Santorin: Neue Forschungen zur Minoischen Eruption

Die Minoische Eruption stellte eine der größten Naturkatstrophen der Bronzezeit dar: die verheerende Eruption des Vulkans Thera auf Santorin machte nicht nur die Insel temporär unbewohnbar, sondern könnte vor 3500 Jahren sogar den Untergang der Minoischen Kultur eingeleitet haben: die Eruption löste Tsunamis aus, die gegen die Küsten der umliegenden Inseln brandeten und große Zerstörungen anrichteten. Die Wellen erreichten auf Kreta eine Höhe von bis zu 9 Metern. Die Vulkanasche verteilte sich im gesamten Mittelmeerraum und stellt einen wichtigen Zeitmarker dar, der zur Einordnung ägyptischer Dynastien verwendet wurde. Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Katastrophe noch größer war als bislang angenommen.

In einer interdisziplinären Grabungskampagne wurde nun nachgewiesen, dass die Tsunamis nicht nur die Küsten der umliegenden Inseln der Ägäis verwüsteten, sondern sogar die türkische Küste erreichten: bei Grabungen in Çeşme-Bağlararası entdeckte das internationale Team aus Geologen, Archäologen und anderen Forschern, nicht nur einen Schutt-Horizont der von Tsunamis verursacht wurde, sondern auch sterbliche Überreste.

Erste Todesopfer der Minoischen-Katastrophe entdeckt

Bei den Überresten handelt es sich um die Skelette von einem Mann und einem Hund. Sie wurden in den bronzezeitlichen Erdschichten der einstigen Hafenstadt entdeckt. Die Trümmerschichten zeugen von den 4 Tsunamis, die Teile der Siedlung überfluteten und eine Spur der Verwüstung hinterließen.

Die Ablagerungen eines Tsunamis unterscheiden sich von Sedimenten anderer Katastrophen durch ihre Fließtextur. Dabei besteht ein sogenannter Tsunamit überwiegend aus Brekzien mit eingelagerten Resten mariner Lebewesen wie Korallen und Muscheln. Die oft mehrere Meter mächtigen Tsunamite sind gegenüber anderen Sedimentschichten scharf abgegrenzt. Die nun entdeckten sterblichen Überreste in Çeşme-Bağlararası sind die ersten Zeugnisse dieser Art, die man im Tsunamit der Minoischen Eruption entdeckt hat. Zudem bestätigte eine Radiocarbon-Datierung das Alter der Gebeine auf ca. 3500 Jahre. Der Leiter der aktuellen Grabungen, Vasif Sahoglu von der Universität Ankara, erklärte: „Die Eruption des Thera in der späten Bronzezeit war eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte der Menschheit. Trotz der Stärke dieses Ereignisses wurden aber bisher noch nie Überreste von menschlichen Opfern dieser Katastrophe identifiziert, nicht einmal im besonders stark betroffenen Gebiet um Aktrotiri“. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Menschen rechtzeitig vor der Katastrophe flohen (z.B. weil sie von Erdbeben gewarnt wurden), oder dass die meisten Opfer in Vulkannähe, von den Pyroklastischen Strömen komplett verbrannt wurden. Davon unterscheidet sich die Thera-Eruption von jener in Pompeji: dort fand man zahlreiche Skelette. Der aktuelle Fund zeigt, dass sich offenbar doch nicht alle Menschen im weiteren Umfeld der Katastrophe in Sicherheit bringen konnten.

Nach der Katastrophe blieb das Gebiet für mindestens 100 Jahre unbewohnt, doch bevor die Menschen endgültig flüchteten, kamen einige zurück und suchten nach Wertgegenständen. Wahrscheinlich bargen sie auch die meisten Todesopfer. Davon zeugen Gruben im Tsunamit, die nachträglich von anderen Sedimenten aufgefüllt wurden. Dass Hund und Mann unentdeckt blieben, lag wahrscheinlich daran, dass sie von einer einstürzenden Mauer erschlagen wurden und mitten in den Trümmern lagen. Zudem wurden sie in 1 m Tiefe entdeckt; zu tief für die damaligen Notgrabungen.

(Quelle: PNAS,  doi: 10.1073/pnas.2114213118,  unter Lizenz der CC)

Santorin: neue Theorie zum Tsunami

Blick auf die Innenseite der Caldera. © Marc Szeglat

Der Untergang der bronzezeitlichen Minoer wurde möglicher Weise durch einen Tsunami eingeleitet der durch einen gigantischen Vulkanausbruch ausgelöst wurde. Bisher nahm man an, das der Tsunami durch den Kollaps der Vulkaninsel Santorin verursacht wurde, nachdem sich die Magmakammer bei dem großen Ausbruch vor gut 3600 Jahren entleert hatte. Nun veröffentlichten Forscher der Universität Athen eine neue Studie, nach der nicht der Kollaps des Vulkans den Tsunami auslöste, sondern Pyroklastische Ströme!

Die Wissenschaftler um Paraskevi Nomikou rekonstruierten den Eruptionshergang und die Calderabildung. Dabei fanden sie heraus, dass sich zum Zeitpunkt des Kollapses kein Wasser in der Caldera befand und sich somit kein Tsunami bei deren Kollaps bilden konnte. Was aber konnte dann der Auslöser des katastrophalen Tsunamis gewesen sein? Untersuchungen des Meeresgrundes um Santorin brachten die Wissenschaftler auf die Spur zur aktuellen Theorie: Die Messungen enthüllten bis zu 60 m mächtige Ignimbritablagerungen. Diese sind Hinterlassenschaften von Pyroklastischen Strömen. Die Glutwolken manifestierten sich beim Zusammenbruch der Eruptionswolke, die bis weit in die Stratosphäre aufgestiegen sein muss. Gewaltige Mengen pulverisierten Gesteins rauschten aus der Aschewolke zu Boden und flossen auf einem heißen Gaskissen über das Mittelmeer. Als die Mengen pulverisierten Gesteins im Meer versanken, soll dass den Tsunami ausgelöst haben. Das ging aber sehr wahrscheinlich nur mit der Unterstützung von (submarinen) Hangrutschungen. Die ausgelöste Flutwelle war mächtig: wo sie gegen die Nordküste Kretas brandete, entdeckten Geoforscher ihre Spuren in 9 Metern Höhe. Sie versenkte wahrscheinlich einen Großteil der Schiffsflotte der Minoer und zerstörte deren Küstenstädte. Der Anfang vom Ende der Minoischen Kultur.

Die Phasen der Calderabildung. ©Paraskevi NomikouAber warum befand sich kein Wasser im Kessel der Caldera, als der Vulkan eruptierte? Denn schon vor der bronzezeitlichen Eruption existierte eine geflutete Caldera die den Hafen der Insel beherbergte. Die Wissenschaftler der Uni Athen machen dafür 2 enorme Wasserdampfexplosionen verantwortlich die das ganze Wasser der Caldera schlagartig verdampften. Ein Ringwall aus frischer Tephra soll dabei die Caldera zum Meer hin abgedichtet haben, so dass kein neues Wasser nachströmen konnte. Daher seien dann die Landrutschmassen und die Gesteinsbrocken, die durch die Explosionen in die Luft geschleudert wurden, in den trockenen Kessel gestürzt und konnten keinen Tsunami auszulösen.

Ich persönlich bin ein wenig skeptisch, was die Rolle der Pyroklastischen Ströme anbelangt. Diese können viele Kilometer über das Meer gleiten und verlieren dabei relativ langsam an Masse. Um einen Tsunami auszulösen bedarf es allerdings einer plötzlichen Anregung.

(Quelle: https://www.nature.com/articles/ncomms13332)