Einsatz künstlicher Intelligenz am Stromboli

Künstliche Intelligenz hört dem Vulkan zu: Wie maschinelles Lernen die Überwachung des Stromboli revolutioniert

Vulkane sprechen – allerdings in einer Sprache, die nur wenige verstehen. Tiefe, langsame Erschütterungen, sogenannte Very-Long-Period-Signale (VLP), entstehen, wenn große Gasblasen im Magma aufsteigen und im Förderschlot eines Vulkans zerplatzen. Diese Signale gelten als wertvolle Hinweise auf das innere „Atmen“ eines Vulkans und können Vorboten gefährlicher Aktivitätsphasen sein. Doch ihre Auswertung ist aufwendig, zeitintensiv und bislang stark von menschlicher Expertise abhängig. Eine neue INGV-Studie, veröffentlicht in Scientific Reports, zeigt nun, wie künstliche Intelligenz diese Aufgabe übernehmen und die Vulkanüberwachung entscheidend verbessern kann.



Messstationen

Im Zentrum der Untersuchung steht der italienische Dauerbrenner Stromboli. Der Inselvulkan im Tyrrhenischen Meer nördlich von Sizilien ist einer der aktivsten und am besten überwachten Vulkane der Welt. Mit seiner nahezu permanenten Aktivität produziert er im Durchschnitt fünf bis zwölf VLP-Ereignisse pro Stunde und eignet sich damit ideal als natürliches Labor. Die Forschenden entwickelten ein automatisiertes System, das seismische Daten nahezu in Echtzeit analysiert und VLP-Signale selbst in starkem Hintergrundrauschen zuverlässig erkennt.

Der Ansatz kombiniert klassische seismologische Parameter mit modernen Methoden des maschinellen Lernens. Analysiert werden unter anderem die Amplituden der drei Bewegungsrichtungen seismischer Wellen, ihre Polarisation sowie ihr spektraler Inhalt. Auf dieser Basis lernt der Algorithmus selbstständig, welche Signalmerkmale typisch für VLP-Ereignisse sind und passt seine Erkennungsschwellen automatisch an. Das Ziel: möglichst viele relevante Signale erfassen, ohne von Fehlalarmen überflutet zu werden.

Wie gut das funktioniert, zeigt der Vergleich mit einem von Geowissenschaftlern manuell erstellten Referenzkatalog. Über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren (2009–2024) reproduziert das automatische System die langfristigen Trends der VLP-Aktivität auf Stromboli nahezu deckungsgleich. Besonders aufschlussreich ist der Blick auf den Ausbruch von 2014: Bereits Monate vor Beginn der effusiven Phase registrierte der Algorithmus einen deutlichen Anstieg der VLP-Ereignisrate. Ein Muster, das auch aus früheren Beobachtungen bekannt ist.

Die Bedeutung dieser Ergebnisse reicht über den Stromboli hinaus. VLP-Signale stehen im Zusammenhang mit Gastransport im Untergrund, der wiederum entscheidend für das Ausbruchsverhalten eines Vulkans ist. Ein automatisches, zuverlässiges System zur Erfassung dieser Signale könnte daher wertvolle Zeit verschaffen, um auf gefährliche Entwicklungen zu reagieren. Gerade an Vulkanen mit offenem Fördersystem, an denen sich Aktivitätsänderungen schnell vollziehen können, ist das ein großer Vorteil.

Die Studienautoren betonen jedoch, dass künstliche Intelligenz die Arbeit von Seismologen nicht ersetzen soll. Vielmehr versteht sich das System als unterstützendes Werkzeug, das große Datenmengen kontinuierlich auswertet und Fachleute auf auffällige Veränderungen aufmerksam macht. Gleichzeitig entsteht mit dem automatisch generierten VLP-Katalog eine umfangreiche Datenbasis, die künftig auch für weitere KI-Modelle genutzt werden kann.

Die Studie markiert damit einen wichtigen Schritt hin zu einer moderneren, stärker automatisierten Vulkanüberwachung – und zeigt, dass Maschinen inzwischen gelernt haben, den leisen, tiefen Stimmen der Vulkane zuzuhören.

Quellen: Di Stefano, R., et al. (2025): A near real-time framework for monitoring very-long-period signals at volcanoes. Scientific Reports, Nature Portfolio. DOI: 10.1038/s41598-025-25636-7 (Lizenz der CC) & Pressetext INGV