Erste Straßensperrung auf Reykjanes

Erdbebentätigkeit rückläufig, trotzdem erste Straßensperrung bei Svartsengi

Seit dem starken Erdbebenschub gestern hat die Schwarmbebentätigkeit etwas nachgelassen, dennoch wurden letzte Nacht mehr als 200 schwache Beben registriert. Die stärksten Erschütterungen hatten Magnituden im Zweierbereich. Neben Erdbeben im bekannten Gebiet von Svartsengi bebte es auch in dem weiter östlich gelegenen Hengil-Spaltensystem. Die Magnitude des starken Erdbebens gestern wurde von M 5,0 auf M 4,8 herabgestuft.

Obwohl das Erdbeben etwas schwächer war als zuerst angegeben, wurde gestern sichtbar, dass es leichte Schäden an einigen Häusern nahe des Epizentrums verursachte: es kam zu Rissbildungen im Mauerwerk einiger Gebäude. Risse bildeten sich auch auf Straßen und in der isländischen Zeitung MBL wurde ein Foto einer kleineren Bodensenkung veröffentlicht.

Der Zivilschutz ordnete die Sperrung einer Straße an, die in Grindavik als Nordlichtroute bekannt ist. Es handelt sich um eine Schotterpiste, die nördlich von Grindavik in Richtung Westen abzweigt, am Thorbjörn vorbeiführt und nördlich des Svartsengikraftwerks wieder in die Hauptstraße mündet. Mitarbeiter des Geothermalkraftwerks dürfen die Straße noch passieren. Als Grund für die Sperrung wird die erhöhte Erdbebenaktivität angegeben, aber es ist klar, dass man hier auch Vulkanspotter fernhalten will, denn der Weg führt am Rand des Gebiets mit der größten Bodenhebung entlang und könnte im Falle einer Eruption ziemlich nahe an eine mögliche Eruptionsstelle führen.

Gesperrt wurde nach dem Desaster gestern auch das Thermalbad Blaue Lagune. Es soll für mindestens eine Woche geschlossen bleiben. Nach dem Erdbeben versuchten gut 40 Gäste des angeschlossenen Hotels zu fliehen, was allerdings nur wenigen gelang, da keine Transportmittel zur Verfügung standen.

Derweilen gibt es immer noch keine neuen GPS-Messungen zur Bodenhebung in dem betroffenen Areal. Gut möglich, dass der starke Erdstoß da einiges durcheinander brachte. Die nächstgelegenen GPS-Stationen im Süden Islands zeigen eine Bodenhebung von mehr als 20 cm. Möglich, dass hier neu geeicht werden muss.

In dem Gebiet der stärksten Bodenhebung installieren IMO-Techniker mobile Messinstrumente, um engmaschiger überwachen zu können und genauere Daten zu erhalten.

Erdbeben M 5,0 erschüttert Island am 09.11.2023

Stärkstes Erdbeben der Serie auf Reykjanes manifestiert sich nahe Grindavik

Gäste fliehen nachts aus Hotel der Blauen Lagune

Datum 09.11.23 | Zeit: 00:46:06 UTC | Lokation: 63.864 ; -22.454 | Tiefe: 2,5 km | Mb 5,0

Heute Nacht hat sich um 00:46 UTC das stärkste Beben der aktuellen Hebungsphase ereignet. Es hatte eine Magnitude von 5,0 und einen Erdbebenherd in nur 2,5 km Tiefe. Das Epizentrum wurde 2.8 km nord-nordwestlich von Grindavík verortet. Damit lag der Erdstoß direkt vor den Stadttoren und dürfte die Menschen aus dem Schlaf gerissen haben. Außerdem lag es sehr flach und könnte ein Anzeichen dafür gewesen sein, dass Magma weiter Richtung Erdoberfläche migriert.

Aus dem Schlaf gerissen wurden auch die Gäste des Hotels der Blauen Lagune, die teilweise nachts in Panik flüchteten. Allerdings kamen bei weitem nicht alle weg, da viele der Gäste keinen eigenen Wagen zur Verfügung hatten. So wurden Taxen bestellt, von denen es aber auch nicht genug gab. In lokalen Medien heißt es, dass etwa 40 Personen das Hotel verlassen wollten, aber nur wenigen gelang es. Außerdem waren Steine auf die Straße zum Hotel gefallen. Sie stammten aus hohen Lavawällen am Straßenrand. Es könnte halt doch ein wenig beunruhigen, wenn man weiß, dass sich in 4-5 km unter einem Magma ansammelt und auf seinen Ausbruch wartet. Was mich verwundert ist, wie man die Leute im Notfall evakuieren möchte, wenn an der Blauen Lagune keine Busse zur Verfügung stehen? Man kann nicht zwingend davon ausgehen, dass man Stunden Zeit hat, um Busse zu rufen, wenn das Magma final aufsteigt!

Ich plädiere ja immer für Eigenverantwortung (zu der meiner Meinung nach auch gehört, sich selbst zu überlegen, wie man im Notfall evakuieren kann), aber irgendwann ist natürlich der Zeitpunkt gekommen, wo die Behörden überlegen müssen, ob es nicht im allgemeinen Interesse ist, Sperrungen und Evakuierungen anzuordnen. Die Erfahrung zeigt ja, dass Geschäftsleute ihr Glück oft bis zum geht nicht mehr ausreizen und Geld verdienen wollen und natürlich teilweise auch müssen, da so eine Anlage ja hohe laufende Kosten hat und die Angestellten bezahlt werden müssen. Viele Touristen kommen zu dieser Jahreszeit nach Island, einzig um in der Lagune zu Baden und Polarlichter zu gucken, oft auf einen Zwischenstopp auf einem Transatlantikflug. Naja, wahrscheinlich kommen sie dann bald auch wieder, um einen Vulkanausbruch zu bewundern.

Natürlich blieb es nicht bei dem Erdbeben Mb 5,0, denn es war Teil eines neuen Erdbebenschubs innerhalb des anhaltenden Schwarmbebens, das am 25. Oktober begann. Es gab auch mehrere Erdbeben mit Magnituden im Vierer- und Dreierbereich. Insgesamt wurden 28 Beben mit Magnituden ab 3 detektiert. Der Schub dürfte sich aus ca. 800 Einzelbeben zusammensetzen. Seit Beginn des Erdbebenschwarms wurden fast 29.000 Erschütterungen detektiert. Man kann davon ausgehen, dass die Bodenhebung, die gestern Abend bis zu 10 cm betrug, anhält. Ein Update gibt es, wenn neue Messwerte vorliegen.

Island am 08.11.23: Bodenhebung hält weiter an

Seismizität und Bodenhebung auf Reykjanes halten an

In den letzten 24 Stunden hielten Seismizität und Bodenhebung auf Reykjanes weiter an, und es wurden innerhalb von 24 Stunden etwa 1200 Beben registriert. Auffallend ist eine leichte Verlagerung der Bebentätigkeit in östlicher Richtung und damit in Richtung Fagradalsfjall. Der Boden hebt sich im Gebiet des Thorbjörn-Vulkans rasant an. Die Hebung hat am Vulkan mittlerweile gut 9,5 cm erreicht. Auch an den Messstationen Eldvörp, Grindavik und Svartsengi gibt es signifikante Bodenhebungen. Tatsächlich sticht die Messstation SKSH heraus, denn bei Skipastigshraun hob sich der Boden bereits um 10 cm. Dieses Areal liegt in der Mitte des Dreiecks, das von den vorher genannten Stationen aufgespannt wird. Somit lässt sich der Ort der maximalen Bodenhebung gut lokalisieren, aber ob es dort dann letztendlich auch zu dem erwarteten Vulkanausbruch kommen wird, ist noch ungewiss.

Auffallend ist, dass es praktisch keine Erdbeben in größeren Tiefen gibt. Die meisten Erschütterungen ereignen sich im Bereich der Magmen-Akkumulation in 4 bis 5 km Tiefe. Daher gingen die Wissenschaftler zunächst wahrscheinlich davon aus, dass es sich bei den Erdbeben um Spannungsbeben handelt. Bei anderen bedeutenden Eruptionen, wie etwa auf La Palma, ließ sich die Spur des aufsteigenden Magmas bis in größere Tiefen von gut 20 km verfolgen. Das lässt die Überlegungen zu, dass die Aufstiegswege aus den größeren Tiefen unter Island frei sind, sodass die aufsteigende Schmelze keine Gesteine brechen muss.  Ein anderer Gedanke ist, dass das Magma nicht frisch aus der Tiefe aufsteigt, sondern aus Richtung Fagradalsfjall horizontal migriert. Hierfür spricht die Tatsache, dass die GPS-Stationen im Westen weiter eine leichte Subsidenz messen. Ganz schlüssig sind diese Überlegungen nicht, denn die Subsidenz beträgt nur ein Bruchteil der Inflation im Bereich von Thorbjörn. Außerdem ist auffällig, dass am Fagradalsfjall zwar Subsidenz gemessen wird, aber dass der horizontale Versatz weiterhin hoch ist, so wie es vor den letzten beiden Eruptionen dort der Fall gewesen ist.

Einstweilen wurde bekannt, dass die erste Reiseagentur ihre Fahrten zur Blauen Lagune aus Sicherheitsbedenken eingestellt hat, während der Badebetrieb aber aufrechterhalten wird.

Apropos Sicherheit und Vulkantourismus: Letzte Woche wurde tatsächlich die Betreiberfirma des Tourismus auf der neuseeländischen Vulkaninsel White Island auf schuldig gesprochen. Das Strafmaß steht noch aus. Wir erinnern uns: Im Dezember 2019 kam es zu einer größeren Explosion, der 22 Menschen zu Opfer gefallen sind. Die Touristen wurden mit Booten auf die Insel gebracht, obwohl der Vulkan Tage vorher Anzeichen vulkanischer Unruhe zeigte. Die Explosion selbst kam ohne explizite Vorwarnung!

Island: Sorge um Geothermalkraftwerk Svartsengi

Die Erdbebentätigkeit auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel hat im Vergleich zur letzten Woche nachgelassen, ist aber immer noch signifikant erhöht. Heute Morgen manifestierte sich ein weiterer Schub des Schwarmbebens, doch keines der Beben hatte eine Magnitude von 3 oder mehr. Die Bodenhebung in dem bekannten Bereich um den Thorbjörn-Vulkan bleibt indes auf hohem Niveau und steigt weiter rasant an. Inzwischen liegt sie bei gut 8 cm. Entsprechend besorgt sich die Verantwortlichen auf Island, dass es tatsächlich in dem Areal zu einem Vulkanausbruch kommen könnte.

Potenzieller Vulkanausbruch auf Reykjanes könnte Geothermalkraftwerk gefährden

Gestern trafen sich Mitarbeiter von IMO, dem Zivilschutz, den Kraftwerksbetreibern und Journalisten zu einer Konferenz. Kristín Jónsdóttir, die Leiterin der Überwachung von Naturkatastrophen beim isländischen Wetteramt, gab bekannt, dass bis gestern ca. sechs Millionen Kubikmeter Lava in den Untergrund intrudierten. Die Schmelze bildet eine horizontal liegende Schicht oder Bank von ca. 1 Meter Mächtigkeit und unterscheidet sich von den Magmenkörpern, die unter dem Fagradalsfjall eingedrungen waren, dadurch, dass diese vertikale Gänge bildeten. Im Gegensatz zu den Gängen unter dem Fagradalsfjall können diese Magmabänke ein größeres Volumen annehmen, bevor es zur Eruption kommt.

Auf der Konferenz wurde nicht nur der Notfallplan für die Grindavik-Evakuierung diskutiert, sondern auch überlegt, welche Maßnahmen man zum Schutz des Geothermalkraftwerks Svartsengi treffen könnte. Offenbar gibt es Überlegungen, zusätzliches Wasser durch die Bohrungen des Kraftwerks zu injizieren, damit sich aufsteigende Schmelze noch im Erdboden abkühlt. Eine andere Idee ist es, im Falle einer Eruption Lavaströme mit Wasser zu kühlen und Wälle zu errichten, um Lavaströme vom Kraftwerk fernzuhalten.

Svartsengi ist zwar nur eins von sieben Geothermalkraftwerken, aber es ist eines der wichtigsten, da es die Hauptstadtregion mit Strom und Wärme versorgt. Ein Ausfall des Kraftwerks wäre fatal und es käme sehr wahrscheinlich zu Stromausfällen. Im Winter wäre auch eine ausbleibende Warmwasserversorgung für die Menschen ungünstig. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig redundante bzw. Ersatzsysteme in der kritischen Infrastruktur sind.

Island und Reykjanes – Update vom 06.11.23

Schwarmbeben hat nachgelassen- Bodenhebung unter Thorbjörn nimmt weiter zu

In den letzten 24 Stunden hat die Erdbebentätigkeit auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel nachgelassen, dennoch ist sie noch deutlich erhöht. Seit gestern Morgen haben sich gut 2000 Erschütterungen ereignen. Drei Erdbeben hatten über Magnituden über 3. Seit Beginn der massiven Schwarmbebentätigkeit am 25. Oktober waren es fast 19.000 Beben. Die Erdbeben sind Zeugnis eine massive Magmenintrusion unter Reykjanes und Modelle zeigen, dass es mehrere Intrusionen auf verschiedenen Höhenniveaus gegeben hat. Teilweise migrieren diese Gänge nun horizontal. Von daher ist es spekulativ, jetzt zu versuchen, einen potenziellen Ausbruchsort zu lokalisieren. Natürlich macht man es trotzdem und zuletzt haben sich die Augen auf den Bereich zwischen Thorsbjörn und Eldvörp gerichtet, weil hier aktuell die Bodenhebung mit 75 mm am höchsten ist. Tatsächlich verhielt es sich 2022 vor der Meradalir-Eruption ähnlich. Allerdings schreiben die Forscher von IMO, dass Daten, die seit dem 27. Oktober gesammelt wurden, zeigen, dass die mit diesem Inflationsereignis verbundene Volumenänderung fast das Doppelte der Volumenänderung erreicht hat, die mit den vier vorherigen Inflationsereignissen in derselben Region zwischen 2020 und 2022 verbunden war. Der Zufluss von Magma bzw. magmatischen Fluiden in den schwellenartigen Körper wird auf etwa 7 m3/s geschätzt, was etwa viermal größer ist als der höchste geschätzte Zufluss bei früheren Inflationsereignissen hier. Während die Inflation anhält, ist aufgrund zusätzlicher Spannungsänderungen in der Kruste mit einer erhöhten Seismizität in der Region zu rechnen.

Das Eldvörp-System

Da sich die Augen nun vom Fagradalsfjall abgewendet haben -obwohl ich nicht sicher bin, ob wir hier nicht doch noch einen Ausbruch sehen werden- und dem Eldvörp zugewendet haben, muss ich ein paar Worte zu diesem Spaltensystem verlieren: Bei Eldvörp handelt es sich um ein 10 Kilometer langes Spaltensystem westlich vom Thorbjörn, der während der Eiszeit unter der Gletscherbedeckung entstand. Ganz so lange ist die letzte Eruption im Bereich von Eldvörp noch nicht her, denn hier trat zuletzt im 13. Jahrhundert Lava aus. Insgesamt stammen drei große Lavafelder in diesem Teil Reykjanes aus dem Spaltensystem, von dem manche sagen, es wäre sogar 30 km lang. Bei diesen Lavafeldern handelt es sich um Stampahraun, Illahraun und Arnarseturshraun. Auch der Thorbjörn und der benachbarte Sýlingafell stehen mit dem Spaltensystem in Verbindung.

Island am 05.11.23: Seismische Aktivität weiterhin hoch

Nach leichtem Rückgang gestern folgt heute eine neue Intensivierung des Schwarmbebens

Datum 05.11.23 | Zeit: 05:45:18 UTC | Lokation: 63.876 ; -22.544  | Tiefe: 3,1 km | Md 4,2

Gestern ließ die Erdbebentätigkeit unter der isländischen Reykjanes-Halbinsel nach, nur um heute Morgen dann erneut mit einem Erdbebenschub durchzustarten. Kurz vor 5 Uhr begann die signifikante Aktivitätssteigerung und Hunderte, wenn nicht sogar mehr als tausend Erschütterungen manifestierten sich seitdem. Die Beben streuten über einen großen Bereich im südwestlichen Island und erfassten auch das Reykjanes-Ridge. Das stärkste Beben hatte eine Magnitude von 4,2 und ein Hypozentrum in 3,1 km Tiefe. Damit lag es flacher als die meisten anderen stärkeren Erdbeben. Möglicherweise strebt das Magma vom Gang aus bereits gen Oberfläche. Der Erdstoß wurde 6,5 km nordwestlich von Grindavík verortet, also in jenem Bereich der Ebene südwestlich von Svartsengi, unter der sich das meiste Magma zu akkumulieren scheint. Die stärkste Bodendeformation wird aktuell an der Messstation SKSH gemessen: Innerhalb weniger Stunden hob sich der Boden um gut 10 mm. Insgesamt beträgt die Bodenhebung hier fast 80 mm. Auch an der weiter westlich gelegenen Messstation ELDC hob sich der Boden besonders stark an.

Generell scheint sich die Magmenintrusion weiter in Richtung Westen zu verlagern. Aber auch die Deflation an den östlich gelegenen Messstationen am Fagradalsfjall stoppte und es deutet sich bereits wieder eine leichte Inflation an. Die starke Bodenhebung lässt befürchten, dass es diesmal im Bereich von Svartsengi und der Blauen Lagune zu einer Eruption kommen könnte. Andererseits gab es in dem Areal bereits öfters Schwarmbeben nebst Bodenhebung, ohne dass es dort zu einer Eruption gekommen wäre. Diese fand dann ausschließlich im Bereich des Fagradalsfjalls statt. Ob, wann, wo die Schmelze letztendlich austreten wird, ist ungewiss und lässt sich (noch) nicht prognostizieren. Generell halte ich eine weitere Eruption auf der Reykjanes-Halbinsel allerdings für wahrscheinlich.

Chemisch differenziertes Magma könnte mehr Gas enthalten und explosiver gefördert werden

Wie schwer eine realistische Einschätzung der Lage ist, zeigt ein Interview mit dem isländischen Vulkanologen Þorvaldur Þórðarson bei MBL, der bereits am Freitag sagte, es sei wahrscheinlich eher eine Frage von Stunden, bestenfalls Tagen, bis es zu einer Eruption kommen könnte. Seiner Einschätzung nach könnte ein Ausbruch bei Svartsenig anders verlaufen, als es bei den letzten beiden Eruptionen der Fall war, denn das frisch aufsteigende Magma könnte sich mit der Schmelze der vorangegangen Intrusionen mischen, die schon mehr Zeit hatte, sich chemisch zu verändern. Dadurch könnte das Magma mehr Gas enthalten und wieder in großen Lavajets (Fontänen) eruptiert werden, so wie wir es in der zweiten Eruptionsphase der ersten Fagradalsfjall-Eruption gesehen haben. In welche Richtung sich die Lavaströme bewegen würden, lässt sich jetzt noch nicht sagen, denn die größte Magmenakkumlation befindet sich nahe der Wasserscheide auf Reykjanes. Ein Szenario ist aber, dass sich die Schmelze auf Grindavik zubewegen könnte. Man rechnet aber damit, dass genug Zeit zur Evakuierung der Gemeinde bleiben würde.

Island: Schwarmbeben auf Reykjanes legt weiter zu

Schwarmbeben auf isländischer Reykjanes-Halbinsel strebt neuem Höhepunkt entgegen

Datum 13:14:07 | Zeit: 06:26:37 UTC | Lokation:  63.879  ; -22.412 | Tiefe: 4,2 km | Md 4,1

Heute Mittag intensivierte sich das Schwarmbeben unter der isländischen Reykjanes-Halbinsel weiter. Die Beben streuten in einem großen Bereich, was typisch für eine starke Magmenintrusion ist. Um 13:14 UTC ereignete sich ein Erdbeben M 4,1. Zunächst wurde es mit einer Magnitude 4,7 eingestuft, was später korrigiert wurde. Inzwischen gibt es neue Messwerte der GPS-Stationen: Während im Bereich des Fagradalsfjalls eine deutliche Deflation angezeigt wird, hebt sich der Boden an den Stationen Svartsengi, Thorbjörn und Grindavik beeindruckend schnell. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es eine seitwärts gerichtete Migration des Magmas gibt. Eine horizontale Verschiebung wird jetzt auch an der Messstation NAMC festgestellt, die sich auf halben Weg zwischen Grindavik und dem Flughafen Keflavik befindet. Insgesamt ergibt sich ein Bild, wie wenige Tage vor den letzten Eruptionen, und man kann nicht ausschließen, dass ein Vulkanausbruch schneller kommt, als wir bislang angenommen haben. Nicht zu unterschätzen ist der Umstand, dass sich in den Areal bereits zuvor Schmelze ansammelte und diese Zeit hatte im Untergrund zu reifen.

Natürlich ist man auf Island besorgt, dass eine Eruption die wichtige Infrastruktur des Geothermalkraftwerks und der Blauen Lagune zerstören könnte. Entsprechend warm laufen sich die Verantwortlichen und natürlich auch die Medien. So wurde heute in der Zeitung MBL der Geophysiker Ármann Höskuldsson interviewt, der sagte, so eine starke Bodenhebung könne nur von Magma verursacht werden. Andere magmatische Fluide wie Thermalwasser oder Gas wären dazu nicht in der Lage. Damit reagierte er auf eine Hypothese von Geowissenschaftler Ólafur Flóvenz, der vorschlug, dass die Bodenhebung durch Gas verursacht werden könnte. Ármann Höskuldsson meinte, dass man es leider in den letzten Jahren versäumt hätte, das Gebiet mittels Gravemetrie zu kartieren, denn dann könnte man nun mit Schweremessungen den Weg der Schmelze und die genauen Orte ihrer Ansammlungen ermitteln. Doch dazu bedarf es zahlreicher Referenzwerte, die man nun einmal nicht habe. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig Grundlagenforschung in Vulkangebieten ist, wobei es mich wundert, dass man daran früher offenbar nicht gedacht hat, denn das Gebiet mit der systemrelevanten Infrastruktur ist für die isländische Wirtschaft besonders wichtig.

Heute gab es auch eine Kabinettssitzung der Regierung, in der eine mögliche Eruption thematisiert wurde. Die Regierung entwickelt Pläne, der Bevölkerung in Grindavik bei einem möglichen Cut der Stromversorgung Generatoren zur Verfügung zu stellen.

Schwarmbeben auf Island intensivierte sich am 03.11.23

Signifikante Zunahme der Erdbebenaktivität auf Reykjanes

Sorge vor Vulkanausbruch unter der Blauen Lagune steigt

Datum 03.11.23 | Zeit: 03:51:22 UTC | Lokation: 63.882 ; -22.474 | Tiefe: 4,7 km | Md 4,2

Auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel intensivierte sich der Erdbebenschwarm signifikant. Er konzentrierte sich auf den Bereich nordwestlich von Thorbjörn, in dem die Bodenhebung am größten ist. Die genaue Anzahl der Beben wurde bis jetzt nicht kommuniziert, aber in den Tabellen von IMO werden 528 Erschütterungen angezeigt, die sich innerhalb der letzten 2 Tage manifestierten. Die tatsächliche Anzahl wird aber deutlich höher sein und im vierstelligen Bereich liegen. Es wurden 19 Beben mit Magnituden größer 3 festgestellt. Zwei Beben hatten die Magnituden 4,2 und 4,1. Während das Hypozentrum des stärkeren Bebens in 4,7 km Tiefe lag, befand sich der Erdbebenherd des zweiten Bebens in nur 500 m Tiefe. Zudem lag es nur 3 km von Grindavik entfernt. Generell ist in den letzten Stunden zu beobachten gewesen, dass sie die Hypozentren weiter in Richtung Oberfläche verlagerten. Auffällig ist, dass es während des Schwarms nur wenige Erdbeben in größeren Tiefen kam, daher ist es nicht klar zu bestimmen, von wo aus die Schmelze aufsteigt. Den Wissenschaftlern stellt sich die Frage, ob es senkrecht aufsteigt und von einer tiefen Magmenquelle unterhalb des Gebiets mit der Bodenhebung gespeist wird, oder ob es Diagonal migriert und von dem 10 km tief gelegenen Magmenkörper unter dem Fagradalsfjall stammt, der sich dort bereits seit Ende der letzten Eruption etablierte.

Blaue Lagune und Geothermalkraftwerk bedroht

Mittlerweile sammelt sich immer mehr Schmelze direkt unter der Blauen Lagune an und es stellt sich natürlich die Frage, was passiert, wenn es ausgerechnet dort zu einem Vulkanausbruch kommen sollte. Das Becken der Lagune wurde künstlich abgedichtet, aber in dem Areal gibt es eine große Ansammlung von Grundwasser, im Gegensatz zum Areal des Fagradalsfjalls. Sollte Schmelze hier final aufsteigen, kommt sie unweigerlich mit dem Grundwasser in Kontakt, was besonders im Anfangsstadium der Eruption phreatomagmatische Explosionen verursachen würde.

Wie isländische Medien berichten, gab es gestern eine Bürgerversammlung in der Sporthalle von Grindavik. Vertreter von IMO und dem Zivilschutz stellten sich den Fragen der Bürger und sprachen über die neusten Forschungsergebnisse. Wie ich letztens geschrieben habe, arbeiteten die Vulkanologen an einem Modell der Geschehnisse im Untergrund und entwickelten auch Vorhersagemodelle zur Richtung der Lavaströme. Sollte es im Bereich der Blauen Lagune zu einer effusiven Eruption kommen. In diesem Fall könnten Lavaströme innerhalb weniger Tage Grindavik erreichen.

Die Leiterin der IMO-Abteilung für Vulkanausbrüche und Erdbeben, Kristín Jónsdóttir, erzählte, dass von Krýsuvík bis Reykjanestá Anzeichen von Landhebung zu sehen seien. Die Situation ist ähnlich wie vor den vergangenen Ausbrüchen, nur dass sich die Bodenhebung schneller entwickelt.

Apropos Bodenhebung: Auf der öffentlich zugänglichen Seite der GPS-Messungen gibt es heute keine neuen grünen Punkte, die aktuelle Messungen anzeigen. Stay tuned!

Widersprüchliche Nachrichten zur Bodenhebung auf Island

Hebt sie sich oder hebt sie sich nicht?

Heute wurden zwei widersprüchliche Nachrichten zu den Geschehnissen verbreitet. Sie drehen sich um die Landhebung westlich des Thorbjörn-Vulkans beim Thermalgebiet Svartsengi. IMO veröffentlichte eine Analyse der Daten, in der die Forscher zum Schluss kommen, dass die Bodenhebung in einem ähnlichen Tempo wie in den letzten Tagen vonstatten geht. Diese Schlussfolgerung wird von der Tatsache gestützt, dass die Seismizität weiterhin hoch ist. Täglich manifestieren sich hunderte Erdbeben auf Reykjanes, von denen sich die meisten in dem Gebiet mit der Bodenhebung ereignen. Das stärkste Beben heute Nacht hatte eine Magnitude von 3,7. Dennoch hat sich die Intensität des Schwarms etwas abgeschwächt. Insbesondere gab es deutlich weniger Erdbeben mit Magnituden ab 3.

In der FB-Gruppe „Eldfjalla- og náttúruvárhópur Suðurlands“ (Südland Vulkan- und Naturgefahrengruppe) wurde ein Bericht veröffentlicht, nachdem sich die Bodenhebung deutlich verlangsamt hat, bzw. sogar stoppte und rückläufig ist. Sprich, der Boden soll sich wieder etwas absenken. Tatsächlich zeigen die GPS-Messstationen im Bereich von Svartsengi und am Fagradalsfjall, dass die Bodenhebung offenbar den Rückwärtsgang eingelegt hat. Es gibt aber 2 relevante Ausnahmen: an der Thorbjörn-Messtation und bei Grindavik legten die Messwerte noch etwas zu. Es könnte also sein, dass die Schmelze im Untergrund in Richtung Südosten migriert.

Nach wie vor gibt es noch keine Anzeichen für einen finalen Magmenaufstieg. Die Schmelze sammelt sich wie gewohnt in 5 bis 4 km Tiefe und bildet dort wahrscheinlich magmatische Gänge, ähnlich wie wir es in den vergangenen Jahren öfters sahen. Genaue Modelle der unterirdischen Vorgänge stehen noch aus, ich kann mir aber gut vorstellen, dass die isländischen Forscher mit Nachdruck daran arbeiten, schließlich will sich niemand von einem Vulkanausbruch überraschen lassen. Bemerkenswert ist, dass die erhöhte Aktivität nun bereits eine Woche am Stück andauert. Es handelt sich um die längste Schwarmbeben-Episode mit Bodenhebung seit Ende der letzten Eruption.