Campi Flegrei: Intensive Erdbebentätigkeit am 19. Oktober

Seismizität der Campi Flegrei bleibt hoch – Nerven der Anwohner liegen blank

In den Campi Flegrei ist die Erdbebenaktivität in den letzten Tagen besonders hoch: Innerhalb von 48 Stunden registrierte das seismische Netzwerk des INGV über 70 Erdbeben unter – oder vielmehr in – der Caldera. Die Anwohner reagieren zunehmend besorgt. Viele wollen einfach nur noch weg.




Campi Flegrei, © EMSC

Das stärkste Beben der letzten 2 Tage hatte eine Magnitude von 2,5. Die Herdtiefe belief sich auf 3000 m. Das Epizentrum wurde nordöstlich des Monte Nuovo lokalisiert. Auf Wochensicht hatten 7 Erdbeben Magnituden ab 2,0. Stärkere Erdbeben über M 3,0 traten in den letzten Tagen nicht auf, aber die schiere Anzahl der Erschütterungen rüttelt nicht nur an der Bausubstanz, sondern auch an den Nerven ihrer Bewohner, die vermehrt fordern, dass die Alarmstufe des Vulkans von „Gelb“ auf „Orange“ angehoben wird, was erste Evakuierungsmaßnahmen erlauben würde.

In den sozialen Medien werden die Kommentare der Bürger, die eine dauerhafte Umsiedlung auf Staatskosten fordern, immer lauter. So kommentierte auf Facebook eine Anwohnerin von Pozzuoli einen Post des INGV, der dazu auffordert, Wahrnehmungsmeldungen der Beben zu machen, folgendermaßen: „Wozu soll das gut sein? Wir hören sie (die Beben) Tag und Nacht, wir wollen doch nur Hilfe.“ Ein anderer Kommentator meinte: „All die verschiedenen Experten aus anderen Ländern warnen vor einer großen Gefahr – nur das INGV scheint mir, gemeinsam mit dem Zivilschutz, die Gefahr herunterzuspielen. Und wenn man die Erklärungen des Bürgermeisters hört, dass beim Anheben der Alarmstufe auf Orange die neapolitanische Wirtschaft zusammenbrechen würde, sieht man, dass sie sich mehr um ihre Geldbörsen kümmern als um das Risiko für ihre Bürger, die fliehen müssten.“ Tatsächlich wird den kommunalen Beamten und besonders dem Bürgermeister auch Korruption vorgeworfen, damit die Alarmstufe nicht angehoben wird.

Sicherlich wäre die Anhebung der Alarmstufe eine folgenschwere Entscheidung, die hohe Kosten mit sich bringt, das soziale Gefüge von Pozzuoli auseinanderreißt und die Wirtschaft noch weiter runterzieht. Und es wollen sicherlich nicht alle Anwohner die Region verlassen. Vor allem Alteingesessene und Hausbesitzer würden im Falle von Zwangsevakuierungen bestimmt nicht mitziehen wollen, insbesondere da nicht klar ist, wie lange eine Evakuierung dauern würde und ob sie Entschädigungen bekommen würden, was ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen kann. Am Ätna wartet man noch heute vergeblich auf Entschädigungen, die vor über 40 Jahren vom Staat versprochen wurden, als es darum ging, vor einem Lavastrom zu fliehen.

Die Situation in den Campi Flegrei ist komplex. Eine zuverlässige Vorhersage – ob und wann es zu stärkeren Erdbeben oder gar einem Vulkanausbruch kommen wird – ist unmöglich zu treffen. Theoretisch kann sich jederzeit ein stärkeres Erdbeben mit einer Magnitude größer 5,0 ereignen, das erste Häuser einstürzen lassen würde. Genauso spontan könnte es zu phreatischen Eruptionen kommen. Ein mittelstarker Ausbruch kann sich innerhalb von Tagen aufbauen, ein starker Vulkanausbruch in wenigen Monaten. Es kann aber auch einfach so weitergehen oder die Aktivität endet.

Ein Kompromiss könnte sein, zunächst Menschen mit Handicap umzusiedeln, die aus eigener Kraft nicht innerhalb kurzer Zeit flüchten können, wozu auch die Verlegung von Altenheimen gehört. Altersschwache und bereits geschädigte Gebäude gehören evakuiert und es müssten erdbebensichere Schutzräume mit Betondächern geschaffen werden, in denen man sich vor einem Vulkanausbruch in Sicherheit bringen kann. Zudem braucht es einen Landungssteg, der weit ins Meer hinausführt, an dem Fähren anlegen können, wenn der Meeresboden weiter ansteigt.