Vulkanologie: Neues aus Wissenschaft und Forschung
In dieser Kategorie lest ihr über neue Forschungsergebnisse der Geowissenschaftler, die in Studien zur Vulkanologie und Seismologie veröffentlicht wurden.
Alarmstufe der Campi Flegrei steht nun auf „Gelb Phase 2“ – Technische Systemänderung der Grund
Der italienische Zivilschutz hat heute in den Campi Flegrei ein neues Vulkan-Warnsystem in Kraft gesetzt, das das bisherige Farbcodesystem um zusätzliche operative Phasen erweitert. Jede der vier Hauptwarnstufen – Grün, Gelb, Orange und Rot – ist nun in zwei Phasen unterteilt, um die Aktivität des Vulkans differenzierter zu erfassen und die entsprechenden Schutzmaßnahmen gezielter steuern zu können.
Während die Hauptfarben weiterhin den allgemeinen Zustand des Vulkans widerspiegeln, definieren die Phasen innerhalb jeder Farbe das Ausmaß der Veränderungen: Phase 1 kennzeichnet den Beginn einer Abweichung vom Normalzustand, Phase 2 steht für eine deutlicher ausgeprägte Aktivitätssteigerung innerhalb derselben Farbstufe.
Derzeit befindet sich die Caldera der Campi Flegrei in „Gelb – Phase 2“, was eine mittlere Alarmstufe bedeutet: verstärkte seismische Aktivität, Bodenhebung und intensivere Gasemissionen, jedoch ohne unmittelbare Gefahr einer Eruption. Das neue System ähnelt dem mexikanischen Popocatépetl-Ampelschema, das ebenfalls Zwischenstufen zur genaueren Risikoabschätzung nutzt.
Die Einführung des neuen Systems war bereits im März beschlossen worden. Damals wurden unter der Bevölkerung bereits Stimmen laut, die eine Erhöhung der Alarmstufe auf „Orange“ forderten. Ab diesem Farbcode können bereits präventive Evakuierungsmaßnahmen in größerem Stil durchgeführt werden – deren Kosten dann der Staat übernehmen muss. Etwas, das Verantwortliche in den Behörden bestimmt nicht gerne oder leichtfertig anordnen. Das neue System erlaubte nun quasi eine leichte Erhöhung der Alarmstufe, ohne gleich Konsequenzen ziehen zu müssen.
Im INGV-Wochenbericht für die KW 44 wurde der gesteigerte Wert für die Bodenhebung von 15 mm auf 20 mm pro Monat bestätigt. Überdies gab es in der Woche 149 Erdbeben, was ein überdurchschnittlich hoher Wert ist. Die Gastemperatur der Pisciarelli-Hauptfumarole lag bei 94 Grad, während die Bocca Grande der Solfatara bis zu 170 Grad heiß war.
Neue Studie weist vulkanotektonische Bruchzone anhand von Erdbebenanalysen nach – Belastungsprobe fürs Calderadach der Campi Flegrei
Die besorgniserregende Unruhe unter der Campi-Flegrei-Caldera bei Neapel hat eine neue Dimension erreicht. Forschende der Universität Rom und des italienischen Geoforschungsinstituts INGV berichten in Communications Earth & Environment (Nature, 2025), dass sich unter der dicht besiedelten Region offenbar eine dehnungsorientierte vulkanotektonische Verwerfung bildet. Die Analyse markiert einen Wendepunkt im Verständnis der jüngsten seismischen Aktivität und könnte entscheidend sein für die Bewertung künftiger Gefahren.
Seit 2005 hebt sich der Boden in der Caldera wieder, zuletzt um bis zu anderthalb Meter. Gleichzeitig nahmen Erdbeben und Gasemissionen deutlich zu: Anzeichen, dass sich aufgrund steigenden Fluiddrucks Spannungen im Untergrund aufbauen. Bisher verteilten sich die kleinen Beben diffus unter dem Gebiet, ohne klare Struktur. Doch ab 2023 änderte sich das Muster: Mehr als die Hälfte aller Erdbeben konzentriert sich seither entlang einer klar definierten, schräg verlaufenden Ebene im Zentrum der Caldera. Sie verläuft
Das internationale Forschungsteam nutzte präzise Erdbebendaten aus den Jahren 2019 bis 2024 und kombinierte statistische Verfahren mit einer Monte-Carlo-Analyse, um die räumliche Verteilung der Hypozentren zu rekonstruieren. Bei einer Monte-Carlo-Analyse handelt es sich um ein statistisch-mathematisches Simulationsverfahren, bei dem Variablen nach dem Zufallsprinzip verändert werden – solange, bis ein wahrscheinliches Modell entsteht. Das Ergebnis: eine rund 53 Grad geneigte Struktur mit Nordwest-Südost-Ausrichtung – ein deutlicher Hinweis auf die Entstehung oder Reaktivierung einer Bruchzone. Die geneigte Fläche verläuft etwas nordöstlich der Haupthebungszone bei Rione Terra und streicht das Gelände des Monte Olibano und das Gebiet von Solfatara und Pisciarelli. Die Tiefe der entstehenden Bruchebene reicht von 0,1 bis 5,6 km.
„Wir beobachten hier die Geburt oder Reaktivierung einer Verwerfung in Echtzeit“, schreiben die Forscher. Der Übergang von verstreuter Mikroseismizität zu einer konzentrierten Aktivität zeige, dass das Gestein unter Pozzuoli an seine Belastungsgrenze gelangt sei. Der Untergrund beginne, sich spröde zu verformen – ein Stadium, in dem Risse sich rasch ausweiten und in einem späteren Unruhestadium als Aufstiegswege für Fluide oder Magma dienen könnten.
Als Motor hinter der Aktivität sehen die Forschenden einen Magmenkörper in 8 bis 5 Kilometer Tiefe, der ein Hydrothermalsystem in Tiefen von weniger als 4 Kilometer anheizt. Sie schreiben, dass es unklar ist, ob die beobachteten Phänomene bereits Anzeichen für das Endstadium des Versagens des Caldera-Magmenleitungssystems sind oder ob es sich noch in diese Richtung entwickelt. Sollten die Gesteine um das Magmaleitungssystem versagen und mit Bruch reagieren, könnten stärkere Erdbeben resultieren und der Weg frei für den finalen Magmenaufstieg sein.
Für die Bevölkerung in der Region bedeutet das nicht zwangsläufig einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch, wohl aber eine wachsende seismische Gefahr. Eine stabile, zusammenhängende Verwerfung könnte stärkere Erdbeben ermöglichen, als bislang angenommen. Zudem verändert sich die Art der Deformation in der Caldera, was auf eine neue Phase der magmatischen Aktivität hindeutet.
Die Forschenden betonen, dass die Campi-Flegrei weiterhin intensiv überwacht werden müssen. Ihre neue Analysemethode könne auch auf andere Vulkansysteme angewendet werden, besonders dort, wo Unruhephasen bisher schwer zu deuten waren. Die Studie liefert damit nicht nur ein Warnsignal für Pozzuoli, sondern auch ein Werkzeug, um künftige vulkanische Krisen besser zu verstehen und rechtzeitig zu erkennen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie die Entwicklung einer Bruchzone nachweist, die sich in Tiefen zwischen 0,1 und 5,6 Kilometern erstreckt und vom Küstenbereich bei Monte Olibano bis unter die Solfatara-Pisciarelli-Zone und darüber hinaus verläuft. Motor des Prozesses ist eine Magmaansammlung in 5 bis 8 Kilometern Tiefe, die durch die Freisetzung vulkanischer Fluide das oberflächennahe hydrothermale System unter Druck setzt. Entlang der Bruchzone droht das Gestein des Calderadachs zu versagen bzw. zu brechen, was zu stärkeren Erdbeben und im Extremfall auch zu einem Vulkanausbruch führen könnte. Noch ist unklar, in welchem Entwicklungsstadium sich diese Struktur befindet, doch die Anzeichen deuten auf ein bereits fortgeschrittenes Stadium der mechanischen Destabilisierung hin.
(Quellennachweis: Giordano, G. et al. (2025): Birth and growth of a volcanotectonic fault during the current volcanic unrest at Campi Flegrei caldera (Italy). In: Communications Earth & Environment, 6, Artikel 28803. DOI: 10.1038/s43247-025-02803-2. Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0).)
Studie benutzte in den Campi Flegrei Smartphones als Erdbebensensoren – Informationen zu Standort-Effekten gesammelt
Tausende Beschleunigungsmesser in Mobiltelefonen eröffnen neue Möglichkeiten für die Erdbebenforschung. Eine internationale Studie zeigt, dass sich mithilfe dieser Sensoren hochauflösende Karten der Bodenverstärkung von Erdbebenwellen erstellen lassen – ein wichtiger Schritt hin zu sichereren Städten.
Die Magnitude und Tiefe eines Erdbebens bestimmen nur teilweise, wie stark die Erschütterungen an der Oberfläche zu spüren sind. Entscheidend sind auch Standortfaktoren wie die lokalen Bodenverhältnisse, die die Bewegung verstärken oder abschwächen können. Die genaue Kartierung solcher Standort-Effekte ist essenziell, um gefährdete Stadtgebiete zu erkennen und bei zukünftigen Ereignissen gezielt reagieren zu können.
In Bezug auf die Campi Flegrei erstaunt es immer wieder, dass ungewöhnlich schwache Erdbeben mit Magnituden kleiner als 2 gespürt werden können. Hier scheint es ungewöhnlich starke Standorteffekte zu geben, denen nun ein Forschungsteam unter Leitung von Francesco Finazzi (Universität Bergamo), Fabrice Cotton (GFZ Potsdam) und Rémy Bossu (Europäisch-Mediterranes Seismologisches Zentrum) nachging. Dazu griff man auch auf die Daten von Smartphones zurück.
Die Forschungen zeigten, dass Daten von Bewegungssensoren aus Smartphones einen bislang unerreichten Detailgrad liefern. Grundlage ist das „Earthquake Network“ (EQN), ein Citizen-Science-Projekt, an dem weltweit Millionen Menschen teilnehmen. Die in den Geräten integrierten Beschleunigungsmesser erfassen Erschütterungen und übermitteln sie in Echtzeit an zentrale Server.
Für die Studie wurden Tausende Messungen aus der seismisch aktiven Region der Campi Flegrei bei Neapel ausgewertet. Die Daten der gut 9000 Smartphones, auf denen die EQN-App installiert war, waren aber nur bei den stärkeren Erdbeben mit Magnituden größer 3,5 verwertbar. Mit den Geräten wurden keine Magnituden bestimmt, sondern die Beschleunigungswerte verglichen. Zur Magnitudenbestimmung dienten die stationären Seismometer des INGV-Netzwerkes. Während die klassische seismische Stationen nur punktuelle Daten liefern, decken die Smartphones eine wesentlich größere Fläche ab. Mit Hilfe komplexer mathematischer Modelle konnten die Forschenden aus den unregelmäßigen Einzelmessungen eine hochauflösende Karte der standortabhängigen Verstärkung (oder Abschwächung) der Erdbebenwellen erstellen.
Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede schon über kurze Distanzen: In einigen Gebieten werden Erdbebenwellen abgeschwächt, in anderen verstärken sie sich um ein Vielfaches. Mit solchen Karten lassen sich für zukünftige Beben präzisere „ShakeMaps“ erstellen, die die Intensität der Erschütterungen nahezu in Echtzeit abbilden – ein wertvolles Instrument für Katastrophenschutz, Stadtplanung und Gefahrenbewertung.
Vor einigen Jahren hatte ich selbst eine App installiert, die das Smartphone in ein Seismometer verwandeln sollte. Damals war es damit nur möglich, stärkere Erdbeben ab einer Magnitude von 5,0 zu registrieren. Heute scheinen die Geräte deutlich empfindlicher zu sein. Es stellt sich die Frage, warum Smartphones nicht auch in Regionen ohne seismisches Netzwerk eingesetzt werden, etwa im äthiopischen Afar-Dreieck bei Awash, wo offizielle Messstationen fehlen.
Eine Studie über Campi Flegrei bestätigt einmal mehr Magmaakkumulation in 4 km Tiefe – Borsäurekristalle als Warnsignal
Eine neue Studie, die im Journal of Geophysical Research erschien, sorgt für Aufsehen unter Vulkanologen und sicher bald auch bei den Bewohnern der Caldera. Forschende um Dr. Marco Piochi vom INGV berichten von ihrer Entdeckung in der Caldera Campi Flegrei bei Neapel: winzige, farblose Kristalle aus Borsäure – Sassolit genannt –, die sich seit 2021 vermehrt im Thermalgebiet von Pisciarelli gebildet haben. Was zunächst unspektakulär klingt, könnte ein Schlüssel zum Verständnis der aktuellen Unruhe im größten aktiven Vulkansystem Europas sein.
Campi Flegrei gilt seit Jahren als „ruheloser Vulkan“: Bodenhebungen, die Erdbeben auslösen, und steigende Gasemissionen deuten darauf hin, dass sich unter der Caldera das Hydrothermalsystem verändert und zunehmend unter Druck gerät. Die neuen Analysen zeigen nun, dass tief im Untergrund borreiche, hochkonzentrierte Salzlösungen existieren.
Die Grundstoffe für die Salzlösungen, die die in der Studie auch Sole oder Brinen genannt werden, entstehen durch chemische Prozesse in einem tiefen Magmenkörper, dessen Oberseite sich in etwa 8 Kilometern Tiefe befindet. Von hier aus steigen Fluide auf, die ein magmatisches Reservoir in rund 4 Kilometern Tiefe bilden. An der Oberseite dieses Reservoirs sammelt sich die mit Bor angereicherte Sole, die unter hohem Druck und bei Temperaturen von 250–400 °C flüssig bleibt.
Dampf entsteht im hydrothermalen System der Campi Flegrei, wenn die Sole aus 3 bis 4 Kilometern Tiefe durch Risse aufsteigt und dabei starkem Druckabfall ausgesetzt ist, wodurch der lokale Siedepunkt rasch fällt. Wird dieser Punkt unterschritten, verdampft ein Teil der Flüssigkeit schlagartig – ein Vorgang, den Vulkanologen „hydrothermal flashing“ nennen. Dabei expandiert das Wasser explosionsartig, und gelöste Stoffe wie Borsäure kristallisieren bei Temperaturen unter 170 Grad als Sassolit aus. Diese Prozesse finden typischerweise in 100 bis 500 Metern Tiefe statt und erzeugen das Dampf-Wasser-Gemisch, das an der Oberfläche an den Fumarolen austritt. Wenn der Druck lokal zu groß wird, kann das „Flashing“ zudem phreatische Explosionen auslösen – Dampfexplosionen, die ohne Magmaaustritt auftreten, aber bereits ein moderates Zerstörungspotenzial besitzen.
Das Sassolitvorkommen ist also ein weiterer Indikator dafür, dass sich in Tiefen unterhalb von 4 Kilometern Magma ansammelt, worauf auch mehrere Studien jüngeren Datums hinweisen. Diese Wärmequelle treibt die Zirkulation borreicher Fluide an, die nun sichtbar in Form von Sassolit ausfallen. Die Forschenden sehen einen Übergang von einem geschlossenen zu einem offenen Hydrothermalsystem, da es zu vermehrter Rissbildung im Deckgestein der Caldera gekommen ist. Die Kristallbildung ist somit ein oberflächlicher Ausdruck der erneuten Aktivierung des Vulkansystems.
Für die Gefahreneinschätzung des Vulkans ist das ein Warnsignal: Wenn sich der Magmenkörper weiter erhitzt und mehr Fluide in das hydrothermale System einspeist, steigt die Wahrscheinlichkeit phreatischer Eruptionen.
(Quelle: Piochi, M., et al. (2025). Sassolite Precipitation at the Restless Campi Flegrei Volcano in Italy Points to Hydrothermal Flashing by Deep Boron-Rich Brines. Journal of Geophysical Research: Solid Earth, 130, e2025JB032197. https://doi.org/10.1029/2025JB032197, Lizenz: CC BY 4.0 – Creative Commons Attribution 4.0 International License.)
Als erloschen geltender Vulkan im Iran regt sich – Bodenhebungsphase des Taftan genauer untersucht
Fast eine Dreiviertelmillion Jahre ruhte der Taftan im Südosten des Irans, bevor er sich im letzten Jahr zu regen begann. Eine Studie, die jüngst in den Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde, beleuchtet nun die Hintergründe der Hebungsphase und liefert genauere Daten, als damals zum Zeitpunkt der aktuellen Berichterstattung zur Verfügung standen.
Zwischen Juli 2023 und Mai 2024 registrierten Geoforscher mithilfe von Satellitenradardaten eine anhaltende Bodenhebung von bis zu 11 Zentimetern im Gipfelbereich des Taftan. Mit der hochauflösenden InSAR-Technik konnten selbst minimale Bewegungen des Untergrunds erfasst werden. Ein neu entwickeltes Verfahren, das sogenannte Common-Mode-Filtering, half nun, am Computer atmosphärische Störsignale aus den Satellitendaten herauszufiltern und so die Hebung präzise zu bestimmen.
Die Analysen zeigen, dass die Quelle der Deformation in nur etwa 500 bis 600 Metern Tiefe unter dem Gipfel liegt und somit deutlich oberhalb der alten Magmareservoire, die in drei bis neun Kilometern Tiefe vermutet werden. Erdbeben oder außergewöhnlicher Wassereintrag in Form von Niederschlägen als mögliche Ursachen konnten ausgeschlossen werden. Stattdessen deuten die Modelle auf eine Druckbeaufschlagung im flachen Untergrund hin, möglicherweise verursacht durch eingeschlossene Gase oder aufsteigende hydrothermale Fluide.
Parallel zur Bodenhebung wurde eine verstärkte fumarolische Aktivität festgestellt: Schwefelhaltige Dämpfe traten aus Rissen am Gipfel des Vulkans aus. Sogar in 50 Kilometer entfernten Ortschaften beschwerte sich Anwohner über übelriechende Gase. Diese Kombination aus Gasfreisetzung und Bodenhebung spricht laut den Forschenden für eine Reorganisation des hydrothermalen Systems oder sogar für eine kleinere magmatische Intrusion in größerer Tiefe.
Ein unmittelbarer Ausbruch ist nach Meinung der Forscher zwar unwahrscheinlich, doch der Befund zeigt, dass der Taftan keineswegs erloschen ist. Vielmehr scheint er in eine neue Aktivitätsphase einzutreten, deren Verlauf derzeit unvorhersehbar ist.
Die Studie ist ein Weckruf für die Region: Die Forschenden empfehlen, den Taftan künftig regelmäßig zu überwachen und als „potenziell aktiven Vulkan“ zu klassifizieren.
Die Studie verdeutlicht auch, dass die bis dato gültige Klassifizierung erloschener Vulkane nicht länger haltbar ist. Bis jetzt gilt ein Vulkan als erloschen, wenn er länger als 10.000 Jahre lang nicht ausbrach. Und nein, es ist kein Zombievulkan!
(Quelle: https://doi.org/10.1029/2025GL114853. Hauptautor der Studie: Mohammadhossein Mohammadnia (Universität Hongkong))
Ausbruchsgefahr der Campi Flegrei größer als bisher angenommen – Daten alter Studien widerlegt
Eine aktuelle Studie italienischer Vulkanologen stellt die bisherige Interpretation der Hebungs- und Senkungsphasen im Gebiet der Campi-Flegrei-Caldera bei Neapel grundlegend infrage – und lässt den Schluss zu, dass die derzeitige vulkanische Unruhe stärker mit magmatischen Prozessen verknüpft ist, als bislang angenommen.
Das internationale Forscherteam um Mauro Rosi und Flora Giudicepietro vom Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV) veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachjournal Geology. Sie zeigen, dass frühere Radiokarbondatierungen fossiler Meeresbewohner – vor allem von Bohrmuscheln und Röhrenwürmern, die am römischen Macellum von Pozzuoli (Serapeo) gefunden wurden – stark verfälscht waren. Jahrzehntelang galten diese Messungen als Beweis für mehrere „nicht-eruptive“ Hebungs- und Senkungsphasen der Küste im Mittelalter. Bei diesen Phasen soll das Marcellum mehrmals so weit abgesenkt worden sein, dass es unter Wasser geriet und sich die Meeresbewohner dort ansiedelten. Das Argument mehrerer nicht-eruptiver Hebungsphasen diente oft zur Beruhigung: Wenn sich die Caldera damals mehrfach hob und senkte, ohne auszubrechen, müsse das heutige Bodenbeben nicht gefährlich sein. Doch genau diese Annahme fällt nun in sich zusammen.
Die neuen Analysen belegen, dass die Radiokarbon-Daten durch CO₂ aus der nahegelegenen Thermalquelle Cantarello, verfälscht wurden. Dieses Gas stammt aus großer Tiefe, enthält kein ¹⁴C und täuschte dadurch ein viel höheres Alter der organischen Proben vor. Bei den neuen Analysen wurden Fossilien von Meeresbewohnern mit jenen des Marcellums verglichen, die in einer Grotte bei Rione Terra gefunden wurden, jenem Ort, der im Zentrum der heutigen Hebungsphase liegt und sich nur einige hundert Meter vom Marcellum entfernt befindet. Das bedeutet: Die vermeintlich alten Hebungsphasen hat es nie gegeben. Stattdessen gab es in den vergangenen zwei Jahrtausenden nur eine dokumentierte großräumige Hebung – jene, die der Eruption des Monte Nuovo im Jahr 1538 vorausging.
Damit rückt die aktuelle Aktivität der Campi Flegrei in ein neues Licht. Seit 1950 hob sich der Boden der Caldera in mehreren Phasen um insgesamt rund vier Meter. Begleitet wird dies von zunehmender Seismizität und ansteigenden Gasemissionen. Bislang wurde diese Entwicklung teilweise als „Bradyseismus“ ohne unmittelbare Eruptionsgefahr gedeutet. Die neue Studie legt jedoch nahe, dass die gegenwärtige Hebung – ähnlich wie im 15. Jahrhundert – durch aufsteigendes Magma verursacht wird. Andere Studien zeigten in den letzten Wochen bereits, dass ältere Hebungsphasen entweder nicht stattgefunden hatten oder bereits zur Hebungsphase gehörten, die in der Monte-Nuovo-Eruption gipfelte.
Die Forscher warnen, dass die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Ausbruchs damit höher einzuschätzen ist als bisher angenommen. Zwar lasse sich kein Zeitpunkt vorhersagen, doch alle geochemischen und geophysikalischen Indikatoren sprächen für eine erneute Magmazufuhr in das flache Fördersystem. „Unsere Ergebnisse sind ein Weckruf“, so Giudicepietro. „Die Campi Flegrei befinden sich in einer kritischen Phase, die größte Aufmerksamkeit verdient.“
Ich persönlich vertrete schon seit einigen Jahren den Standpunkt, dass wir es in den Campi Flegrei mit einem wachsenden Eruptionsrisiko zu tun haben, und halte die alten Modelle zum Phänomen des Bradyseismus für wissenschaftlich überholt. Die Anhänger dieser These ergehen sich in komplizierten Konstrukten hinter dem Phänomen, anstatt zu akzeptieren, was man in der Caldera und besonders in der Solfatara überall sieht: Die Spuren der Kräfte des Vulkanismus sind allgegenwärtig, und was sonst als Magma sollte der Motor hinter der Bodenhebung sein?
Mathematisches Modell zur Vorhersage von Vulkanausbrüchen: Shannon-Entropie könnte Prognosen genauer machen
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Miguel Ángel Méndez hat ein neuartiges mathematisches Verfahren entwickelt, mit dem sich Vulkanausbrüche künftig präziser vorhersagen lassen könnten. Die Methode basiert auf Parametern aus der Informationstheorie und Signalstatistik – insbesondere der Shannon-Entropie (SE), der Kurtosis und dem Frequenzindex (FI). An der Studie waren unter anderem das Instituto Volcanológico de Canarias (INVOLCAN), die Universität Granada und das Instituto Tecnológico y de Energías Renovables (ITER) beteiligt. Sie wurde im Journal of Volcanology and Geothermal Research veröffentlicht.
Vulkanausbruch La Palma
Die Forschenden wendeten das Konzept der Shannon-Entropie auf seismische Daten an, um Veränderungen in der inneren Dynamik von Vulkanen zu erkennen. In der Vulkanologie beschreibt die Entropie, wie „geordnet“ oder „chaotisch“ die seismischen Signale eines Vulkans sind. Ein niedriger Entropiewert bedeutet, dass die Signale regelmäßig und vorhersehbar sind – das System arbeitet geordneter. Ein Entropieabfall kurz vor einem Ausbruch deutet darauf hin, dass das vulkanische System gleichmäßige, rhythmische Schwingungen wie harmonischen Tremor erzeugt, die mit dem Aufstieg von Magma und der Vorbereitung einer Eruption verbunden sind. Hohe Entropie steht dagegen für zufällige, unvorhersehbare Erdbebensignale, wie sie während einer Ruhephase auftreten können.
Ergänzend dazu liefert die Kurtosis Hinweise auf impulsive seismische Ereignisse, Schwärme und explosive Phasen, während der Frequenzindex Veränderungen in den dominanten Frequenzbändern erfasst, die etwa mit Frakturen, Tremor oder Magmaaufstieg verknüpft sind. Die Kombination dieser Parameter erlaubt es, sowohl die Vorläufer als auch die verschiedenen Entwicklungsphasen einer Eruption detaillierter zu charakterisieren.
Das Team analysierte seismische Daten zweier Vulkane: des Tajogaite auf La Palma, der 2021 ausbrach, und des mexikanischen Colima, der zwischen 2013 und 2022 aktiv war. Dabei zeigte sich, dass die Shannon-Entropie bereits Stunden vor den Eruptionen deutlich abfiel, während Kurtosis und Frequenzindex charakteristische Veränderungen aufwiesen, die mit zunehmender vulkanischer Aktivität korrelierten. Im Fall des Tajogaite konnte der bevorstehende Ausbruch mindestens neun Stunden im Voraus erkannt werden. Ein Anstieg der Entropie nach dem Ende der Eruption signalisierte zudem die Rückkehr zur vulkanischen Ruhe.
Da die Methode automatisiert auf große Datenmengen angewendet werden kann und Echtzeitanalysen ermöglicht, könnte sie bestehende Überwachungssysteme deutlich verbessern. INVOLCAN betont, dass dieser Ansatz einen entscheidenden Fortschritt für die Vulkanbeobachtung auf den Kanarischen Inseln darstellt, da die frühzeitige Erkennung geordneter seismischer Muster sowie impulsiver Ereignisse und Frequenzänderungen entscheidend für den Bevölkerungsschutz und die Notfallplanung ist. (Quelle: https://doi.org/10.1016/j.jvolgeores.2025.108454, Pressemeldung INVOLCAN)
Neuentdecktes Hydrothermalfeld vor Papua-Neuguinea verwundert Forscher: Es förderte Gold und die Bausteine des Lebens
Vor der Küste Papua-Neuguineas haben internationale Forschende unter Leitung von GEOMAR ein Hydrothermalfeld entdeckt, das die Art und Weise, wie wir die Geologie der Tiefsee und sogar die Entstehung des Lebens auf der Erde verstehen, verändern könnte. Das sogenannte „Karambusel-Feld“ liegt an der Westflanke des Conical Seamount, eines vermutlich erloschenen Vulkans in der Tabar-Lihir-Tanga-Feni-Inselkette (TLTF). Diese Inselkette ist das Produkt einer Subduktionszone, in der die Pazifische Platte unter die Bismarck-Platte abtaucht. Hier, in 1200 Metern Tiefe, stoßen zwei Welten aufeinander: magmatisch erhitzte Hydrothermalflüssigkeiten und kühle Kohlenwasserstoff-Sickersysteme, die hauptsächlich Methan fördern.
Subduktion als Motor
Karambusel-Hydrothermalfeld
Die Entdeckung von Karambusel ist nicht nur eine geologische Kuriosität, sondern auch ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie Subduktionsprozesse das Antlitz des Meeresbodens prägen. Wenn die ozeanische Platte unter die benachbarte Platte gezogen wird, schmilzt ein Teil des abtauchenden Materials im Erdmantel auf. Das erzeugte Magma steigt auf und bildet Vulkane, wie sie auf der TLTF-Kette zu finden sind.
Der Conical Seamount ist ein solcher Vulkan. Radiometrische Altersdatierungen zeigen, dass er vor rund 88.500 Jahren aktiv war. Seitdem ist sein Magmasystem abgekühlt, aber nicht völlig erloschen. Genügend Restwärme bleibt, um Meerwasser, dass durch Risse und Spalten in den Meeresboden eindringt zu erwärmen und zirkulieren zu lassen. In mehreren Kilometern Tiefe wird dieses Wasser erhitzt, mit Mineralen angereichert und tritt schließlich an der Flanke des Seamounts wieder aus.
Das macht Karambusel zu einem sogenannten postvulkanischen Hydrothermalsystem. Es ist der „Nachglüher“ eines erloschenen Vulkans. Besonders spannend: Die tektonischen Störungen, die durch dieselben Subduktionsprozesse entstehen, fungieren auch als Aufstiegsrouten für Kohlenwasserstoffe aus den umliegenden Sedimenten. So entsteht ein einzigartiges hybrides System, das bislang weltweit ohne Beispiel ist.
Schatzkammer der Tiefsee
Die geochemischen Analysen zeigen, dass Karambusel eine Schatzkammer an Edelmetallen beherbergt. Gesteinsproben enthalten Gold- und Silberminerale, die auf frühere Hochtemperaturphasen hinweisen. Heute treten dort vor allem warme Fluide von bis zu 51 °C aus, die reich an Lithium, Silizium, Arsen, Antimon und anderen Elementen sind. Solche hydrothermalen Systeme gelten als natürliche „Raffinerien“ für die Entstehung von Erzvorkommen.
Für die Rohstoffindustrie ist das von großem Interesse. Die benachbarte Lihir-Insel beherbergt eines der größten Goldbergwerke der Welt – ebenfalls ein Produkt eines hydrothermalen Systems in einem subduktionsbezogenen Vulkanbogen. Karambusel bietet daher ein modernes Analogon für die Bildung solcher Lagerstätten.
Bei all dem Rohstoffreichtum stellt sich die Frage, ob dieser von Menschen abgebaut werden sollte. Tiefseebergbau ist umstritten, denn er stellt einen massiven Eingriff in die sensiblen Ökosysteme dar und verursacht oft irreversible Schäden. Die Fauna am Karambusel-Feld – darunter Muscheln, Röhrenwürmer und Bakterienmatten – ist hochspezialisiert und endemisch. Forschende warnen, dass jede kommerzielle Aktivität hier nicht nur geologische, sondern auch biologische Archive zerstören könnte.
Ein Hinweis auf die Ursprünge des Lebens
Viele Hypothesen zur Entstehung des Lebens sehen Hydrothermalquellen als Geburtsort der ersten Stoffwechselkreisläufe. Die Mischung aus Wärme, mineralischen Ausscheidungen und chemischen Prozessen bietet ideale Bedingungen für die Synthese komplexer organischer Moleküle als Voraussetzung für die Entstehung von Leben.
Karambusel liefert dafür ein besonders spannendes Umfeld: Die dort austretenden Kohlenwasserstoffe bestehen zu über 85 Prozent aus Methan, ergänzt durch Ethan, Propan und andere leichte Kohlenwasserstoffe. Diese stammen nicht aus rein abiotischer Synthese, sondern sind thermogen und sind aus erhitztem organischen Material entstanden. Damit zeigt Karambusel, dass frühe Hydrothermalsysteme nicht nur anorganische Chemie, sondern auch reichlich organische Moleküle bereitgestellt haben könnten.
Hinzu kommt, dass die Temperaturen am Austritt vergleichsweise moderat sind. Während die berühmten „Schwarzen Raucher“ Temperaturen von über 350 °C erreichen, bietet Karambusel ein milderes, geradezu „lebensfreundliches“ Milieu. Das könnte für empfindliche Moleküle wie RNA oder frühe Zellstrukturen von Vorteil gewesen sein.
Die Entdeckung des Karambusel-Feldes zeigt, wie wenig wir über die Tiefsee wissen. Sie ist ein Ort, an dem geologische Prozesse, Ökosysteme und sogar die Bausteine des Lebens auf einzigartige Weise zusammenwirken. Gleichzeitig erinnert sie uns daran, wie verletzlich solche Systeme sind.
Die Wissenschaft hat hier ein Labor unter natürlichen Bedingungen gefunden, das uns nicht nur etwas über Erzbildung und Vulkanismus lehrt, sondern auch über unsere eigene Entstehungsgeschichte. Die Frage, ob solche Felder eines Tages wirtschaftlich genutzt werden dürfen, wird sich die Gesellschaft stellen müssen. (Quellen: sciencedirect.com, Pressemeldung GEOMAR)
Erdbebenserie bei Santorin: Neue Studie enthüllt massiven Magma-Aufstieg unter dem Meeresboden
Die Vulkan-Community hat lange auf neue Studien zu der starken Erdbebenserie gewartet, die sich zwischen Januar und März 2025 nordöstlich von Santorin zutrug und nicht nur zahlreiche Inselbewohner in die Flucht trieb, sondern auch eine wissenschaftliche Kontroverse auslöste. Strittig war insbesondere die Ursache der Beben: Während eine Gruppe rein tektonische Prozesse hinter den Erdbeben vermutete, sah die andere Fraktion ihren Ursprung in einer Magmenintrusion. Eine neue Studie internationaler Forschender unter Leitung des GFZ liefert nun Belege für letztere Hypothese.
Kernaussagen der Studie:
Im Juni 2024 begann sich Magma unter Santorin anzusammeln und die Insel hob sich leicht.
Im Januar 2025 startete die Intrusion eines 13 Kilometer langen magmatischen Gangs, der aus einem mitteltiefen Reservoir unter Kolumbos gespeist wurde.
Die Intrusion stoppte in 2–4 Kilometern Tiefe, ihr Volumen betrug 0,31 Kubikkilometer.
Intrusion aktivierte regionale Störungszonen und verursachte die Erdbebenkrise.
Höhepunkt der Seismizität zwischen Januar und März mit mehr als 28.000 Erdbeben, die teils mittels KI-Auswertung analysiert wurden.
Das Ereignis betraf die magmatischen Systeme von Santorin und Kolumbos, die miteinander gekoppelt sind, so dass Magma zwischen ihnen ausgetauscht werden kann.
Blick auf Nea Kameni
Die Inseln des Santorin-Archipels markieren den Rand einer Caldera, die ihre heutige Form vor rund 3.600 Jahren durch die gewaltige Minoische Eruption erhielt. Zwei kleinere Inseln innerhalb der Caldera sind die Gipfel jüngerer Vulkankegel. In unmittelbarer Nähe von Santorin befindet sich der aktive Unterwasservulkan Kolumbos. Die Vulkane der Ägäis gehören zum Hellenischen Vulkanbogen, der seine Existenz der Kollision von Afrika mit Europa verdankt. Die Region ist von mehreren Bruchzonen durchzogen, die im Zusammenhang mit der Plattenkollision stehen. Historisch kam es auf Santorini mehrfach zu Vulkanausbrüchen, zuletzt 1950. 1956 ereigneten sich in der südlichen Ägäis zwei schwere Erdbeben, die einen Tsunami auslösten.
Das seismische Netzwerk der Region registrierte während der Erdbebenkrise Anfang 2025 Zehntausende Erschütterungen. Die stärksten hatten Magnituden über 5,0. Viele der Beben waren in und um Santorin deutlich zu spüren gewesen und verursachten Steinschläge und Risse in Hauswänden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geowissenschaften und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben gemeinsam mit Forschenden aus Griechenland und anderen Ländern eine umfassende geologische Analyse dieser seismischen Krise durchgeführt. Die Ergebnisse erschienen heute in der Fachzeitschrift „Nature“.
Für die Untersuchung wurden seismische Daten aus einem dichten Netzwerk von Erdbebenstationen mit Deformationsmessungen von Ozeanbodeninstrumenten und satellitengestützten Systemen kombiniert, die am Unterwasservulkan Kolumbo installiert waren, der sich nur sieben Kilometer von Santorin entfernt befindet. Zusätzlich kam eine neu entwickelte KI-basierte Methode zur Lokalisierung von Beben zum Einsatz, die große Datenmengen automatisch auswertet und die Positionen der Herdzonen mit hoher Genauigkeit bestimmt. Mithilfe der KI konnten aus den Seismogrammen über 28.000 Erschütterungen identifiziert werden.
Die neuen Analysen der Studie zeigen, dass es zur Bildung eines magmatischen Gangs mit einem Volumen von rund 300 Millionen Kubikmetern kam, der aus einem mitteltiefen Reservoir unter Kolumbo aufgestiegen ist und etwa vier Kilometer unter dem Meeresboden stoppte. Auf seinem Weg durch die Kruste aktivierte das Magma regionale Störungszonen und erzeugte Tausende von Erdbeben sowie Tremorphasen, die die Region in Atem hielten.
Um die Dimension der Intrusion zu veranschaulichen: Bei den aktuellen Ausbrüchen auf Island werden im Durchschnitt 30 Millionen Kubikmeter Lava gefördert, wobei das größte Lavafeld ein Volumen von über 60 Millionen Kubikmetern erreichte. Bei der Cumbre-Vieja-Eruption auf La Palma im Jahr 2021 traten 200 bis 300 Millionen Kubikmeter Lava aus – in etwa die Menge, die sich nun unter dem Meeresboden nordöstlich von Santorin und Kolumbo befindet und auf ihre Eruption wartet.
Tatsächlich begann die seismische Krise bereits im Juli 2024, als Magma in ein flaches Reservoir unter Santorin aufstieg. Zunächst führte dies nur zu minimalen Hebungen der Insel um wenige Zentimeter. Ab Januar 2025 verstärkte sich die Erdbebenaktivität. Ende Januar begann der Aufstieg von Magma aus größerer Tiefe. Die Herdbewegungen der Beben verlagerten sich über eine Strecke von mehr als zehn Kilometern nordöstlich der Insel und erfolgten in mehreren Pulsen, wobei sie von 18 Kilometern Tiefe bis auf drei Kilometer unter dem Meeresboden aufsteigen. Durch die Kombination von seismischen Daten, GPS-Bodenstationen, Satelliten-Radarinterferometrie und Meeresbodeninstrumenten konnte die Bewegung des Magmas mit bisher unerreichter Detailgenauigkeit modelliert werden.
Die Analyse zeigt zudem eine zuvor unbekannte hydraulische Verbindung zwischen Santorin und Kolumbos. Die Absenkung der Insel während des Magmaaufstiegs deutet darauf hin, dass die beiden Vulkane im Untergrund miteinander interagieren. Diese Erkenntnisse sind für die Überwachung der Vulkane und die Gefahrenabschätzung in der Region von großer Bedeutung. Die Überwachung der Region wird im Rahmen des MULTI-MAREX Programms, an dem auch das GFZ beteiligt ist, fortgeführt.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie liefern erstmals ein vollständiges Bild der Dynamik unter Santorin und Kolumbos. Sie zeigen, wie der Aufstieg von Magma tief im Untergrund zu massiver seismischer Aktivität führen kann und verdeutlichen die Bedeutung kontinuierlicher Überwachung in dieser geologisch hochexponierten Region.
(Quellen: nature.com: Isken, M.P., Karstens, J., Nomikou, P. et al. Volcanic crisis reveals coupled magma system at Santorini and Kolumbo. Nature 645, 939–945 (2025). Lizenz der CC. Pressemeldung GFZ)