Santorin: Erdbebenserie durch große Magmenintrusion verursacht

Blick von der Vulkaninsel Nea Kameni zum Calderarand von Santorin. © Marc Szeglat

Erdbebenserie bei Santorin: Neue Studie enthüllt massiven Magma-Aufstieg unter dem Meeresboden

Die Vulkan-Community hat lange auf neue Studien zu der starken Erdbebenserie gewartet, die sich zwischen Januar und März 2025 nordöstlich von Santorin zutrug und nicht nur zahlreiche Inselbewohner in die Flucht trieb, sondern auch eine wissenschaftliche Kontroverse auslöste. Strittig war insbesondere die Ursache der Beben: Während eine Gruppe rein tektonische Prozesse hinter den Erdbeben vermutete, sah die andere Fraktion ihren Ursprung in einer Magmenintrusion. Eine neue Studie internationaler Forschender unter Leitung des GFZ liefert nun Belege für letztere Hypothese.

Kernaussagen der Studie:

  • Im Juni 2024 begann sich Magma unter Santorin anzusammeln und die Insel hob sich leicht.
  • Im Januar 2025 startete die Intrusion eines 13 Kilometer langen magmatischen Gangs, der aus einem mitteltiefen Reservoir unter Kolumbos gespeist wurde.
  • Die Intrusion stoppte in 2–4 Kilometern Tiefe, ihr Volumen betrug 0,31 Kubikkilometer.
  • Intrusion aktivierte regionale Störungszonen und verursachte die Erdbebenkrise.
  • Höhepunkt der Seismizität zwischen Januar und März mit mehr als 28.000 Erdbeben, die teils mittels KI-Auswertung analysiert wurden.
  • Das Ereignis betraf die magmatischen Systeme von Santorin und Kolumbos, die miteinander gekoppelt sind, so dass Magma zwischen ihnen ausgetauscht werden kann.

 

Blick auf Nea Kameni

Die Inseln des Santorin-Archipels markieren den Rand einer Caldera, die ihre heutige Form vor rund 3.600 Jahren durch die gewaltige Minoische Eruption erhielt. Zwei kleinere Inseln innerhalb der Caldera sind die Gipfel jüngerer Vulkankegel. In unmittelbarer Nähe von Santorin befindet sich der aktive Unterwasservulkan Kolumbos. Die Vulkane der Ägäis gehören zum Hellenischen Vulkanbogen, der seine Existenz der Kollision von Afrika mit Europa verdankt. Die Region ist von mehreren Bruchzonen durchzogen, die im Zusammenhang mit der Plattenkollision stehen. Historisch kam es auf Santorini mehrfach zu Vulkanausbrüchen, zuletzt 1950. 1956 ereigneten sich in der südlichen Ägäis zwei schwere Erdbeben, die einen Tsunami auslösten.

Das seismische Netzwerk der Region registrierte während der Erdbebenkrise Anfang 2025 Zehntausende Erschütterungen. Die stärksten hatten Magnituden über 5,0. Viele der Beben waren in und um Santorin deutlich zu spüren gewesen und verursachten Steinschläge und Risse in Hauswänden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GFZ Helmholtz-Zentrums für Geowissenschaften und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben gemeinsam mit Forschenden aus Griechenland und anderen Ländern eine umfassende geologische Analyse dieser seismischen Krise durchgeführt. Die Ergebnisse erschienen heute in der Fachzeitschrift „Nature“.




Für die Untersuchung wurden seismische Daten aus einem dichten Netzwerk von Erdbebenstationen mit Deformationsmessungen von Ozeanbodeninstrumenten und satellitengestützten Systemen kombiniert, die am Unterwasservulkan Kolumbo installiert waren, der sich nur sieben Kilometer von Santorin entfernt befindet. Zusätzlich kam eine neu entwickelte KI-basierte Methode zur Lokalisierung von Beben zum Einsatz, die große Datenmengen automatisch auswertet und die Positionen der Herdzonen mit hoher Genauigkeit bestimmt. Mithilfe der KI konnten aus den Seismogrammen über 28.000 Erschütterungen identifiziert werden.

Die neuen Analysen der Studie zeigen, dass es zur Bildung eines magmatischen Gangs mit einem Volumen von rund 300 Millionen Kubikmetern kam, der aus einem mitteltiefen Reservoir unter Kolumbo aufgestiegen ist und etwa vier Kilometer unter dem Meeresboden stoppte. Auf seinem Weg durch die Kruste reaktivierte das Magma regionale Störungszonen und erzeugte Tausende von Erdbeben sowie Tremorphasen, die die Region in Atem hielten.

Um die Dimension der Intrusion zu veranschaulichen: Bei den aktuellen Ausbrüchen auf Island werden im Durchschnitt 30 Millionen Kubikmeter Lava gefördert, wobei das größte Lavafeld ein Volumen von über 60 Millionen Kubikmetern erreichte. Bei der Cumbre-Vieja-Eruption auf La Palma im Jahr 2021 traten 200 bis 300 Millionen Kubikmeter Lava aus – in etwa die Menge, die sich nun unter dem Meeresboden nordöstlich von Santorin und Kolumbo befindet und auf ihre Eruption wartet.

Tatsächlich begann die seismische Krise bereits im Juli 2024, als Magma in ein flaches Reservoir unter Santorini aufstieg. Zunächst führte dies nur zu minimalen Hebungen der Insel um wenige Zentimeter. Ab Januar 2025 verstärkte sich die Erdbebenaktivität. Ende Januar begann der Aufstieg von Magma aus größerer Tiefe. Die Herdbewegungen der Beben verlagerten sich über eine Strecke von mehr als zehn Kilometern nordöstlich der Insel und erfolgten in mehreren Pulsen, wobei sie von 18 Kilometern Tiefe bis auf drei Kilometer unter dem Meeresboden aufsteigen. Durch die Kombination von seismischen Daten, GPS-Bodenstationen, Satelliten-Radarinterferometrie und Meeresbodeninstrumenten konnte die Bewegung des Magmas mit bisher unerreichter Detailgenauigkeit modelliert werden.

Die Analyse zeigt zudem eine zuvor unbekannte hydraulische Verbindung zwischen Santorini und Kolumbos. Die Absenkung der Insel während des Magmaaufstiegs deutet darauf hin, dass die beiden Vulkane im Untergrund miteinander interagieren. Diese Erkenntnisse sind für die Überwachung der Vulkane und die Gefahrenabschätzung in der Region von großer Bedeutung. Die Überwachung der Region wird im Rahmen des MULTI-MAREX Programms, an dem auch das GFZ beteiligt ist, fortgeführt.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie liefern erstmals ein vollständiges Bild der Dynamik unter Santorini und Kolumbos. Sie zeigen, wie der Aufstieg von Magma tief im Untergrund zu massiver seismischer Aktivität führen kann und verdeutlichen die Bedeutung kontinuierlicher Überwachung in dieser geologisch hochexponierten Region. (Quelle: Nature.com,  Pressemeldung GFZ)