Island am 19.11.2025: Schwarmbeben bei Reykjanes

Schwarmbeben vor der Südwestspitze von Reykjanes – Mehr als 200 Beben seit gestern Abend

Gestern Abend begann gegen 21:00 UTC ein Schwarmbeben vor der Küste der Westspitze von Reykjanes. Seitdem manifestierten sich mehr als 200 Erschütterungen mit Magnituden kleiner als 3. Die stärkste Magnitude wird mit Mb 2,3 angegeben. Die Erdbebenherde streuen, liegen aber überwiegend vergleichsweise flach, in weniger als 10 km Tiefe. Die Epizentren bilden einen Cluster ca. 6 km südwestlich von Reykjanestá, jenem Ort, der für seinen Leuchtturm bekannt ist.

Island. © IMO

Laut Aussage von IMO-Naturgefahrenspezialistin Bryndís Ýr Gísladóttir gegenüber der Lokalpresse sind Schwarmbeben in dieser Region seit der Reaktivierung der Aktivität auf Reykjanes nicht selten und stellen keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung dar, obgleich die stärksten Erschütterungen in der Region gespürt werden konnten.

Meiner Erfahrung nach kommt es zu stärkeren Schwärmen in diesem Bereich des Reykjanes-Spaltensystems, je näher die Eruption bei Svartsengi rückt, das nur wenige Kilometer vom Reykjanes-System entfernt liegt.

Die Bodenhebung bei Svartsengi schwächte sich in den letzten Tagen leicht ab, geht aber dennoch weiter. Sie hat inzwischen Größen erreicht, die typisch für den Beginn einer neuen Eruption oder Gangintrusion sind. Demnach kann der erwartete Ausbruch nun jederzeit einsetzen, ohne dass es zu weiteren Vorwarnzeichen kommt, wenn man den heutigen Schwarm bei Reykjanestá nicht als solches interpretieren will. Bereits vor den letzten Eruptionen wurde die direkte Vorwarnzeit, die durch den Beginn einer seismischen Krise bei Svartsengi gekennzeichnet war, immer kürzer und lag zuletzt bei deutlich unter einer Stunde. Etwas mehr Zeit verschafft die Beobachtung der Drucksteigerung in Bohrlöchern des Geothermalkraftwerks Svartsengi.

In den letzten Tagen gab es nicht nur Erdbeben auf der Reykjanes-Halbinsel, sondern auch unter dem Mýrdalsjökull mit der Katla und an der westlich gelegenen Hekla. Im Umfeld dieses Vulkans auf Südisland gibt es eine leichte Bodenhebung von ca. 20 mm. Möglich, dass wir hier den übernächsten Ausbruch auf Island sehen werden. Der Aufheizungsprozess der Hekla verläuft typischerweise vergleichsweise still und bereits vereinzelt auftretende Beben gelten als Hinweis hierauf.

Ätna: Bodenverformung bei Pedara

Nach Schwarmbeben unter der Ätna-Südflanke: Bodenverformung von 15 mm bei Pedara

Die Auswirkungen des kleinen Erdbebenschwarms, der sich am 17. November unter der Südflanke des Ätnas südlich des Ortes Pedara ereignete, sind offenbar noch größer als zunächst gedacht und es entstanden Risse im Asphalt von Straßen vor einer Schule bei Tremestieri. Nun bestätigte der Direktor des Ätna-Observatoriums, dass es zu Bodenverformungen von ca. 15 mm kam, von denen der Bereich zwischen der Schule „Madre Teresa di Calcutta“ und der Provinzstraße Tremestieri–Mascalucia am meisten betroffen ist.




Welcher Art die Bodenverformungen genau sind, wurde nicht zur Gänze erklärt. Es ist von einer Verschiebung die Rede und ich gehe davon aus, dass sich der Boden entlang der Tremestieri-Verwerfung hangabwärts bewegte. Die Tremestieri-Verwerfung gilt quasi als Stopper größerer Störungszonen, entlang derer sich die Ostflanke des Ätnas Richtung Meer verschiebt. Die drei stärksten Beben hatten laut INGV-Angaben die Magnituden 2,6, 2,4 und 2,3 und lagen in geringen Tiefen. Eigentlich ist es verwunderlich, dass die Bodenbewegungen nicht stärkere Erschütterungen hervorbrachten. Dabei ist das Phänomen nicht einzigartig: Bereits am 20. April 2008 kam es in der gleichen Region zu einem vergleichbaren Ereignis, bei dem das stärkste Beben Mb 3,2, sogar leichte Gebäudeschäden verursachte.

Interessant ist, dass nur wenige Tage später, am 13. Mai 2008, eine intensive Eruption begann, die mit einem Paroxysmus begann und zur Bildung einer Fraktur am Rand des Valle del Bove führte, aus der mehrere Monate lang ein Lavastrom floss.

Studien zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem langsamen Abgleiten der Ätna-Ostflanke und stärkeren Eruptionen gibt: Beide Phänomene stehen in einer komplexen Wechselwirkung und können sich gegenseitig verstärken, aber auch dämpfen. Es gibt auch Studien, die belegen, dass Magmenaufstieg die Störungszonen aktivieren kann, und so kommt es im Vorfeld stärkerer Eruptionsereignisse nicht selten zu ungewöhnlichen Erdbeben, die im größeren Zeitrahmen betrachtet dann wieder weniger gewöhnlich erscheinen.

Der INGV-Direktor Dr. Stefano Branca meinte jedenfalls, dass sich der Ätna derzeit in einer normalen Phase der Magmazufuhr aus größerer Tiefe befindet. Seiner Meinung nach ist die jüngste seismische Aktivität weder außergewöhnlich noch besorgniserregend und es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt.

Island: Kollaps des Golfstroms befürchtet

The Day after Tomorrow: Island erklärt möglichen Abriss der AMOC als Nationale Bedrohung

Wer erinnert sich nicht an die dramatischen Szenen aus dem Film „The Day after Tomorrow“, als Regisseur Roland Emmerich im Jahr 2004 New York einfrieren ließ? Als Grund für die neue Eiszeit postulierte der Regisseur und Drehbuchautor den Zusammenbruch der AMOC (Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation), einem marinen Strömungssystem im Atlantik, zu dem auch der Golfstrom gehört. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass dieses Szenario im 21. Jahrhundert deutlich wahrscheinlicher wird als man bislang angenommen hat. Was damals vielfach als Vision eines Filmemachers belächelt wurde, könnte bereits in wenigen Jahrzehnten Realität werden. Eine Prognose, auf die Island mit der Deklarierung einer „nationalen Sicherheitsbedrohung“ reagierte. Politiker sprechen von einer „existentiellen Gefahr für Klima und Gesellschaft“.




Das vergleichsweise milde Klima Islands hängt maßgeblich von einem komplexen Netzwerk warmen Wassers ab, das vom Atlantik her Wärme nach Norden transportiert. Ohne diese Strömungen wäre Island – und gesamt Nord- und Mitteleuropa – deutlich kälter und stürmischer, so der isländische Umwelt-, Energie- und Klimaminister Jóhann Páll Jóhannsson. Die AMOC funktioniert dabei wie ein riesiges Förderband: Kaltes Wasser aus der Polarregion fließt in der Tiefe des Atlantiks in den Süden und verursacht einen oberflächennahen Rückstrom warmen Wassers aus den Tropen. Infolge des vermehrten Süßwassereintrags in den Atlantik durch das klimawandelbedingte Schmelzen arktischer Gletscher droht das Förderband der AMOC aus dem Gleichgewicht zu geraten und könnte kollabieren.

Die Wahrscheinlichkeit hierfür wird in neuen Studien als besorgniserregend hoch eingestuft: Sollte wider Erwarten das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht werden, liegt die Wahrscheinlichkeit eines AMOC-Abrisses bei 25%. Doch an ein Erreichen dieser Klimaschutzziele glaubt kaum noch jemand. Verharren die globalen CO₂-Emissionen auf aktuellem Niveau, beträgt sie etwa 37 % und folgen die Emissionen dem derzeitig steigenden Trend, liegt die Wahrscheinlichkeit eines AMOC-Versagens bei rund 70 %. In diesem Jahrhundert wohlgemerkt. Selbst wenn es nicht zu einem vollständigen Abriss der AMOC kommt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Abschwächung sehr groß. Bereits eine signifikante Abschwächung des Warmwasserrückstroms wäre so, als würde man die Heizung Europas zurückdrehen.

Ein Kollaps der AMOC hätte nicht nur für Island gravierende Folgen. Laut Forschenden könnten in Teilen Mitteleuropas die Temperaturen um fünf bis 15 Grad sinken, was eine „moderne Eiszeit“ bedeuten würde. Darüber hinaus drohten massive globale Wetter- und Klimaveränderungen: ein Anstieg des Meeresspiegels an der US- und europäischen Ostküste, Störungen der Monsunsysteme in Afrika und Asien sowie eine mögliche Ausbreitung von Meereis bis nach Großbritannien. Island selbst könnte in eine starke regionale Abkühlung geraten und zeitweise von Meereis umgeben sein.

Im August informierte Minister Jóhannsson die Regierung über neue Forschungsergebnisse, die ernste Zweifel an der Stabilität der AMOC äußerten. Bereits im September stufte der Nationale Sicherheitsrat Islands den möglichen Zusammenbruch erstmals als nationale Sicherheitsbedrohung ein – ein Novum für klimabedingte Risiken im Land. Diese Einstufung fordert nun eine koordinierte und hochrangige Reaktion der Regierung, um Präventions- und Anpassungsstrategien zu entwickeln.

Der Minister warnt eindringlich: „Das Klima könnte sich so drastisch verändern, dass eine Anpassung unmöglich wird.“ Für Island, dessen Wirtschaft stark von der Fischerei abhängt, wäre ein Zusammenbruch ein „existenzielles Risiko“. Auch Mitteleuropa steht vor schweren Herausforderungen, während sich die globale Klimakrise weiter zuspitzt.

Die Auswirkungen einer kleinen Eiszeit wären weltweit spürbar – von zerstörten Ernten bis zu katastrophalen Überschwemmungen. In Deutschland wäre mit einem Klima ähnlich wie auf Kamtschatka zu rechnen: kalte, schneereiche Winter die bis in den Frühling dauern und nur eine kurze Vegetationsperiode während des Hochsommers.

(Quellen der wichtigsten Studien zum potenziellen AMOC-Amok:

Smolders, E. J. V., van Westen, R. M., & Dijkstra, H. A. (2024). Probability estimates of a 21st-century AMOC collapse. arXiv:2406.11738. https://arxiv.org/abs/2406.11738

van Westen, R. M., Vanderborght, E. Y. P., Kliphuis, M., & Dijkstra, H. A. (2024). Substantial risk of 21st century AMOC tipping even under moderate climate change. arXiv:2407.19909. https://arxiv.org/abs/2407.19909

Bellomo, K., Meccia, V., Fabiano, F., D’Agostino, R., Corti, S., & von Hardenberg, J. (2023). Influence of the Atlantic Meridional Overturning Circulation on future climate change impacts. In: Proceedings of the XXVIII General Assembly of the IUGG. Potsdam: GFZ German Research Centre for Geosciences. DOI: 10.57757/IUGG23-0905)