
Studie attestiert den Campi Flegrei Erdbeben durch Druckentlastung im Gasspeicher
Eine weitere Studie eines Forscherteams aus Italien und Österreich befasste sich mit der Suche nach dem Auslöser der Erdbeben in den Campi Flegrei und erstellte mit einer hochauflösenden seismischen Tomografie ein verfeinertes Modell des Untergrunds der Caldera. Dabei wurden neue Einzelheiten über deren strukturellen Aufbau enthüllt.
Das Verfahren der seismischen Tomografie ist nicht neu und wurde im Rahmen der Berichterstattung auf Vnet schon hinlänglich beschrieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Auswertung tausender Erdbeben in einem Gebiet Rückschlüsse über dessen Untergrundstrukturen zulässt – unterschiedliche Gesteinsschichten, aber auch Störungen und Speicherreservoire von Fluiden können mit Hilfe von Bildgebungsverfahren sichtbar gemacht werden. Das Herzstück der seismischen Tomografie ist der Umstand, dass die Geschwindigkeit von Erdbebenwellen abhängig von dem Medium ist, das sie durchlaufen. Laufzeitunterschiede der Erdbebenwellen geben somit Informationen über den Untergrund preis. Damit das funktioniert, ist ein dichtes Geofon-Netzwerk erforderlich, wobei fest installierte Geräte durch mobile Einheiten ergänzt werden können.
Konkret entwickelten die Forscher um De Landro (Uni Neapel) und Muzellec (Uni Wien) eine Methode, ein besonders hochauflösendes Modell des Untergrunds der Campi Flegrei zu entwickeln, indem die Laufzeitunterschiede von P- und S‑Wellen analysiert wurden. Zudem bestätigten sie ihre Theorien durch geophysikalische Modellversuche an Gesteinsproben.
Im Wesentlichen wurde zunächst der bereits bekannte Aufbau des Untergrunds der Caldera bestätigt und mit genaueren Angaben verfeinert. Demnach gibt es drei große Einheiten im Untergrund der Caldera:

- In 1 bis 2 Kilometern Tiefe liegt eine Deckgesteinsschicht, die ein Fluidreservoir nach oben abdichtet.
- Das Reservoir befindet sich in einer Tief von 2 bis 3,5 Kilometern Tiefe unterhalb des Solfatara-Gebiets und Rione Terra nahe dem Hafen von Pozzuoli.
- Unterhalb von 3,5 Kilometern Tiefe befindet sich ein Grundgebirge aus marinen Kalkgesteinen.
Zudem gibt es signifikante tektonische Störungszonen, die zum einen radial im Randbereich der Caldera verlaufen und im Zentralbereich des Solfatara-Kraters einen Aufstiegskanal für Fluide bilden. Spuren von Magmataschen, wie sie in mehreren anderen Studien jüngeren Datums postuliert wurden, konnten die Forscher in ihren seismisch erzeugten Bildern bis in einer Tiefe von 4 Kilometern nicht entdecken.
Die Studienautoren attestierten den Campi Flegrei ein weiterhin anhaltendes erhöhtes Risiko stärkerer Erdbeben und halten die Gefahr phreatischer Explosionen für real. Magmatisch bedingte Vulkanausbrüche halten sie hingegen kurz- und mittelfristig für wenig wahrscheinlich.
Diskussion der Studienergebnisse
Die Erdbeben in den Campi Flegrei sollen in erster Linie durch Druckentlastung entstehen, wenn sich der Druck im Fluidspeichersystem abbaut. Zunächst werden schwache Erdbeben in geringen Tiefen erzeugt, dann, bei einer Beschleunigung der Druckentlastung, werden nach Meinung der Forscher stärkere Erdbeben in größeren Tiefen unterhalb des Speichersystems generiert, wenn sich das Spannungsregime in Folge der Druckentlastung ändert und tiefer hinabreichende Störungszonen im Randbereich der Caldera aktiviert werden.
Die jüngsten seismischen Schwärme mit den beiden starken Erdbeben Md 4,6 und Md 4,4 finden in der Studie offenbar keine Berücksichtigung, denn diese Beben manifestierten sich nicht an den Störungszonen, die die Caldera begrenzen, sondern eher im Gebiet der westlichen Gasspeicher-Randzone. Doch auch hier könnten Störungszonen verlaufen.
Dass es vor den Phasen mit starken Erdbebenschwärmen tatsächlich zu vermehrter Entgasung kommen könnte, zeigte bereits eine im März veröffentlichte Entdeckung, dass es wenige Tage vor diesen Ereignissen zu einem erhöhten Wärmefluss im Bereich der Solfatara kommt. Dieser könnte mit einem verstärkten Gasfluss einhergehen, den man auch einfach nachweisen können sollte. Unerklärt bleibt, warum sich im Zuge mehrerer starker Erdbebenschwärme die Bodenhebung tatsächlich beschleunigte, denn wenn man von einer Druckentlastung als Trigger der Erdbeben ausgeht, sollte sich die Hebung ja entschleunigen, während eine Beschleunigung der Hebung eher ein Indiz für eine Druckerhöhung im System ist. (Quelle der Studie: nature.com)