Ätna: Nach Vulkanausbruch Diskussion um Sicherheit entbrannt

Dramatische Videos zeigen Flucht: Paroxysmale Eruption und pyroklastischer Strom werfen Frage nach der Sicherheit am Ätna auf

Nach dem starken paroxysmalen Vulkanausbruch am Ätna, in dessen Folge ein pyroklastischer Strom entstand, der erst ins Valle del Leone und dann ins Valle del Bove floss, sind nun Diskussionen um die Sicherheit am Vulkan entbrannt. Diese werden vor allem in den sozialen Netzwerken geführt, dürften hinter verschlossenen Türen aber auch in den zuständigen Behörden und bei Tourenanbietern geführt werden. Grund für diese Diskussionen ist nicht allein die Tatsache, dass es einen Vulkanausbruch gab, sondern dass bei schönstem Wetter viele Vulkanwanderer unterwegs waren, denen der pyroklastische Strom sehr nahe gekommen ist. Teils dramatisch wirkende Videos wurden veröffentlicht, die zahlreiche flüchtende Wanderer zeigen.

Ein Videoclip -den ich gestern schon zeigte- dokumentiert die panische Flucht einer großen Gruppe bzw. mehrere geführter Wandergruppen in unmittelbarer Nähe zum pyroklastischen Strom. In Anbetracht dieser Bilder grenzt es an ein Wunder, dass es keine Todesopfer oder ernsthaft verletzten Personen jenseits von verstauchten Knöcheln gab. Wenn ich es richtig interpretiere flüchteten die Menschen über die Ascherutsche unterhalb des Pizzo Deneri und waren nicht unmittelbar in Lebensgefahr, doch zum Zeitpunkt des Abganges des pyroklastischen Stroms konnte man das sicherlich nur schwer einschätzen und die Fluchtreaktion war gerechtfertigt.

Im Jahr 2006 bin ich am Ätna in eine ähnliche Situation geraten, mit dem Unterschied, dass ich direkt vor dem Südostkraterkegel stand. Zum Glück erkannte ich die Gefährlichkeit der Situation und habe ca. 10 Minuten vor dem Abgang eines größeren pyroklastischen Stroms -der aber deutlich kleiner war als der aktuelle- die Gefahrenzone rennend verlassen und war gerade außer Reichweite des Stroms, als er abging.

Das INGV veröffentlichte heute einen Artikel nebst ausführlicher Erklärung, nach der die Vulkanologen des Observatoriums durchaus in der Lage sind, Paroxysmen in einem sehr frühen Aufbaustadium zu erkennen und auch davor zu warnen. Nur leider werden diese Warnungen nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben, sondern versickern unbeachtet beim Zivilschutz. Ein System, diese Warnungen an Anwohner und Touristen auszugeben, fehlt.

Das Früherkennungssystem des INGV basiert auf einer KI, die Messdaten der 160 Überwachungsstationen auswertet, die am Ätna installiert sind. Damit zählt der Vulkan zu den am besten überwachten Feuerbergen der Welt. Es gibt auch ein teils automatisiertes Warnsystem, das die Informationen an den Zivilschutz weiterleitet, so dass die Öffentlichkeit bereits einige Stunden vor einem Paroxysmus vor dem Ausbruch gewarnt werden könnte.

KI-Basiertes Frührwarnsystem am Ätna.

Das schreibt das INGV zu den Vorgängen am 2. Juni (Zusammenfasung):

Bereits vor dem Ereignis schlug das Frühwarnsystem ETNAS (ETna iNtegrated Alert System) des INGV-Observatoriums Alarm. Es zählt zu den modernsten seiner Art weltweit und kombiniert Daten aus über 160 geophysikalischen und geochemischen Messstationen am Ätna. Das System basiert auf einem Machine-Learning-Algorithmus, der Veränderungen in Echtzeit erkennt und je nach Gefahrenlage verschiedene Warnstufen (F1, F2, I0, I1) ausgibt.

ETNAS unterscheidet dabei zwischen zwei Eruptionsszenarien: Lavafontänen (F-Warnungen) und magmatische Intrusionen (I-Warnungen). Bei letzterem wird ein möglicher Bruch an der Oberfläche durch aufsteigendes Magma angezeigt. So konnte etwa 2018 ein Eruptionsspalt 20 Minuten vor dem tatsächlichen Aufbrechen korrekt vorhergesagt werden.

Im aktuellen Fall wurde frühzeitig die höchste Warnstufe F2 aktiviert, was auf eine unmittelbar bevorstehende oder bereits laufende paroxysmale Eruption hinweist. Die automatische Alarmierung erfolgte über E-Mail und SMS an Katastrophenschutz und regionale Behörden – ein entscheidender Zeitvorsprung, um Schutzmaßnahmen einzuleiten.


Allerdings gibt es auch jenseits des KI-basierten Warnsystems Hinweise auf einen Paroxysmus, die selbst von ambitionierten Vulkanspottern und Hobbyvulkanologen erkannt werden: In der Regel gehen Paroxysmen mit strombolianischen Explosionen einher, die oft Stunden oder sogar Tage im Voraus beginnen. Jedoch gipfelt nicht jede strombolianische Aktivität in einem Paroxysmus mit Lavafontänen, Aschewolken und Lavaströmen. Ein relativ verlässlicher Indikator ist ein rapider Anstieg des seismischen Tremors. Um Fehldeutungen zu vermeiden, wurde ein Schwellenwert definiert, der den „Point of no Return“ markiert – jenen Bereich, ab dem fast sicher mit einem größeren Ausbruch zu rechnen ist. Diese Erkenntnisse sind in der Szene seit etwa 2014 bekannt, werden nun aber durch die KI automatisch erkannt und verarbeitet.

Das trügerische an dem Paroxysmus vom 2. Juni bestand darin, dass sich der Ausbruch drei Wochen nach einer vergleichsweise mild verlaufenden Eruptionsserie manifestierte. So dachten auch erfahrene Vulkanbeobachter, es würde sich um eine Fortsetzung dieser Aktivität handeln. Wäre ich selbst am Vulkan gewesen, wäre ich auch ziemlich nahe herangegangen um gute Fotos zu schießen. Unklar bleibt bis jetzt, ob das Früherkennungssystem des INGV es besser wusste und die Gefahr erkannte: der pyroklastische Strom ging ziemlich unvermittelt ab ohne dass es zuvor eine paroxysmale Hauptphase gegeben hätte. Diese baute sich erst im Zuge des Abgangs auf.

Wichtig wäre es nun, die Informationen über den Vulkanzustand an die Öffentlichkeit zu transportieren, am besten mit den Systemen, die ich schon in meinem letzten Artikel beschrieb. Cellbroadcast ist da meiner Meinung nach das zeitgemäße System der ersten Wahl. Darüber hinaus müssten besonders gefährdete Regionen deutlich markiert werden, damit Vulkanwanderer wissen auf was sie sich einlassen. Tatsächlich wurden jüngst vor dem Gipfelbereich neue Warnschilder aufgestellt, doch anderorts fehlen diese. Nach wie vor bin ich gegen generelle Besteigungsverbote und allumfassende Sperrungen, aber für mehr Information und Aufklärung.

Ätna: Nachlese zum Paroxysmus vom 2. Juni

Satellitenaufnahmen des Geschehens am Ätna: © Copernicus

Teilkollaps der nördlichen Südostkraterflanke verursachte pyroklastischen Strom – Wanderer am Ätna flüchteten panisch

Catania, 03.06.2025 – Paroxysmus und pyroklastischer Strom sorgten gestern am Ätna für Alarmstimmung: Als es gegen 09:24 Uhr zum Teilkollaps der Nordflanke des Südostkraters kam und der pyroklastische Strom durch das Valle del Bove floss, befanden sich zahlreiche Wanderer auf dem Grat der Serra delle Concazze, die das Valle del Bove nach Norden begrenzt. Von dem Grat aus hat man einen schönen Überblick über das Tal und auf die Gipfelkrater und befindet sich doch in relativer Sicherheit – relativ, weil es im Extremfall doch zu Auswirkungen an den Rändern der großen Depression im Osten des Ätnas kommen kann.

Bei besonders starken Eruptionen und starkem Südwind sind auf der Serra und auch im darunterliegenden Wald bereits große Lavabrocken eingeschlagen, die Autoscheiben zerstört und Menschen in arge Bedrängnis gebracht haben. Gestern dann der pyroklastische Strom, der so weit floss, dass er den Fuß der Klippen des Grates erreichte, auf dem sich die Wanderer befanden. Videoaufnahmen dokumentieren ihre Flucht vor der herannahenden Glutwolke, deren oberer, aschebeladener Teil drohte, über den Grat zu schwappen.

Doch in welcher Gefahr befanden sich die Menschen wirklich? Die Steilwände zum Valle del Bove hin sind gut 200 Meter hoch und stellen ein ernstzunehmendes Hindernis für pyroklastische Ströme dar – obgleich wirklich große Ströme auch solche Hindernisse überwinden könnten. In der Größenordnung des aufgetretenen Stroms bestand zumindest nicht die Gefahr, dass der besonders heiße basale Teil des pyroklastischen Stroms die Wanderer erreichte. So hätten sie in erster Linie mit der Aschewolke Bekanntschaft machen können – was aber auch mehr als unangenehm ausgehen kann.

Doch das Gefährlichste an einem pyroklastischen Strom ist der brandheiße untere Teil, in dem es bis zu 1000 Grad heiß sein kann – eine Temperatur, die alles Leben in Sekundenschnelle auslöscht. Nicht umsonst wird eine spezielle Form der pyroklastischen Ströme auch Glutwolke genannt. 1000 Grad dürfte der Strom am Ätna gestern nicht erreicht haben, aber Temperaturen von über 400 Grad sind durchaus realistisch. Forscher des INGV wollen demnächst in das Gebiet vordringen, um Proben zu sammeln – vielleicht weiß man anschließend Genaueres.

In den sozialen Medien wurden die unterschiedlichsten Kommentare geteilt, und auf Facebook postete ein Ortsansässiger, dass sogar ein Verwandter umgekommen sein soll, der sich in 100 bis 200 Metern Entfernung zum pyroklastischen Strom aufgehalten habe. Seine Lungen sollen verbrannt und mit Wasser gefüllt gewesen sein. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Fakenews. Das Profil der Person ist jedenfalls verriegelt und nicht öffentlich zugänglich. Bestätigungen über Opfer gab es in der Presse nicht.

Das andere Extrem stellen Kommentare von Vertretern der Touristikbranche dar, die sinngemäß meinten, es habe keine Gefahr bestanden und sie hätten die Situation unter Kontrolle gehabt. Wer so etwas schreibt, hat das Wesen des Vulkanismus nicht verstanden und keine Ahnung von Vulkangefahren. Natürlich stehen hier in erster Linie Sorgen vor Gewinneinbußen und darüber im Raum, dass die Zugangsregeln zum Vulkan verschärft werden könnten.

Ich persönlich bin prinzipiell dagegen, den Zugang zu Vulkanen zu sperren, doch ich bin ebenso der Meinung, dass Massentourismus auf aktiven Vulkanen nichts zu suchen hat. Im Brennpunkt meiner Kritik stehen insbesondere die Bustouren, die man im Süden des Vulkans veranstaltet. Hier werden Hundertschaften von Touristen bis 300 Höhenmeter Meter unterhalb der Gipfelkrater gefahren, ohne dass man die Menschen vorher vernünftig über die Vulkangefahren aufklärt. Dabei stolpert dann jeder – auch kleine Kinder, Alte und Kranke – schlecht ausgerüstet und ungeachtet des Wetters durchs vulkanische Hochgebirge, die nicht geringste Ahnung davon zu haben, dass man in Gefahr geraten kann und wie man sich dann richtig verhält. So etwas wird allein des Geldes wegen gestattet. Individualtouristen, die auf eigene Faust den Vulkan erkunden wollen und vergleichsweise wenig Geld einbringen, werden unter dem fadenscheinigen Sicherheitsargument hingegen schnell vom Berg verbannt.

Tatsächlich fehlt auch ein funktionierendes Warnsystem. Vulkanampeln könnten Touristen schon an den Aufstiegsrouten signalisieren, ob ein Aufstieg relativ gefahrlos ist. Zudem wäre ein Cell-Broadcast-System sinnvoll, das automatisch per Smartphone vor gefährlichen Situationen warnt. Unsere vulkanologische Gesellschaft plante vor gut zehn Jahren ein Projekt, Informationstafeln am Ätna aufzustellen, doch es scheiterte am behördlichen Desinteresse und einer gewissen Blockadehaltung vor Ort. Man wollte sich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich hineinreden lassen.

Die Vulkanologen vom INGV berichteten gestern zeitnah über die Entwicklungen am Ätna und sprechen bei Gelegenheiten wie dieser allgemeine Warnhinweise aus. Nur: Wer nicht aktiv auf die Website des INGV schaut, wird in der Regel davon nichts erfahren. Dabei wäre es natürlich ein Leichtes, an touristischen Hotspots Monitore zu betreiben oder wenigstens QR-Codes zu installieren, die auf die Seite des INGV verlinken.

Was trotz aller Fortschritte in der Vulkanologie nach wie vor fehlt, sind längerfristige Warnungen vor größeren Eruptionen. Eine Warnung vor dem Paroxysmus, in dessen Zuge der pyroklastische Strom gestern auftrat, gab es nicht – oder praktisch erst, als sich dieser bereits aufbaute. Längerfristig betrachtet lassen sich solche Ausbrüche bislang nicht prognostizieren.

Erste Daten zum pyroklastischen Strom

Die Vulkanologen posteten gestern Abend, dass es im Zuge der Eruption eine leichte Bodenhebung von 0,2 µrad gab und eine Dehnungsvariation an der Station Monte Ruvolo von etwa 120 Nanostrain. Zudem wurde eine Tremorquelle in 2500 Metern Tiefe unter den Gipfelkratern ausgemacht. Der pyroklastische Strom entstand durch einen Teilkollaps der nördlichen Südostkraterflanke, wo nun eine tiefe Scharte klafft. Doch das kalte Material der Kraterflanke hätte bei einem normalen Kollaps nur eine Schuttlawine bzw. einen Bergsturz ausgelöst. Damit ein pyroklastischer Strom entstehen konnte, muss ein nicht unerheblicher Teil des Materials aus heißer Lava bestanden haben, die reich an Gasen war. Diese Gase wurden während des Kollapses explosionsartig freigesetzt und fragmentierten das Gestein. Auf Videoaufnahmen ist zu erkennen, dass das teilweise erst geschah, als die Massen bereits unterwegs waren. Wahrscheinlich drückte sich ein zäher Lavastrom durch die Flanke, was den Kollaps und den pyroklastischen Strom auslöste. Luftbilder nach dem Ereignis zeigen die neu entstandene Narbe im Südostkraterkegel. Große pyroklastische Ströme können übrigens spielend Entfernungen von 10 Kilometern und mehr zurücklegen. In so einem Fall wären am Ätna auch die Orte unterhalb des Valle del Bove gefährdet. Die Länge des Stroms gestern schätze ich auf ca. 3,5 Kilometer.

 

Ätna: Abgang eines Pyroklastischen Stroms

Pyroklastischer Strom am Ätna. © Jochen Felkl/ Skylienwebcam

Großer Pyroklastischer Strom auf der Ostflanke des Ätnas – Südostkrater war der Ausgangspunkt

Catania, 02.06.2025/ 11:45 UhrDie 14. eruptive Phase, die man als milden Paroxysmus bezeichnen kann, nahm eine unerwartete Wendung, als gegen 11:24 Uhr MESZ von der Nordostflanke des Südostkraterkegels ein pyroklastischer Strom abging, der das Valle del Bove hinabfloss und auch das Valle del Leone nicht ausließ. Unser Vereinsmitglied Jochen Felkl war gerade an der Livecam und erstellte die hier gezeigten Screenshots.

Pyroklastischer Strom am Ätna. © Skyline

Ich versuche noch den genauen Hergang des Geschehens zu eruieren. Vermutlich kam es zum Kollaps eines Lavastroms oder eines Flankenabschnitts des Kraterkegels infolge der aktuellen Aktivität. Pyroklastische Ströme entstehen am Ätna häufig, wenn sich ein Lavastrom durch die Flanke des Kegels brennt, wodurch die berühmten Scharten bzw. Frakturen entstehen.

Ersten Einschätzungen zufolge handelte es sich um einen der größten pyroklastischen Ströme am Ätna, über die ich bis jetzt berichten durfte. Selbst gesehen habe ich am Ätna bisher zwei. Einer ging von der Bocca Nuova ab und floss Richtung Westen, der andere manifestierte sich ebenfalls vom Südostkrater.

Update 12:15 Uhr: Inzwischen hat das INGV ein Update herausgegeben, in dem es heißt, dass der pyroklastische Strom wahrscheinlich nicht über die Begrenzung des Valle del Leone hingeflossen ist. Sollte das der Fall sein, wäre das ein Worst-Case-Szenario, denn auf dieser Begrenzung  -der Serra delle Concazze- halten sich oft Wanderer auf. Doch auch im Valle del Bove gibt es Wanderwege. Sollten sich hier morgens bereits Wanderer aufgehalten haben, stehen ihre Überlebenschancen nicht sonderlich gut. Das Video unten zeigt, dass ein großer Teil des oberen Valle del Bove vom pyroklastischen Strom überrollt wurde.

Der pyroklastische Strom soll durch einen Kollaps im oberen nordöstlichen Flankenbereich entstanden sein. Zeitgleich verstärkte sich die kontinuierliche strombolianische Tätigkeit zu einer Lavafontäne. Unklar ist, ob ein plötzlicher Druckanstieg den Kollaps verursachte oder ob die Druckentlastung durch den Kollaps das Magma explosionsartig aufsteigen ließ.

Eine VONA-Warnung des VAAC Toulouse zeigt einen Roten Alarmstatus des Ätnas. Nach Nordwesten driftende Vulkanasche wurde in 6400 m Höhe detektiert.

In meinem letzten Update schrieb ich darüber, dass sich Magma in einer Nord-Süd-orientierten Zone unter dem Südostkrater angesammelt hat und Richtung Norden strebt. Bei den vorherigen Eruptionen hatte sich auch eine neue Förderschlotreihe im Nordwesten des Kraterkegels gebildet, was eine potenzielle Schwächezone markiert.

Das Geschehen zeigt, wie unberechenbar und gefährlich Vulkane sind. Zugleich liefert der Abgang des pyroklastischen Stroms Denkanstöße, wie es um die Sicherheit der Touristen bestellt ist, die in Hundertschaften via Seilbahn und Bus auf den Vulkan gekarrt werden. Da man bestenfalls mit einem milden Paroxysmus rechnete, wage ich zu bezweifeln, dass die Region oberhalb von 2500 m, wo sich die obere Seilbahnstation befindet, evakuiert wurde. Sollte ein größerer pyroklastischer Strom in Richtung Süden abgehen, könnte es schnell in einem Desaster enden. Interessant auch die Überlegung, mit welch unterschiedlichem Maß man urteilt: Der Aufstieg zum Stromboli ist dauerhaft gesperrt, selbst in Zeiten normaler Aktivität, während man am viel stärker eruptierenden Ätna die Leute bis 300 m unterhalb der Kraterkegel schafft.

Stromboli: Alarmstufe Rot gilt weiterhin

Nach den Abgängen der pyroklastischen Ströme gilt weiterhin Alarmstufe Rot – Katastrophenschutz warnt vor Seismizität

Der liparische Inselvulkan Stromboli erzeugte gestern eine Serie pyroklastischer Ströme, von denen wenigstens einer mehrere Hundert Meter weit aufs Meer hinauslief und dort eine Gefahr für den Schiffsverkehr darstellte. Seit einigen Jahren gibt es aus diesem Grund im Meer vor der Sciara del Fuoco, über die die pyroklastischen Ströme normalerweise abgehen, einen Sperrbereich, der mit Bojen markiert ist. Bilder zeigen nun, dass sich einige Boote dennoch in Küstennähe aufhielten und fast vom pyroklastischen Strom erwischt worden wären. Dennoch hatte man Glück, und es liegen keine Berichte über Personenschäden vor.

Die Vulkanasche, die von den pyroklastischen Strömen aufstieg, erreichte eine Höhe von 2000 Metern und wehte in Richtung Süden. Auf der Sciara del Fuoco war ein Lavastrom unterwegs. Leider sind die meisten Livecams offline, sodass es keine Möglichkeit gibt, aus der Ferne visuelle Beobachtungen vorzunehmen. Vermutlich löste der Lavastrom einen weiteren Kollaps im Kraterbereich aus, und es kam zur Fragmentation heißer Lavablöcke, aus denen die Dichteströme hervorgingen. Auf einer Thermalcam an der Küste, die noch funktioniert, sieht man eine thermische Signatur, die darauf hindeutet, dass der Lavastrom aktiv ist und inzwischen die Küste erreicht hat.

Gestern Abend um 20 Uhr, als die Hauptphase der Eruption vorbei war, wurde vom Zivilschutz und der Kommunalverwaltung die rote Alarmstufe über Stromboli verhängt. In den Medien heißt es nur, dass Maßnahmen zum Schutz aller Anwesenden auf der Insel erlassen wurden und man mit diesen in Kontakt steht. Man befinde sich in der Einsatzphase „Frühwarnung“ und stärke die Überwachung des Vulkans. Was das nun konkret für die Zugangsbeschränkungen am Vulkan bedeutet, wurde nicht kommuniziert. Man kann aber davon ausgehen, dass auch der Zugang zu den Beobachtungspunkten auf 290 und 400 Höhenmetern verboten ist. Für alle Stromboliurlauber ist das bestimmt eine herbe Enttäuschung.

Was mich in diesem Zusammenhang persönlich enttäuscht, ist, dass es immer noch keine zentrale Informationsstelle bzw. Website gibt, auf der sich potenzielle Stromboliurlauber und Vulkanspotter über die Zugangsmöglichkeiten und Beschränkungen informieren können. Selbst wenn man vor Ort ist, heißt es immer nur: „Da musst du heute Nachmittag zu einem der Vulkanführer gehen, der weiß vielleicht Bescheid.“ Ich vermute mal, diese Salamitaktik ist gewollt, und man hofft, dass die Touristen trotzdem (wieder) kommen. Eine Zumutung im Zeitalter der Smartphone-Apps!

Medienberichten zufolge warnen die Behörden inzwischen auch vor Erdbebentätigkeit auf Stromboli. Was mich ebenso wie die mangelnde Kommunikation in Bezug auf den Tourismus wundert, ist der Umstand, dass man von Seiten der Wissenschaftler keine Prognosen bekommt und immer nur im Nachhinein die Warnstufe erhöht wird, wenn bereits etwas passiert ist. Dabei gab und gibt es ja Warnzeichen, die schon Monate im Voraus zu erkennen sind. Hier könnte nach dem fatalen Urteil zu den Erdbeben in Norditalien, bei denen Forscher wegen fehlerhafter Prognosen verurteilt wurden, den Wissenschaftlern der Wind aus den Segeln genommen worden sein.

Übrigens werden Erdbeben auf Stromboli nicht die größte denkbare Gefahr darstellen. Vielmehr gelten sie als Indikatoren vor einer weiteren Aktivitätssteigerung des Vulkans. Sollte es doch einmal zu einem stärkeren Erdbeben kommen, drohen hier insbesondere große Hangrutschungen, die Tsunamis auslösen können. Natürlich können diese auch ohne größere Erdbeben entstehen, etwa durch einen größeren Vulkanausbruch. Andersherum könnten große Hangrutschungen auch Eruptionen triggern. Es gibt ein Tsunami-Frühwarnsystem, doch auf Stromboli selbst bleiben bestenfalls Minuten, um Küstenbereiche im Falle eines Tsunamis zu verlassen.

Stromboli mit pyroklastischen Strömen am 04.07.24

Intensiver Lavaüberlauf löste pyroklastische Ströme am Stromboli aus – Vulkan in Asche gehüllt

Heute Abend gingen am Stromboli hintereinander mehrere pyroklastische Ströme ab. Die Tätigkeit begann um 16:18 UTC (Lokalzeit plus 2 Stunden) und hält auch 45 Minuten nach ihrem Beginn weiter an. Die pyroklastischen Ströme erreichten nicht nur die Küste, sondern liefen mehrere 100 Meter auf das Meer hinaus. Auf der Livecam war zu erkennen, wie ein großer Teil des Vulkans in Asche gehüllt war. Sie zog auch in Richtung Stromboli Ort und erreichte eine Höhe von mindestens 2000 m über dem Meeresspiegel.

Die Situation ist noch nicht ganz klar, aber wahrscheinlich ist es zu einem größeren Kollaps im Kraterbereich des Vulkans gekommen. Ich vermute, dass es den Hornito am Nordrand zerlegt hat. Ein Lavastrom ergießt sich aus dem nördlichen Kraterbereich. Der Förderschlot befand sich auf 700 Höhenmetern.

Wie das INGV berichtet, gab es vor der Generierung der pyroklastischen Ströme eine leichte Bodenverformung von einem halben Mikrorad. Es wurde ein horizontaler Versatz von 10 Zentimetern in westlicher Richtung registriert. Offenbar stieg ein Magmenkörper auf.

In einem Bericht vom LGS heißt es, dass heute um 12:11 UTC  (14:11 Uhr Lokalzeit) ein stärkeres explosives Ereignis registriert wurde, das einen akustischen Druck von mehr als 15 Pascal aufwies.

Offiziell wurde noch nichts bestätigt, aber es ist wahrscheinlich, dass der Zugang zu den Aussichtspunkten am Stromboli gesperrt wurde und vorerst auch gesperrt bleibt. Die derzeit vereinzelten Erdbeben lassen vermuten, dass die vulkanische Aktivität weiter zunehmen könnte. Daher rate ich dringend von einem Aufstieg in die Gipfelregion ab. Zudem ist der Aufstieg ohnehin verboten.

Stromboli ist einer der aktivsten Vulkane Europas und weist eine dauerhafte Aktivität auf. In den letzten Jahren gab es vermehrt Phasen erhöhter Aktivität, die sich durch Lavaspattering, Explosionen, Lavastrombildung und Kollapsereignisse auszeichneten. Diese Kollapse führen selten, aber immer häufiger, nicht nur zu Hangrutschen, sondern auch zu pyroklastischen Strömen, wie es heute der Fall ist. Im Extremfall können starke Paroxysmen auftreten.

Vulkan Stromboli mit Pyroklastischem Strom am 09.10.22

Pyroklastischer Strom erreicht die Küste von Stromboli

Staat: Italien | Koordinaten: 38.79; 15.21 | Eruption: Strombolianisch

Die Meldungen vom italienischen Inselvulkan Stromboli reißen nicht ab: heute Morgen ging ein Pyroklastischer Strom ab. Er manifestierte sich um 07:23:33 UCT und floss über die Sciara del Fuoco bis an die Küste. Dem Pyroklastischen Strom voran ging ein Phase mit intensivem Lavaspattering, die sich zu einer kleinen Fontäne steigerte, als ein Lavastrom zu fließen begann. Es kam zu einem Kollaps, bei dem möglicherweise ein Teil des Kraterrands abrutschte, was dann den Pyroklastischen Strom auslöste. Nach dem initialen Ereignis trat weiterhin ein Lavastrom aus, der inzwischen ebenfalls bis zur Küste vordrang.

Das INGV veröffentlichte ein Video aus den Aufnahmen der LiveCams.

Das sind aber nicht die einzigen Aufnahmen, denn mittlerweile versammelten sich Schaulustige in Booten vor der Sciara del Fuoco. Spätestens seit 2018 wissen wir, dass sowas nicht ganz ungefährlich ist, denn es könnten große Pyroklastische Ströme entstehen, die weit aufs Meer hinaus laufen. Auf dem Video unten sieht man, dass nicht nur ein Lavastrom die Küste erreichte, sondern weitere Pyroklastische Dichteströme entstanden.

Der Tremorgraph zeigt, dass die Amplitude des vulkanischen Zitterns in die Höhe schoss und sehr hohe Werte annahm. Kurz vor dem Abgang wurde ein leichter Anstieg der Bodendeformation festgestellt. Er betrug 0,05 µrad. Auch Abends bleibt der Tremor erhöht und es fließt weiter Lava aus dem nördlichen Kratersektor. Seit einigen Minuten ist ein vergleichsweise breiter Lavastrom unterwegs, der eine deutliche Thermalspur auf der LiveCam hinterlässt. So große Lavaströme sind eigentlich typisch für Flankeneruptionen und weniger für Überläufe aus einem Förderschlot im Krater. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der Schlot bei dem initialen Kollaps zu einer kleinen Spalte erweiterte. Hier werden die nächsten Drohnenaufnahmen sicherlich für Aufklärung sorgen.

Stromboli: Lavastrom und rückläufiger Tremor

Auf der Vulkaninsel Stromboli gehrt man nach der großen Eruption vom 3. Juli langsam wieder zur Normalität zurück. Der Aufstieg auf den Vulkan ist zwar weiterhin gesperrt, doch Touristen besuchen wieder die Insel. Der Tremor geht tendenziell weiter zurück, fluktuiert aber stark. Er befindet sich nun wieder auf dem Niveau wie in den Tagen vor der großen Eruption. Die strombolianische Tätigkeit ist noch erhöht und gestern flossen noch kurze Lavaströme über den Südwesthang. Diese waren für die hohe thermische Strahlung verantwortlich, über die hier vorgestern berichtet wurde. Eine Prognose, ob sich kurzfristig eine weitere große Eruption ereignen könnte ist nicht machbar: scheinbar gibt es mittelfristig keine eindeutig zu interpretierenden Hinweise auf solche Ausbrüche. Allerdings halte ich eine weitere Eruption für möglich, solange der Tremor erhöht ist.

Neue Bilder zur Eruption vom 3. Juli

Gestern sind noch neue Bilder zur Eruption aufgetaucht. Besonders eindrucksvoll finde ich die Aufnahmen von Seglern, die sich nahe der Sciara del Fuoco aufhielten. Sie dokumentierten den pyroklastischen Strom, der nach offiziellen Angaben gut 900 m weit auf das Meer hinaus lief. Ich denke, es dürften noch ein paar hundert Meter mehr gewesen sein. Bilder von pyroklastischen Strömen die über Wasser fließen sind relativ selten. Sie verdeutlichen gut das Funktionsprinzip dieser Naturphänomene: sie rasen auf einem heißen Gaskissen zu Tal, ohne direkten Kontakt zum Boden und können so auch Hindernisse, oder eben Wasser überwinden. Sie ähneln insofern einem Luftkissenboot. Zum Glück hielten sich keine Boote im direkten Gefahrenbereich auf.

Neue Erkenntnisse zur Explosion auf Stromboli

Der oben fotografierte pyroklastische Strom entstand im Zusammenhang mit dem Kollaps der westlichen Kraterwand und der Entstehung eines neuen Förderkanals. Satellitenaufnahmen zeigen eine thermische Anomalie, die außerhalb der ursprünglichen Krater-Terrasse liegt. Vermutlich handelt es sich um einen neuen Schlot. Er befindet sich 120 m südwestlich der ursprünglichen Krater-Terrasse, die sich entsprechend vergrößerte. Ob aus dem neuen Schlot dauerhaft Lava gefördert wird, oder ob es sich nur um eine kurzweilig tätige Öffnung handelt, wird sich im Laufe der Zeit zeigen.

Auf der Seite des LGS sind weitere Bilder veröffentlicht worden. Auf ihnen sieht man sehr schön wie groß das kollabierte segment der Kraterwand ist. Das Geschehen zeigt einmal mehr, dass der Boden auf Vulkanen alles andere als stabil ist. Die vulkanische Landschaft kann ihr Gesicht innerhalb weniger Augenblicke ändern: Oft mit fatalen Folgen für die Lebewelt im Schatten der Feuerberge.

Kirishima: erster pyroklastischer Strom

Heute wurde am Kirishima in Japan der erste pyroklastische Strom der aktuellen Eruptionsphase generiert. Dieser entstand während einer Eruptionsserie am Morgen. Vulkanasche stieg laut JMA bis zu 3200 m hoch auf. Der pyroklastische Strom war 800 m lang. Möglicher Weise entstand er durch partiellen Kollaps der Lavastromzunge, welche vor 2 Wochen über den Kraterrand floss, dann aber schnell stagnierte. Menschen wurden nicht gefährdet. Nach einer mehrtägigen Pause setzten gestern wieder Eruption aus dem Krater Shimone-dake ein.

Copahue eruptiert phreatisch

Der chilenische Vulkan Copahue erzeugte gestern eine phreatische Eruption. Eine Asche-Dampf-Wolke stieg gut 1000 Meter über den Krater auf. Der 2997 m hohe Vulkan im Grenzgebiet zu Argentinien war 2012 Schauplatz spektakulärer Eruptionen.

Eruptionen am Ebeko

Das VAAC Tokyo registierte in den vergangenen Tagen sporadische Eruptionen des Kurilen-Vulkans Ebeko. Die Vulkanasche erreicht Höhen von 3,3 km ü.NN. Ebeko liegt auf Paramushir Island und wird als Somma-Vulkan  beschrieben. Insofern ähnelt er dem Vesuv bei Neapel.

Kadovar mit geringen Domwachstum

Gestern gelang es mir zum ersten Mal ein brauchbares Satellitenfoto vom Inselvulkan Kadovar zu capturen. Bisher war der Vulkan immer wolkenverhangen, oder hüllte sich in seiner eigenen Dampfwolke. Das Rabaul-Observatorium berichtet von sehr geringem Domwachstum und moderater Dampfentwicklung. Auf dem Bild sieht man einen schmalen Streifen mit Wasserverfärbungen, welcher vom Dom an der Küste ausgeht. Vor dem Hang an der Südküste ist ebenfalls verfärbtes Wasser erkennbar. Am Dom erkennt man eine kleine thermische Anomalie.

Schwache Erdbeben am Mauna Loa

Unter dem größten Vulkan der Erde, dem Mauna Loa auf Big Island Hawaii, manifestierten sich seit gestern 2 schwache Erdbeben. Sie hatten Magnituden über 2 und lagen in geringen Tiefen.  Solche schwachen Erdbeben stellen an sich keine Gefahr dar, allerdings liefern sie Hinweise auf Magmatische Aktivität im Untergrund. Seit einigen Jahren wird Inflation registriert und es ist keine Frag, ob der Vulkan wieder ausbrechen wird, sondern wann.

Shiveluch: sehr hohes thermisches Signal

Der Vulkan Shiveluch auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka zeigt bei MIROVA heute ein sehr hohes thermisches Signal von 1907 MW. Das zugehörige Satellitenbild zeigt, dass die thermische Anomalie fast die Hälfte des Ignimbrit-Feldes im Südwesten des Vulkans einnimmt. Die Vermutung liegt nahe, dass es einen Domkollaps gab, bei dem große pyroklastische Ströme generiert wurden. Das VAAC Tokyo registrierte heute Nachmittag 2 Aschewolken, die über 12 km hoch aufstiegen.