Rotes Meer: Schauplatz einer Ozeangeburt

Zwischen Grabenbruch und Ozean: Wie das Rote Meer die Geburt eines Weltmeeres offenbart

Das Rote Meer ist nicht nur Taucherparadies und wichtiger Schifffahrtsweg, sondern auch von enormer geologischer Bedeutung, denn tief unter der Wasseroberfläche des Roten Meeres findet ein besonderes Schauspiel statt: Die Geburt eines neuen Ozeans – und das schneller, als angenommen. Lange Zeit dachte man, dass das Rote Meer ein Binnenmeer ist, das erste Anzeichen zur Entwicklung in Richtung Ozean zeigt. Mehrere geophysikalische Studien belegen inzwischen jedoch, dass sich entlang des gesamten Roten Meeres bereits vor rund 13 Millionen Jahren ozeanische Kruste zu bilden begann. Damit reicht der Beginn der Ozeanbildung deutlich weiter zurück, als frühere Modelle vermuteten. Statt eines noch jungen, riftartigen Beckens zeigt sich das Rote Meer heute als bereits weiter entwickelter Ozean mit einem mittelozeanischen Rücken und stellt damit ein Lehrbuchbeispiel für den Übergang von kontinentaler Dehnung mit einer Krustenausdünnung zu echter Ozeanspreizung dar.

Seit einiger Zeit gilt das Rote Meer als geologisches Sondergebiet. Der schmale Meeresarm zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel markiert die Trennlinie zwischen der Nubischen und der Arabischen Platte. Hier driftet die Erdkruste auseinander, und entlang des Grabenbruchs tritt kontinuierlich frisches Magma empor, das beim Erkalten neue Kruste bildet. Dieses Prinzip ist aus der Theorie der Plattentektonik bekannt, doch nur an wenigen Orten auf der Erde lässt sich ein Ozean in so frühem Entwicklungsstadium beobachten wie hier.

Dennoch war lange unklar, wie weit dieser Prozess tatsächlich fortgeschritten ist. Die dicken Sedimentschichten und mächtigen Salzablagerungen, die den Meeresboden bedecken, erschweren geophysikalische Untersuchungen. Klassische Messungen liefern unter diesen Bedingungen kaum verwertbare Ergebnisse. Erst eine neue Generation von Datensätzen, die mit neusten Messmethoden gewonnen wurden – darunter hochauflösende Bathymetrie, seismische Profile und vor allem vertikale Schweremessungen – ermöglicht nun einen tieferen Blick unter die Sedimentdecke.

Das Bild, das sich dabei ergibt, verändert die bisherigen Vorstellungen grundlegend. Die jüngsten Studien zeigen, dass sich entlang der gesamten Länge des Roten Meeres durchgehende Strukturen finden, wie man sie auch aus anderen Regionen mit echter Ozeanspreizung kennt – etwa aus dem Mittelatlantik südlich von Island oder dem Gakkel-Rücken in der Arktis. Charakteristisch sind dabei langgestreckte vulkanische Rücken, steile Bruchzonen und lineare Schwereanomalien, die auf durchgängige magmatische Aktivität hindeuten. Auch sogenannte „Segmentation Trails“, Spuren älterer vulkanischer Aktivität neben der zentralen Spreizungszone, konnten in den Schwerefelddaten identifiziert werden.

Diese Strukturen sind Belege dafür, dass das Rote Meer längst kein bloßer kontinentaler Grabenbruch mehr ist, sondern ein echtes ozeanisches Becken. Seine tektonische Entwicklung steht damit auf einer Stufe mit etablierten Ozeanen – wenn auch in einem frühen Abschnitt ihrer Lebensgeschichte.

Die Prozesse im Roten Meer lassen sich zudem in einen größeren geologischen Zusammenhang einordnen. Südlich setzt sich die Zone aktiver Kontinentalspaltung im Ostafrikanischen Graben fort – dem Rift Valley –, wo sich der afrikanische Kontinent allmählich in mehrere Teile aufspaltet. Auch dort beobachten Geowissenschaftler eine Kombination aus tektonischer Dehnung und vulkanischer Aktivität, die langfristig zur Bildung neuer Ozeanbecken führen kann.

Eine direkte Verbindung besteht außerdem zum Golf von Aden, wo sich die tektonische Spreizungszone des Roten Meeres fortsetzt. Dort bewegen sich die Afrikanische und die Arabische Platte weiter auseinander, begleitet von der Entstehung junger ozeanischer Kruste. Gemeinsam mit dem Roten Meer bildet der Golf von Aden ein zusammenhängendes System aktiver Plattengrenzen, das im frühen Stadium eines neuen Ozeansystems steht – dem sogenannten „Afro-Arabischen Ozean“. Während im Rift Valley die Öffnung erst beginnt, hat sich im Golf von Aden bereits eine klar erkennbare mittelozeanische Struktur etabliert. Das Rote Meer liegt genau zwischen diesen beiden Entwicklungsstufen – ein tektonischer Übergangsraum, der die Dynamik ozeanischer Entstehung in Echtzeit dokumentiert.

Äthiopien: Afar-Dreieck durch Mantelplume geformt

Die Tiefebene des Afar-Dreiecks grenzt am Roten Meer und dem anschließenden Golf von Aden. © WIKIPEDIA

Magma aus der Tiefe –  Wie ein Mantelplume das Afar-Dreieck in Ostafrika formt

Tief unter dem Afar-Dreieck in Ostafrika brodelt eine geodynamische Kraft, die die Landschaft dramatisch verändert: Ein Mantelplume ist maßgeblich für die vulkanische Aktivität der Region verantwortlich und bedingt ein Aufreißen der Erdkruste und die Bildung eines Riftsystems. Dieses Rift könnte sich zu einem neuen Ozean weiten, so wie es bereits an 2 anderen divergenten Gräben der Region passiert ist: dem Roten Meer und dem Golf von Aden.

Lavasee Erta Alé im Jahr 2008. © MS

Wissenschaftler um Emma Watts von der University of Southampton fanden nun heraus, dass der Mantelplume nicht nur für die beginnende Öffnung des Afar-Dreiecks verantwortlich ist, sondern auch die beiden anderen Gräben entstehen ließ. Unter dem Afar-Dreieck stoßen diese drei tektonischen Nähte zusammen und bilden eine Dreierkreuzung – mit ein Grund, warum die Vulkane des Afar-Dreiecks zu den aktivsten der Welt zählen. Während der Prozess der Riftbildung im Afar-Dreieck noch am Anfang steht und die Kruste hier überwiegend kontinentaler Natur ist, sieht es mit dem Boden des Roten Meeres und des Golfs von Aden anders aus: Hier öffneten sich die Rifts bereits so weit, dass der Boden die chemische Signatur eines Ozeans trägt.

Das Forscherteam hat über 130 Proben junger Vulkane aus allen drei Riftzonen untersucht. Ihre geochemischen Analysen zeigen, dass der darunterliegende Mantel von einer einzigen, jedoch räumlich und chemisch heterogenen Zone besteht, in der heißes Mantelmaterial aus großer Tiefe aufsteigt. Interessanterweise wiederholen sich geochemische Muster über die Rifts hinweg und prägen der Erdkruste eine in Streifen verlaufende Signatur auf – ein Hinweis darauf, dass alle drei Spaltensysteme von derselben Quelle gespeist werden. Statistische Modellierungen mit Splines und K-Means-Analysen stützen diese Hypothese. Doch die Zonen gleicher chemischer Signaturen im Gestein sind unterschiedlich breit, ein Indiz dafür, dass die Öffnung der Rifts unterschiedlich schnell verläuft.

Nicht allein der Aufstieg des heißen Mantelmaterials bestimmt, wo und wie viel Schmelze an die Oberfläche gelangt. Auch die Tektonik spielt eine aktive Rolle. So ist die Dehnungsrate im Rotmeer-Graben mehr als doppelt so hoch wie im Äthiopischen Hauptgraben (MER). Gleichzeitig ist die Kruste unter dem MER deutlich dicker. Diese Unterschiede führen zu einem „Flaschenhals-Effekt“: Während das Material im Roten-Meer-Rift leichter aufsteigen kann, staut es sich unter dem MER, wo der lithosphärische Deckel dicker ist. Dadurch unterscheiden sich nicht nur die Menge, sondern auch die Zusammensetzung des Vulkangesteins in den jeweiligen Zonen.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Mantelplumes nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit der überlagernden Plattentektonik entwickeln. Ein Plume ist also kein starrer Aufzug für Magma, sondern ein dynamisches System, das durch die Bewegung der Erdplatten geformt wird. Damit liefert das Afar-Dreieck nicht nur einen Blick in die vulkanische Zukunft Ostafrikas, sondern auch einen Schlüssel zum besseren Verständnis globaler geodynamischer Prozesse – bis hin zur Geburt neuer Ozeane.

Zu Anfang des Jahres wurden wir Zeugen der Wehen dieses Geburtsvorgangs, als sich im Süden des Afar-Dreiecks ein großer magmatischer Gang bildete. Die Gangbildung ging vom Vulkan Fentale aus und sorgte auf einer Strecke von über 30 Kilometern für starke Erdbeben und die Entwicklung verschiedener hydrothermaler Phänomene, die sich bis zum Vulkan Dofan erstreckten. Außerdem zeugt die Aktivität des Vulkans Erta Alé von der Geburt eines neuen Ozeans.

Rotes Meer: Drei mittelstarke Erdbeben detektiert

Drei mittelstarke Erdbeben im Roten Meer detektiert – weiteres Erdbeben an der Küste von Dschibuti

Datum: 29.07.2025 | Zeit: 06:02:18 UTC | Koordinaten: 16.525 ; 41.136 | Tiefe: 4 km | Mb 4,6

Heute Morgen bebte die Erde mitten im Roten Meer gleich dreimal. Während die beiden schwächeren Erdbeben eine Magnitude von 4,3 hatten und in 10 Kilometern Tiefe fixiert wurden, hatte das stärkere Beben die Magnitude 4,6. Die Tiefe des Erdbebenherds lag bei 4 Kilometern. Vermutlich konnte sie aufgrund der höheren Magnitude besser bestimmt werden als die beiden etwas schwächeren Erdstöße. Das Epizentrum wurde vom EMSC 107 km westlich von Farasān (Saudi-Arabien) angegeben. Bereits gestern ereignete sich an der Küste von Dschibuti ein vergleichbares Beben Mb 4,6.

Erdbeben im Roten Meer. © EMSC

Obwohl alle Beben relativ flach lagen und als mittelstark einzustufen sind, liegen dem EMSC nur vom Erdbeben in Dschibuti zwei Wahrnehmungsmeldungen vor, was in erster Linie mangelnder Internet-Infrastruktur geschuldet sein dürfte. Dennoch sind die Beben im Kontext von Vnet interessant, insbesondere in Bezug auf die Vorgänge am Erta Alé, die uns in der letzten Woche in Atem gehalten haben, als sich ein gut 40 Kilometer langer magmatischer Gang und ein Rift bildeten. Diese Ereignisse zeigen, dass es momentan viele tektonisch bedingte Bewegungen entlang der drei großen Riftzonen Ostafrikas gibt. Diese drei Riftzonen treffen im Bereich des Erta Alé aufeinander. Während die Aktivität in der Erta-Alé-Region dem Wirken des Ostafrikanischen Grabenbruchs geschuldet ist, muss man die Erdbeben dem Roten-Meer-Rift zuordnen: In der Mitte des Roten Meeres verläuft ein junger Ozeanrücken, analog dem Mittelatlantischen Rücken. Hier driften die Afrikanische und Arabische Platte auseinander. An divergenten Plattengrenzen sind Erdbeben seltener als an den Gegenstücken der Subduktionszonen, können aber noch deutlich stärker werden, als es heute der Fall war.

Wenig bekannt ist, dass es im Roten Meer Inselvulkane gibt. Sie konzentrieren sich auf das Zubair-Archipel im Südosten des jungen Ozeans, das zum Staatsgebiet des Jemen gehört. Zuletzt kam es in den Jahren 2011/12 und 2013 zu Eruptionen. 115 Kilometer nordwestlich der Zubair-Inseln liegt der Inselvulkan Jabal al-Tair, der zuletzt 2007 eruptierte. Dieser Vulkan liegt gut 150 Kilometer südlich der Epizentren.

Auch im Bereich des Golfs von Tadjoura, der zu Dschibuti gehört, gibt es mehrere Vulkane. Hier brach 1979 der Ardoukôba aus. Die Entfernung des Vulkans zum Epizentrum des Bebens bei Dschibuti beträgt nur 20 Kilometer.

Ol Doinyo Lengai mit rotglühender Lava

Neue Aufnahme vom Lengai zeigt rotglühende Lava – Natriumkarbonatit muss heißer geworden sein

Arusha, 27.07.2025Was für die meisten Vulkane alltäglich ist, kommt am Ol Doinyo Lengai in Tansania einer Sensation gleich: Eine neue Aufnahme zeigt nicht nur einen großen Hornito im Zentralbereich des Kraters, sondern auch einen rotglühenden Lavasprudel in der Morgendämmerung. Das Sensationelle an dieser Aufnahme ist die Rotglut der Lava während der Morgendämmerung. Zudem handelt es sich bei der Aufnahme um einen Screenshot eines Smartphonevideos und nicht um ein langzeitbelichtetes Profifoto, das kaum mit bloßem Auge sichtbare Rotglut verstärkt. Daraus lässt sich schließen, dass die ungewöhnliche natriumkarbonatitische Lava heißer geworden ist.

Rotglut am Lengai

Die Temperatur liegt wahrscheinlich deutlich über 600 Grad Celsius. In der Literatur wird das Temperaturspektrum mit 500 bis 600 Grad Celsius angegeben, was etwa halb so heiß ist, wie Basaltlava wird. Trotzdem ist die Lava des Ol Doinyo Lengai deutlich dünnflüssiger als Basalt, was man auch daran merkt, wenn man sich das Originalvideo anschaut – das ich hier aus rechtlichen Gründen nicht teilen kann: Dort erkennt man, dass die Lava regelrecht aus dem Hornito hervorsprudelt. Zudem hört man, wie die Lava wie ein Wasserschwall auf den Boden klatscht.

Die Aktivität ist auch aus dem Weltall auszusehen. Auf Satellitenbildern erkennt man im Infrarotbereich eine schwache Wärmestrahlung im Zentrum des Kraters. MIROVA bestätigt eine Wärmeanomalie mit 2 MW Leistung, was sicherlich nicht viel ist, aber für den Lengai nicht alltäglich.




Auf den Satellitenbildern sieht man auch, dass der Lake Natron, der in Sichtweite des Vulkans liegt und für seine roten Polygone bekannt ist, die sich für gewöhnlich in der Trockenzeit zeigen, einen sehr hohen Wasserstand hat. Für die Flamingos, deren Brutgebiete im Sodasumpf bei Niedrigwasser liegen, ist das sehr schlecht. Offenbar regnet es in den letzten Jahren im Rift Valley mehr – ein weiteres Indiz des Klimawandels.

Ol Doinyo Lengai: Inflation detektiert

Neues Foto nach Lavaüberlauf Ende Mai zeigt Rotglut am Ol Doinyo Lengai – Transiente Inflation nachgewiesen

Arusha, 12.06.2025 – Erst vor wenigen Tagen berichtete ich über den Lavaüberlauf, der sich am 27. Mai am Ol Doinyo Lengai in Tansania ereignete. Daraufhin übermittelte mir Vereinsmitglied Jochen Felkl ein aktuelles Bild, das er von einem Lengai-Führer zugeschickt bekommen hatte. Auf dem Bild ist ein aktiver Hornito zu sehen, in dessen Schlot rotglühende Lava brodelt. Das Foto ist insofern ungewöhnlich, als die Lava am Lengai nicht so rot glüht. Früher wurde auf Bildern des Vulkans die Rotglut nur nachts auf langzeitbelichteten Fotos sichtbar. Das vorliegende Bild wurde zum Sonnenaufgang mit einem Handy aufgenommen, was darauf schließen lässt, dass die ungewöhnliche Lava des Vulkans heißer geworden ist. Eine Temperaturmessung wäre sicher spannend.

Rotglut am Ol Doinyo Lengai. © Guide

Betrachtet man das Bild genauer, erkennt man im Hintergrund am Kraterboden schwarze und somit frische Lava, was den Überlauf vom 27. Mai bestätigt. Am Lengai verwittert schwarze Lava innerhalb weniger Tage oder Wochen zu einem weißen Sodapulver.

Zwar wurden in der letzten Zeit meines Wissens nach keine Temperaturmessungen am Ol Doinyo Lengai durchgeführt, dafür aber Messungen anderer Art: Ein internationales Forscherteam um Sarah Stamps und Ntambila Daud vom Virginia Tech installierte bereits 2016 um und auf dem Lengai 6 GNNS-Messsensoren, mit denen sie kleinste Bodenbewegungen detektieren können. Sie stellten fest, dass es zwischen März 2022 und Dezember 2022 zu einer schnellen Bodenhebungsphase kam, die in eine länger anhaltende, stetige Hebung bis August 2023 überging. Davor und danach konnten keine Bodendeformationen detektiert werden. Modellrechnungen deuten darauf hin, dass die Hebung von einer aktiven, oberflächennahen magmatischen Quelle stammt. Die Vermutung liegt nahe, dass es zu einer Magmenintrusion kam, was auf eine Aufheizung des Vulkans hindeutet.

Tatsächlich ist der Lengai in einer Phase milder effusiver Eruption begriffen, die in früheren Perioden jahrzehntelang anhielt, bevor sie jäh von einer explosiven Eruptionsphase unterbrochen wurde. Gemittelt ereigneten sich explosive Phasen in Intervallen von grob 20 Jahren, wobei es durchaus Variationen der Intervalle zwischen 16 und 25 Jahren gab. Bei diesen explosiven Eruptionen unterlag der Kraterbereich stets großen morphologischen Veränderungen. Statistisch gesehen ist es also durchaus möglich, dass wir in den nächsten Jahren erneut einen Umbau des Kraters sehen werden.

Bei den besonders starken Explosionen der Eruptionsphase 2007–08 kam es zu einer Injektion silikatischer Lava in das Reservoir, in dem sich die besondere natriumkarbonatische Lava befand, für die der Lengai bekannt ist. Dieses Mischen von 2 unterschiedlichen Magmaarten kann generell starke Explosionen hervorrufen.

Die hier erwähnte Studie von Sarah Stamps erschien bereits Ende letzten Jahres. Kurz zuvor wurde eine andere Studie veröffentlicht, über die ich bereits berichtet habe. Diese steht im Widerspruch zu der jüngeren Studie, denn die Kernaussage war, dass sich der Gipfel des Lengai im Jahr um ca. 35 mm senkt. Allerdings könnte es auch sein, dass sich nur der 2007 entstandene Schlackenkegel auf dem Kraterplateau durch gravitativen Einfluss absenkt, ohne dass das Speichersystem des Vulkans davon betroffen ist.

Vor den letzten explosiven Eruptionen steigerte sich die Aktivität des Lengai über mehrere Monate hinweg und es kam oft zu stärkeren effusiven Ausbrüchen mit Lavaüberläufen im Kraterbereich. Wir werden sehen, ob es sich diesmal wieder so verhalten wird.

Bei einer Expedition während der aktiven Aufheizungsphase des Vulkans stürzte ein Träger in einen Lavastrom und zog sich so schwere Verbrennungen zu, dass beide Beine amputiert werden mussten. Vulkanspottern sei empfohlen, den Lengai nicht zu unterschätzen und Vorsicht walten zu lassen.

Übrigens schrieb ich am 8. Mai über ein Erdbeben Mb 4,5, das sich am Südufer des Lake Natrons ereignete, in nur 20 Kilometer Entfernung zum Lengai. Nicht ausgeschlossen, dass dieses Erdbeben letztendlich die erhöhte Aktivität am Vulkan triggerte.

Ol Doinyo Lengai: Lavaüberlauf im Krater

Lengai-Krater im Jahr 2008. Im Hintergrund der Lake Natron. © Marc Szeglat

Thermische Anomalie im Krater vom Ol Doinyo Lengai – Lavaüberlauf wahrscheinlich

Arusha, 09.06.2025 – Der Ol Doinyo Lengai in Tansania ist ein wahrer Exot unter den Vulkanen, denn nur er fördert aktuelle die kälteste Lava der Welt, die auf Natrium und Karbon basiert anstatt auf metallischen Elementen und Siliziumdioxid, wobei die erstgenannten Komponenten den geringeren Anteil haben und an „normalen“ Vulkanen deutlich variieren können. Während die auf Siliziumdioxid basierende Schmelze normalerweise zwischen 800 und 1250 Grad heiß ist, schafft es die Lava vom Ol Doinyo Lengai gerade mal auf die Hälfte diese Temperaturbereichs. Daher erkennt man tagsüber keine Rotglut am Vulkan und die Schmelze sieht aus wie silbrig glänzender Schlamm.

Dennoch ist die Lava des Ol Doinyo Lengai heiß genug um im Infrarotspektrum ein deutliches thermisches Signal zu erzeugen. Während solche thermischen Anomalien, die vom Krater des Exoten ausgehen, normalerweise nur wenige Pixel groß sind und davon zeugen, dass es aktive Hornitos gibt, scheint es am 27. Mai zu einem Überlauf der natriumkarbonatitischen Lava gekommen zu sein, denn auf eine Sentinel-Satellitenfoto im Infrarotbereich zeigt eine große thermische Anomalie, die den gesamten Kraterbereich ausfüllt. Möglicherweise kam es zum Kollaps eines Hornitos woraufhin sich der Lava-Pond in dem Hornito über den Kraterboden ergoss.

Auf den Satellitenbildern der Folgetage erkennt man ebenfalls thermische Anomalien, die größer als normal sind. Offenbar ist der Vulkan unruhiger als er es in den letzten Monaten war. Aus der Ferne lassen sich natürlich nur spekulative Diagnosen anstellen. Beobachtungen aus der Nähe können solche Ferndiagnosen nicht ersetzten. Expeditionen in die Gegend des tansanischen Riftvalley werden in der Nachcoronazeit aufgrund der teils extremen Preissteigerung für Safaris und Fernreisen deutlich weniger durchgeführt, von daher sind Augenzeugenberichte vom Lengaigipfel inzwischen eine Rarität.

Noch seltener sind nur Berichte vom Nyamuragira im kongolesischen Teil des Riftvalley. Hier spielen nicht nur Kostengründe eine Rolle, sondern vor allem das Rebellentum und die desolate Sicherheitslage bei Goma. Dieser Vulkan ist aber äußerst aktiv und emittiert eine hohe Wärmestrahlung mit 1980 MW-Leistung. Am Lengai werden bestenfalls Wärmeanomalien mit Leistungen im einstelligen Bereich gemessen.

Riftvalley: Studie liefert Indizien für Superplume-Theorie

Lavasee im Nyiragongo-Krater im Riftvalley. © Marc Szeglat

Ein Kontinent zerreißt – Das Ostafrikanische Rift und die Superplume-Theorie

Der Osten des afrikanischen Kontinents wird von einem tiefen Graben durchzogen, der von Mosambik bis zum Roten Meer reicht und seine Finger sogar bis in den Libanon ausstreckt. An diesem über 6.000 Kilometer langen Graben droht Afrika zu zerbrechen – und er könnte die Geburtsstätte eines neuen Ozeans sein, dessen Verlauf von einer Reihe von Sodaseen an seinem Boden markiert wird. Entlang des Ostafrikanischen Grabenbruchs, der kurz Riftvalley genannt wird, erstrecken sich nicht nur Seen, sondern auch Vulkane. Diese einzigartige Landschaft ist sichtbarer Ausdruck eines Prozesses, der tief im Erdinneren beginnt: der Plattentektonik.

Riftvalley- Karte. © WIKIPEDIA CC

Geografisch besteht das Rift aus zwei Hauptästen. Der östliche Riftarm verläuft durch Äthiopien, Kenia und Tansania, während der westliche Arm entlang der großen Seen Ostafrikas – wie dem Tanganjikasee oder dem Malawisee – verläuft. Gemeinsam bilden die beiden Arme eine Zone, in der sich die Afrikanische Kontinentalplatte langsam, aber unaufhaltsam in zwei Teile aufspaltet: die Nubische und die Somalische Platte. In einigen Millionen Jahren könnten sich die beiden Platten so weit voneinander entfernt haben, dass sich zwischen ihnen ein Ozean befindet und die Somalische Platte eine große Insel bildet.

Die Bewegung dieser Platten ist langsam und beträgt nur wenige Millimeter pro Jahr. Wo sich die Erdkruste dehnt und auseinanderzieht, entstehen tiefe Störungen und der Boden senkt sich ab. Magma steigt auf und formt Vulkane wie den Nyiragongo, den Erta Ale und den exotischen Ol Doinyo Lengai.

Plattentektonik oder Superplume als Motor der Erddynamik unter dem Riftvalley?

Brodelnde Lava. © Marc Szeglat

Doch was treibt diesen gewaltigen Prozess an? Neben den bekannten Spannungen durch Plattenbewegungen gerät seit Jahren eine andere Erklärung in den Fokus: die Superplume-Theorie. Diese besagt, dass unter Ostafrika ein riesiger, heißer Aufstrom von Magma aus dem tiefen Erdmantel – eine sogenannte Mantelplume – die Lithosphäre von unten aufwölbt, erwärmt und schwächt. In der Folge wird das Auseinanderbrechen der Kontinentalplatte erleichtert. Hinweise auf die Existenz eines Superplumes lieferten Modelle des Untergrunds, die mithilfe der seismischen Tomografie erstellt wurden. Die Modelle deuten auf ungewöhnlich hohe Temperaturen und eine geringere Dichte im unteren Mantel unter Ostafrika hin. Diese thermische Anomalie könnte erklären, warum genau hier ein vom Vulkanismus begleiteter Rifting-Prozess stattfindet.

Untersuchungen von Proben vulkanischer Gesteine, die von den Vulkanen des Rifts stammen, zeigten jedoch eine ungewöhnliche Heterogenität der Vulkanite, weswegen einige Forscher der Meinung sind, dass man es mit zwei einzelnen Mantelplumes zu tun hat, die nur an der Basis im tiefen Erdmantel miteinander verbunden sind. Einer dieser Plumes soll sein Zentrum unter Äthiopien haben, der andere unter Kenia und Tansania liegen.

Kritiker der Theorie sehen in der Superplume eine überflüssige Erklärung. Sie argumentieren, dass die beobachteten Phänomene auch durch oberflächennahe tektonische Prozesse erklärbar sind – etwa durch Spannungen im Zusammenhang mit der Bewegung der Afrikanischen Platte und benachbarten Mikroplatten.

Edelgas-Isotopen-Analyse belegt eine gemeinsam Quelle im tiefen Erdmantel

Nun hat eine neue Studie Indizien gefunden, dass doch etwas an der Superplume-Theorie dran sein könnte: Die Forscher um Fin Stuart und Biying Chen von der University of Glasgow untersuchten magmatische Gase des neu erschlossenen Menengai-Geothermalfelds in Kenia. Sie konzentrierten sich in ihren Analysen auf Spuren der Edelgase Helium und Neon und schlossen auch Kohlendioxid-Analysen mit ein. Die Gase und Fluide aus den Bohrungen des Geothermalfelds sind bei ihrer Entnahme noch nicht der Atmosphäre ausgesetzt gewesen, weswegen sie reiner sind als etwa Gasproben, die man an Fumarolen gewonnen hat. Ihre Analyse zeigte, dass die Isotope der Edelgase aus dem tiefen Erdmantel stammen. Darüber hinaus wurden sie mit den Neon- und Helium-Isotopen verglichen, die aus Fluideinschlüssen in Vulkaniten unterschiedlicher Riftvulkane stammten. Die Analyse bestätigte, dass die Isotopen-Signaturen identisch sind – was als Beweis angesehen werden kann, dass sie von einer gemeinsamen Quelle stammen. Bei dieser Quelle könnte es sich um den Superplume handeln.

(Quelle: Forschungsarbeit „Neon Isotopes in Geothermal Gases From the Kenya Rift Reveal a Common Deep Mantle Source Beneath East Africa“ | AGU)

Tansania: Erdbeben M 4,5 nahe Ol Doinyo Lengai

Erdbeben am Südufer des Lake Natron in Tansania erschütterte auch Ol Doinyo Lengai

Datum: 07.05.2025 | Zeit: 07:35:59 UTC | Koordinaten: -2.574 ; 35.983 | Tiefe: 10 km | Mb 4,5

Entlang des Ostafrikanischen Riftvalleys kommen Erdbeben vergleichsweise selten vor, sieht man einmal von den starken Schwarmbeben ab, die sich Ende letzten Jahres und Anfang dieses Jahres am äthiopischen Ende des Grabenbruchs ereigneten und mit der Intrusion magmatischer Gänge zusammenhingen. Umso bemerkenswerter ist ein Erdbeben der Magnitude 4,5, das sich gestern Morgen in Tansania ereignete. Das Epizentrum lag am Südufer des Lake Natron und nur 20 Kilometer vom Vulkan Ol Doinyo Lengai entfernt. Der Erdbebenherd wurde in 10 Kilometern Tiefe fixiert, was bedeutet, dass es sich um ein flach liegendes Erdbeben gehandelt hat, dessen Tiefe aber nicht genau festgestellt werden konnte. Es ist nicht auszuschließen, dass der Erdstoß die Aktivität des Vulkans beeinflussen wird.

Das Satellitenfoto visualisiert nicht nur die Lage des Erdbebens, sondern zeigt auch die Störungszonen, die den Verlauf der Grabenschultern des Ostafrikansichen Riftvalleys markieren. Zudem erkennt man die zahlreichen Vulkane und Krater (bei denen es sich um Calderen und Maare handelt) der Gegend, in der sich ein Teil Ostafrikas vom Rest des Kontinents abspaltet. Links unten sind die Krater-Highlands zu sehen, zu denen bedeutende Calderen wie Empakai und Ngorongoro gehören. Am rechten Bildrand liegt der mächtige Kilimandscharo. Um den Ol Doinyo Lengai zu erkennen, muss man einen daumenbreit unterhalb der Erdbebenmarkierung blicken. Er schaut wie ein Pickel auf einer Störungslinie aus.  Obwohl es einer der kleineren Vulkane der Gegend ist, ist er der aktivste.

Aktuelle Sentinel-Aufnahmen zeigen eine schwache thermische Anomalie im Krater, die davon zeugt, dass weiterhin natriumkarbonatitische Lava in einem Hornito brodelt. Die Aktivität hat sich in den letzten Wochen vom zentralen Hornitokomplex etwas in Richtung Nordosten verlagert. Einen stärkeren Lavaüberlauf konnte ich auf den Satellitenbildern der letzten Wochen nicht ausmachen. Allerdings hüllt sich der Vulkan auch oft in Wolken, so dass man da Geschehen nicht lückenlos verfolgen kann.

Auf den Satellitenbildern ist auch zu erkennen, dass die Gegend ungewöhnlich grün ist und im Norden des Lake Natrons strömen schlammige Fluten in den See, der früher oft Niedrigwasser hatte und sich dann aufgrund einer Algenblüte rot färbte. Im Mai sollte die kleine Regenzeit eigentlich langsam enden, so dass die Pisten, die in das Areal führen, abtrocknen und wieder besser passierbar sind. Vielleicht bekommen wir dann wieder Aufnahmen vom Ol Doinyo Lengai geliefert.

Äthiopien: Erdbeben am 24. Februar

Drei Beben in der Awash-Region. © EMSC

Weitere Erdbeben in der Awash-Region in Äthiopien – Stärkste Erschütterung Mw 5,3

In der äthiopischen Awash-Region kam es heute Nacht zu drei mittelstarken Erdbeben. Das stärkste Beben hatte die Magnitude 5,3. Zwei weitere Erschütterungen erreichten Magnituden von Mw 4,7 und Mw 4,5. Da die Tiefen der Erdbebenherde nicht genau bestimmt werden konnten, wurden sie auf 10 Kilometer fixiert. Es ist gut möglich, dass sie tatsächlich flacher lagen. Der Grund für die ungenaue Tiefenbestimmung liegt darin, dass es in der Region zu wenige Seismografen gibt. Auch die Lokalisierung der Epizentren ist ungenau.

Die Beben stehen im Zusammenhang mit den Magmenintrusionen von Oktober 2024 und Januar 2025, die auch mit einer verstärkten Spreizung des auslaufenden Ostafrikanischen Riftvalleys einhergingen. Zwischen den Vulkanen Fentale und Dofan intrudierte Magma in Form eines Gangs, wodurch sich der Boden stellenweise um bis zu 130 cm hob. Am Ausgangspunkt der Intrusion, dem Vulkan Fentale, sank der Boden um mehr als einen Meter ab. Seit Mitte Januar schwebte über der Caldera des Fentale eine lange Zeit als rätselhaft eingestufte Wolke, die später als Methan identifiziert wurde. Diese Wolke ist auf dem jüngsten Satellitenbild nicht mehr zu erkennen, dafür aber Fumarolen am Südrand der Caldera.

Die Intrusion schuf mehrere neue Thermalgebiete mit starker hydrothermaler Aktivität. Fotos aus der letzten Woche dokumentierten sogar Schlammgeysire.

Beeinflussen Beben bei Awash den Vulkan Erta Alé?

In den letzten Tagen gab es auch Erdbeben in anderen Regionen des Ostafrikanischen Rifts, unter anderem in Mosambik und Eritrea. Letzteres Beben hatte eine Magnitude von 4,3 und manifestierte sich unweit der äthiopischen Vulkane Dallol und Erta Alé. An diesem Vulkan gab es in den vergangenen Monaten häufige Lavaüberläufe, die seit der Intrusion bei Awash im Januar jedoch nicht mehr aufgetreten sind. Sentinel-Satellitenaufnahmen zeigen im Infrarotspektrum noch einige Hotspots, bei denen es sich um heiße Förderschlote der Hornitos handelt, doch Lavaströme fehlen. Ob das Zufall ist oder ob die Aktivität durch die Vorgänge im 550 Kilometer entfernt gelegenen Awash abgewürgt wurde, ist eine interessante Frage. Die Forschung geht davon aus, dass starke Erdbeben mit einer Magnitude ab 6 Vulkanausbrüche bis in eine Entfernung von 1000 Kilometern beeinflussen können. Vielleicht reichten die Beben im 5er-Bereih auch aus um den Erta Alé zu beeinflussen.