felds. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine vorübergehende Instabilität handelt.
Das Magnetfeld der Erde ist dynamisch und anpassungsfähig. Seine Veränderungen zeigen, dass tief unter unseren Füßen ein komplexes System arbeitet, dessen Prozesse nur allmählich verstanden werden. Die Südatlantische Anomalie ist ein sichtbares Zeichen dieser inneren Aktivität und erinnert daran, dass selbst die beständige Ordnung des Planeten ständig in Bewegung ist.
Übrigens, die Prozesse des Geodynamos übertragen sich teilweise auch auf den Erdmantel und treiben die Kräfte der Plattentektonik und des Vulkanismus an. Gesteinsplaneten ohne Plattentektonik haben weder einen Geodynamo noch ein wirksames Magnetfeld, das potenzielles Leben vor kosmischer Strahlung schützt.
(Quelle: Pressemeldung ESA zu einer dänischen Studie unter Leitung von Prof. Chris Finlay, erschienen in „Physics of the Earth and Planetary Interiors“)