Ätna: Abgang eines Pyroklastischen Stroms

Pyroklastischer Strom am Ätna. © Jochen Felkl/ Skylienwebcam

Großer Pyroklastischer Strom auf der Ostflanke des Ätnas – Südostkrater war der Ausgangspunkt

Catania, 02.06.2025/ 11:45 UhrDie 14. eruptive Phase, die man als milden Paroxysmus bezeichnen kann, nahm eine unerwartete Wendung, als gegen 11:24 Uhr MESZ von der Nordostflanke des Südostkraterkegels ein pyroklastischer Strom abging, der das Valle del Bove hinabfloss und auch das Valle del Leone nicht ausließ. Unser Vereinsmitglied Jochen Felkl war gerade an der Livecam und erstellte die hier gezeigten Screenshots.

Pyroklastischer Strom am Ätna. © Skyline

Ich versuche noch den genauen Hergang des Geschehens zu eruieren. Vermutlich kam es zum Kollaps eines Lavastroms oder eines Flankenabschnitts des Kraterkegels infolge der aktuellen Aktivität. Pyroklastische Ströme entstehen am Ätna häufig, wenn sich ein Lavastrom durch die Flanke des Kegels brennt, wodurch die berühmten Scharten bzw. Frakturen entstehen.

Ersten Einschätzungen zufolge handelte es sich um einen der größten pyroklastischen Ströme am Ätna, über die ich bis jetzt berichten durfte. Selbst gesehen habe ich am Ätna bisher zwei. Einer ging von der Bocca Nuova ab und floss Richtung Westen, der andere manifestierte sich ebenfalls vom Südostkrater.




Update 12:15 Uhr: Inzwischen hat das INGV ein Update herausgegeben, in dem es heißt, dass der pyroklastische Strom wahrscheinlich nicht über die Begrenzung des Valle del Leone hingeflossen ist. Sollte das der Fall sein, wäre das ein Worst-Case-Szenario, denn auf dieser Begrenzung  -der Serra delle Concazze- halten sich oft Wanderer auf. Doch auch im Valle del Bove gibt es Wanderwege. Sollten sich hier morgens bereits Wanderer aufgehalten haben, stehen ihre Überlebenschancen nicht sonderlich gut. Das Video unten zeigt, dass ein großer Teil des oberen Valle del Bove vom pyroklastischen Strom überrollt wurde.

Der pyroklastische Strom soll durch einen Kollaps im oberen nordöstlichen Flankenbereich entstanden sein. Zeitgleich verstärkte sich die kontinuierliche strombolianische Tätigkeit zu einer Lavafontäne. Unklar ist, ob ein plötzlicher Druckanstieg den Kollaps verursachte oder ob die Druckentlastung durch den Kollaps das Magma explosionsartig aufsteigen ließ.

Eine VONA-Warnung des VAAC Toulouse zeigt einen Roten Alarmstatus des Ätnas. Nach Nordwesten driftende Vulkanasche wurde in 6400 m Höhe detektiert.

In meinem letzten Update schrieb ich darüber, dass sich Magma in einer Nord-Süd-orientierten Zone unter dem Südostkrater angesammelt hat und Richtung Norden strebt. Bei den vorherigen Eruptionen hatte sich auch eine neue Förderschlotreihe im Nordwesten des Kraterkegels gebildet, was eine potenzielle Schwächezone markiert.

Das Geschehen zeigt, wie unberechenbar und gefährlich Vulkane sind. Zugleich liefert der Abgang des pyroklastischen Stroms Denkanstöße, wie es um die Sicherheit der Touristen bestellt ist, die in Hundertschaften via Seilbahn und Bus auf den Vulkan gekarrt werden. Da man bestenfalls mit einem milden Paroxysmus rechnete, wage ich zu bezweifeln, dass die Region oberhalb von 2500 m, wo sich die obere Seilbahnstation befindet, evakuiert wurde. Sollte ein größerer pyroklastischer Strom in Richtung Süden abgehen, könnte es schnell in einem Desaster enden. Interessant auch die Überlegung, mit welch unterschiedlichem Maß man urteilt: Der Aufstieg zum Stromboli ist dauerhaft gesperrt, selbst in Zeiten normaler Aktivität, während man am viel stärker eruptierenden Ätna die Leute bis 300 m unterhalb der Kraterkegel schafft.