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Weitere Bodendeformation auf Island am 29.10.23

Bodenhebung beim Geothermalkraftwert Svartsengi und der Blauen Lagune bereiten Sorgen

Das Schwarmbeben unter der isländischen Reykjanes-Halbinsel hat sich weiter abgeschwächt, ist aber noch nicht ganz vorbei. IMO berichtet von mehr als 7500 Erdbeben. Achtzehn hatten Magnituden größer als 3. Doch das eigentliche Problem stellen nicht die Erdbeben dar, denn sie sind nur Symptome von Prozessen im Untergrund, die letztendlich zu einem Vulkanausbruch führen könnten. Sprich, die Erdbeben sind nicht tektonischer Art, sondern werden direkt oder indirekt von aufsteigendem Magma verursacht, das sich in der Erdkruste akkumuliert und darauf wartete, bis an die Erdoberfläche vordringen zu können. Bis jetzt sammelte sich die Schmelze vorwiegend unter einem nicht besiedelten Gebiet im Bereich des Fagradalsfjall an, aber das änderte sich jetzt: vorgestern begann sich Magma direkt im Bereich der Haupterdbebenzone 1,5 km nordwestlich des Thorbjörn-Vulkans anzusammeln. Dort liegen das Geothermalkraftwerk Svartsengi und die Blaue Lagune.

Neue GPS-Daten und die Auswertung von INSAR-Satellitendaten zeigen, dass sich der Boden dort innerhalb von 48 Stunden um 3 cm hob! Ein erstaunlicher Wert, der Grund zur Besorgnis gibt. Es ist nicht das erste Mal, dass in diesem Areal eine Magmenintrusion festgestellt wurde: seit 2020 gab es bereits 4 ähnliche Ereignisse im Vorfeld der Fagradalsfjall-Eruptionen, doch während der aktuellen Episode hob sich der Boden am schnellsten. Es stellt sich natürlich die Frage, ob sich hier irgendwann genug Schmelze akkumuliert, damit es zu einem Vulkanausbruch kommen kann. Das hätte dann- anders als am Fagradalsfjall- möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die isländische Infrastruktur. Das Geothermalkraftwerk versorgt die Flughafen- und Hauptstadtregion mit Strom und Wärme und die Blaue Lagune ist ein touristischer Hotspot. Bis jetzt ist es allerdings unklar, ob es hier tatsächlich zu einem Ausbruch kommen wird, oder ob sich die Aktivität wieder in Richtung Osten verlagern wird. Dort, genauer am Fagradalsfjall, hebt sich der Boden ebenfalls weiter. Was ich noch beunruhigter finde als die vertikale Bodenhebung, ist der horizontale Versatz des Bodens, der sich seit Beginn der seismischen Krise deutlich beschleunigte und vergleichbare Werte angenommen hat, wie kurz vor der letzten Eruption. Eine Bewegungskomponente war im Juli gen Norden gerichtet, doch jetzt läuft sie in entgegengesetzter Richtung. Damals gab es auch eine Verschiebung in östlicher Richtung, die sich jetzt fortsetzt und gut 20 mm beträgt. Der horizontale Bodenversatz spiegelte damals eine weitaus größere Bodenhebung wider, als von den GPS-Messungen erfasst wurde. Sie zeigte sich erst relativ spät in INSAR-Karten. Rechnet man das Geschehen hoch und vergleicht es mit jenem vor den anderen Eruptionen, kann es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis wir eine weitere Eruption auf Island sehen werden.

Der VONA-Alarmstatus wurde übrigens auf „Gelb“ erhöht. Eine Eruption ist theoretisch ohne weiter Vorwarnungen möglich.

Widersprüchliche Nachrichten zur Bodenhebung auf Island

Hebt sie sich oder hebt sie sich nicht?

Heute wurden zwei widersprüchliche Nachrichten zu den Geschehnissen verbreitet. Sie drehen sich um die Landhebung westlich des Thorbjörn-Vulkans beim Thermalgebiet Svartsengi. IMO veröffentlichte eine Analyse der Daten, in der die Forscher zum Schluss kommen, dass die Bodenhebung in einem ähnlichen Tempo wie in den letzten Tagen vonstatten geht. Diese Schlussfolgerung wird von der Tatsache gestützt, dass die Seismizität weiterhin hoch ist. Täglich manifestieren sich hunderte Erdbeben auf Reykjanes, von denen sich die meisten in dem Gebiet mit der Bodenhebung ereignen. Das stärkste Beben heute Nacht hatte eine Magnitude von 3,7. Dennoch hat sich die Intensität des Schwarms etwas abgeschwächt. Insbesondere gab es deutlich weniger Erdbeben mit Magnituden ab 3.

In der FB-Gruppe „Eldfjalla- og náttúruvárhópur Suðurlands“ (Südland Vulkan- und Naturgefahrengruppe) wurde ein Bericht veröffentlicht, nachdem sich die Bodenhebung deutlich verlangsamt hat, bzw. sogar stoppte und rückläufig ist. Sprich, der Boden soll sich wieder etwas absenken. Tatsächlich zeigen die GPS-Messstationen im Bereich von Svartsengi und am Fagradalsfjall, dass die Bodenhebung offenbar den Rückwärtsgang eingelegt hat. Es gibt aber 2 relevante Ausnahmen: an der Thorbjörn-Messtation und bei Grindavik legten die Messwerte noch etwas zu. Es könnte also sein, dass die Schmelze im Untergrund in Richtung Südosten migriert.

Nach wie vor gibt es noch keine Anzeichen für einen finalen Magmenaufstieg. Die Schmelze sammelt sich wie gewohnt in 5 bis 4 km Tiefe und bildet dort wahrscheinlich magmatische Gänge, ähnlich wie wir es in den vergangenen Jahren öfters sahen. Genaue Modelle der unterirdischen Vorgänge stehen noch aus, ich kann mir aber gut vorstellen, dass die isländischen Forscher mit Nachdruck daran arbeiten, schließlich will sich niemand von einem Vulkanausbruch überraschen lassen. Bemerkenswert ist, dass die erhöhte Aktivität nun bereits eine Woche am Stück andauert. Es handelt sich um die längste Schwarmbeben-Episode mit Bodenhebung seit Ende der letzten Eruption.

Wie Menschen die Eruptionen auf Island beeinflussen könnten

Betrieb des Geothermalkraftwerks verhärtete den Boden – Beeinflussen Menschen die Eruptionen?

Jeder Eingriff des Menschen in die Natur übt unweigerlich einen Einfluss auf die Geschehnisse der Umwelt aus. So auch auf der isländischen Reykjaneshalbinsel, die seit drei Jahren von 6 Eruptionen und mehreren Gangbildungen heimgesucht wurde. Dabei könnte der Einfluss des Menschen auf das eruptive Verhalten größer sein, als man im Allgemeinen annimmt. Einen offensichtlichen Einfluss nehmen die Befestigungsanlagen, die um die Infrastruktur errichtet wurden. Maßgeblich sind hiermit die Erdwälle zum Schutz von Grindavik und dem Geothermalkraftwerk Svartsengi gemeint, die auch die Blaue Lagune vor Lavaströmen schützen sollen. Dieser Einfluss ist gewollt, obgleich er natürlich einen größeren Einfluss auf die Gegend ausüben könnte als man wünscht. Er verändert den natürlichen Lauf der Lavaströme und übt somit Einfluss auf das Gelände aus, mit unabsehbaren Folgen für spätere Ereignisse.

Viel gravierender könnte aber der unbeabsichtigte und unsichtbare Einfluss sein, den der Betrieb des Geothermalkraftwerks Svartsengi mit sich bringt. Wie Mike Schüler in unserer FB-Gruppe anmerkte, wurde öfters diskutiert, dass die Verpressung großer Mengen Wassers in den Untergrund des Geothermalkraftwerks den Boden verdichtete: Salze und Mineralien zementierten die Lavaschichten, so dass eine besonders feste Gesteinsschicht entstanden ist, die für das aufsteigende Magma undurchdringlich zu sein scheint, obwohl die Schmelze direkt unter dem Gebiet aufsteigt. Zwar ist dadurch das Geothermalkraftwerk geschützt, doch die Schmelze muss zur Seite ausweichen und nimmt wohlmöglich einen anderen Lauf, als es von Natur aus der Fall wäre. Obwohl es bis jetzt kein Gegenstand von Forschungsarbeiten war, könnte sogar nicht ausgeschlossen werden, dass die Gangbildung vom 10. November 2023 diesem Umstand geschuldet war. Ein Großteil der Schäden in Grindavik manifestierte sich im Zuge dieser Gangbildung.

Bodenhebung und Erdbeben gehen weiter

Derweilen hat sich am aktuellen Status quo nicht viel geändert, was heißen soll, dass sich weiterhin Magma unter Svartsengi ansammelt. Nachts gab es 31 Beben entlang des oben erwähnten Gangs.

Vorgestern wurde  von IMO mitgeteilt, dass sich 10 Millionen Kubikmeter Magma seit der letzten Intrusion am 2. März angesammelt haben sollen. Die IMO-Forscher rechnen nach wie vor mit einer anstehenden Eruption, weisen aber auch darauf hin, dass sich das Verhalten des Magmas nicht genau prognostizieren lässt und dass es nicht zwingend weiterhin so regelmäßig zu Ereignissen kommen muss, wie wir es seit November erleben.

Auf einem neuen Interferogramm aus nicht bearbeiteten Rohdaten erkennt man welche Dimensionen die Bodenhebung inzwischen angenommen hat. Interessant ist, dass man hier am Fagradalsfjall keine Hebung erkennen kann, obwohl die GPS-Daten mittlerweile eine Hebung von 45 mm seit Anfang Februar anzeigen.